Duisburg-Rheinhausen. . Ein Geschichtskurs der Lise-Meitner-Gesamtschule lud Arbeitskämpfer zum ersten „Zeitzeugencafé“ ein

Daten und Fakten büffeln, diese Art des Geschichtsunterrichts gehört längst der Vergangenheit an – zumindest an der Lise-Meitner-Gesamtschule. Um mehr über die einstige Kruppstadt zu erfahren, ließen sich Oberstufenschüler der Jahrgangsstufe 11 nun eine neue Unterrichtsform einfallen: ein Zeitzeugencafé, in dem sie mit Betroffenen eines besonderen Ereignisses zusammenkommen und sich schildern lassen, wie es damals aus ihrer Sicht gewesen ist. Welches Ereignis das sein würde, war angesichts dessen 25-jährigen Jubiläums sofort klar: Der Krupp-Arbeitskampf.

„Ich wohne in Rheinhausen und der Arbeitskampf gehört zu unserer Geschichte dazu. Auch wenn ich damals noch nicht geboren war, will ich mehr darüber erfahren“, sagt Schülerin Fabienne Morski (17). „Es war ein einschneidendes Ereignis für den Stadtteil“, ergänzt Mitschüler Julian Gregoric (16). „Mein Opa hat immer von der damals herrschenden Solidarität geschwärmt.“

Dass das Schulprojekt, unter anderem der Archivierung der Erfahrungsberichte dient, auch das Interesse vieler ehemaligen Kruppianer weckte, freute nicht nur die Jugendlichen, sondern auch ihre Lehrerin Annegret Keller-Steegmann, deren Ehemann Theo Steegmann ein Gast des Zeitzeugencafés war. Mit ihm waren nicht nur sein damaliger Betriebsratskollege Manfred Bruckschen gekommen sowie Ex-Jugendvertreter Jörg Lauer gekommen. Auch viele Malocher, die heute in der Rente sind. Ausgelegte, vergilbte Zeitungen und alte Fotos sorgten für viel Nostalgie.

Unvergessliche Zeit

„Wenn es an der Ruhr brennt, hat der Rhein nicht so viel Wasser, um dieses Feuer zu löschen“, erinnerte sich Werner van Deventer (73) an einen alten Ausspruch Konrad Adenauers. Es sei schwierig, der heutigen Generation die Macht der Malocher verständlich zu machen, doch die vielen Anekdoten der Kruppianer halfen den Gesamtschülern zu verstehen. Der Sturm der Villa Hügel war ein häufiges Thema, aber vor allem die Solidarität mit der Bevölkerung. Vom „Ömmaken, dat uns Dubbels geschmiert hat“, über die Polizei und türkische Gastarbeiterfamilien, bis hin zu rund 10 000 Duisburger Schülern, die zu den Kundgebungen gekommen waren. „Man kann das nicht beschreiben, so viel Engagement nimmt einen mit“, sagte Jörg Lauer. „Die Menschen hatten Angst um ihre Arbeitsplätze und die Bevölkerung fand unseren Kampf gerechtfertigt“, das mache diese Zeit so unvergesslich.

Aber auch über andere geschichtliche Ereignisse redeten die rund 20 Gäste aus der Stahlindustrie und Frauenbewegung, über die Mondlandung, Tschernobyl oder die 68er-Revolution.

„Ich fand es richtig gut“, resümierte Ann-Catherine Ksoll (16). „Es hat wirklich Spaß gemacht, über diese Zeit mit Leuten zu sprechen, die sie selbst erlebt haben. Dabei sind auch viele Emotionen hochgekommen.“ Jetzt müssen sie und ihre Mitschüler mit den Erkenntnissen eine Facharbeit schreiben.