Duisburg. . Vor 25 Jahren wurde bekannt, dass Krupp das Duisburger Stahlwerk Rheinhausen schließen wollte. Es war der Beginn eines beispiellosen Arbeitskampfes. Gerda Peto ist in Rheinhausen aufgewachsen und war von Anfang an dabei.

Dreckswetter, aber wirklich. Der Wind treibt Schneeregen über den Rhein und die Brücke. Gerda Peto stemmt dem widrigen Wetter ihren Knirps entgegen, doch der Fahrtwind der schweren Laster stülpt ihn immer wieder auf links. Macht nichts. Weiter. Gerda Peto lässt sich nicht schnell entmutigen. Damals nicht und auch nicht jetzt mit Anfang 70. Sie richtet den Schirm zum x-ten Mal, schaut darunter hervor und sagt: „Vor 25 Jahren hatten wir auch oft so ein Wetter. Aber wir haben durchgehalten.“ Sie geht weitere fünf Schritte gegen den Wind. „Weil es uns wichtig war.“

Gerda Peto hat einen ganz persönlichen Bezug zu dieser „Brücke der Solidarität“, die zum stählernen Denkmal des Arbeitskampfes um das Hüttenwerk im Winter 87/88 wurde. „Mein Vater Erich hat die Brücke mit gebaut.“ Die Familie aus Westpreußen kam der Arbeit wegen nach dem Krieg ins Ruhrgebiet. Erich wurde Schlosser bei Krupp und schob fortan Extraschichten beim Bau des stählernen Kolosses. Gerda wächst in Rheinhausen auf, arbeitet in der Verwaltung der evangelischen Gemeinde und heiratet 1966 Edmund, der - klar - auch bei Krupp sein Geld verdient, als Eisenbahner.

Mehr als 6000 Arbeitsplätze weg

Dann der Winter 1987. „Ich habe es morgens im Radio gehört. Das kann doch nicht möglich sein.“ Werkschließung in Rheinhausen beschlossen, über 6000 Arbeitsplätze weg . „Zunächst sind die Sorgen auch persönliche. Unsere drei Kinder waren ja noch nicht aus dem Gröbsten raus, die Älteste wollte studieren. War das jetzt alles noch möglich? Aber ich habe dann viele Frauen getroffen, die größere Sorgen hatten als ich.“

Gerda mischt sich ein. „Ich war immer politisch interessiert, aber nicht engagiert.“ Vorbei. Der erste logische Weg ist die Mitarbeit in ihrer Kirchengemeinde, Beratung und Betreuung der Männer, die um ihren Job kämpfen. Dann schließt sie sich der Fraueninitiative an und hat ein einschneidendes Erlebnis. „Der Walzwerkgottesdienst. Brot und Rosen. Brot als Symbol für Arbeit, Rosen für Lebensqualität. Das ist uns sehr nahe gegangen.“ Die Geburtsstunde des Wir-Gefühls. „Kirche und Gewerkschaft, Männer und Frauen, alle gemeinsam. Das hat uns stark gemacht.“

Die Frauen fingen an zu singen

Es folgen Versammlungen, Treffen, Demonstrationen. „Wir Frauen waren für die Stabilität wichtig. Wenn der Unmut unter den Männern wuchs, wenn die Wut zu kochen begann, haben wir Frauen angefangen zu singen.“ Zum Beispiel das Lied der Stahlarbeiter: „Keiner, ja keiner schiebt uns weg.“ Die Männer stimmten ein, aus dem Kessel entwich der Druck. Friedlich kämpfen, daran hat sie geglaubt.

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„Und daran, dass man mit Kämpfen etwas erreichen kann. Beharrlichkeit ist die Macht der Rheinhauser. Und es hat ja auch was gebracht.“ Sie spricht lieber über die Erfolge als über die Strapazen. „Es wurde ein guter Sozialplan erstellt. Für viele war es hart, mancher musste wegziehen. Aber ‘Tothausen’, wie damals auf die Ortstafeln gemalt wurde, ist hier ja nicht entstanden.“

Mit 55 in den Vorruhestand

Auch Edmund, ihr Mann, damals 55, findet einen dornenfreien Weg. Er geht in den Vorruhestand. „Das klappte ganz gut“, sagt Gerda, „weil wir einen Garten haben. Da gab’s viel zu tun. Sonst...?!“ Außerdem fährt er seine Frau quer durchs Land. Gerda macht nämlich weiter. Tritt bei Zechenschließungen in Aktion, redet, gibt Tipps, hilft. Oder erzählt Schülern von damals, vom Arbeitskampf.

Und sie hat vergeben. „Dem Norbert Blüm bin ich kurz danach mal in der Kirche begegnet. Durch Zufall standen wir bei den Fürbitten nebeneinander, haben uns dann alle an den Händen genommen. Ach herrje, da waren einige sauer, dass ich dem die Hand gegeben habe. Aber Hass bringt nichts.“ Sie hat andere Konsequenzen gezogen: „Ich weiß, man kann wirklich viel erreichen, wenn man zusammensteht. Da bin ich auch stolz, dass wir das geschafft haben.“ Die Wind greift noch mal kräftig nach Gerdas Schirm. Da muss er sich aber eine andere suchen. Keiner schiebt sie weg...