Duisburg. .

Marion Neef trauert um ihren verstorbenen Bruder Andreas Kudla, der nach drei qualvollen Operationen im Meidericher Herzzentrum am 13. September 2011 an Organversagen starb. Neef erhebt schwere Vorwürfe gegen die Ärzte ihres Bruders. „Die Chefärztin Prof. Dr. Sabine Däbritz und der leitende Oberarzt Dr. Frank Reusch haben die Patientenverfügung meines Bruders sträflich missachtet, meine Vollmacht als Betreuerin vollkommen ignoriert und ihn gegen seinen ausdrücklichen Willen künstlich am Leben gehalten. Beide Beschuldigten haben ganz bewusst nicht auf die quälende Lebensverlängerung verzichtet.“

Marion Neef fällt es nicht leicht, über den Leidensweg ihres Bruders zu sprechen. Zu tief sitzt noch der Schmerz. Dabei belastet es sie enorm, dass der letzte Wille ihres Bruders nicht erfüllt wurde.

Am 16. Mai 2011 wird Andreas Kudla, der an einem schweren Tumor leidet, das erste Mal an seinem Herzen operiert. Es treten Komplikationen auf, sein Zustand verschlechtert sich zunehmend. Es folgt eine zweite Operation, seine Niere versagt. In den folgenden Tagen werden weitere Eingriffe vorgenommen. Doch der Zustand des Patienten bessert sich nicht.

Keine lebensverlängernden Maßnahmen gewünscht

Am 8. Juni erstellt Kudla aus einem Vordruck dann eine Patientenverfügung, aus der hervorgeht, das er im Falle einer tödlich verlaufenden Krankheit, keine lebensverlängernden Maßnahmen will und auch keine Wiederbelebungsversuche. Seine Schwester erinnert sich noch sehr genau an die Worte ihres Bruders: „Ich habe keine Kraft mehr. Ich habe eine Patientenverfügung ausgefüllt und möchte sie dir anvertrauen.“

Neef kämpft mit den Tränen, wenn sie vom letzten Gespräch mit ihrem Bruder berichtet: „Er wusste, dass ich seine Wünsche respektieren und mich nicht von den Ärzten beeinflussen lassen würde“, sagt die 59-Jährige, die selbst als Krankenschwester in ihrer Heimat Neunkirchen im Siegerland arbeitet. „Auf keinen Fall möchte ich als Pflegefall enden. Mein Alter spielt dabei keine Rolle. Um so länger würde ich irgendwo sabbernd, in Windeln, mit Atemnot und Schmerzen und vielleicht sogar an Maschinen angeschlossen sein. Und wenn mein Kopf noch funktioniert, würde ich nur in Angst und Verzweiflung leben. Nein, so will ich nicht dahinvegetieren“, seien die Worte Kudlas gewesen.

Staatsanwaltschaft will Verfahren einstellen

Neef verspricht ihrem Bruder, seinen letzten Willen zu achten. Bis zum 18. Juli gibt sie ihr Einverständnis zu weiteren Eingriffen, doch der Zustand ihres Bruders verschlimmert sich weiter. „Mitte August habe ich aufgrund der Schwere des Leidens meines Bruders dann Frau Dr. Däbritz und Herrn Dr. Reusch auf die Patientenverfügung hingewiesen. Sie haben es kategorisch abgelehnt, diese zu beachten“, klagt Neef. Bis zum Tod von Andreas Kudla am 13. September werden gegen Neefs Willen weitere lebenserhaltende Eingriffe vorgenommen.

Die Schwester des Verstorbenen ist wütend, enttäuscht und fassungslos. „Es geht hier um die Menschenwürde.“ Im Oktober 2011 erstattet Marion Neef Strafanzeige gegen die beiden Ärzte wegen des „Verdachts auf gefährliche Körperverletzung“. Die Staatsanwaltschaft Duisburg will das Verfahren einstellen, da ein Irrtum der Beschuldigten nicht ausgeschlossen werden könne.

Zweifel an der Patientenverfügung

Neef hat Einspruch gegen die Einstellung eingelegt und muss sich derweil kühne Beschuldigungen seitens des Rechtsanwaltes der beschuldigten Chefärztin Sabine Däbritz gefallen lassen. So heißt es aus der Kanzlei von Rainer Enzweiler, dass es nicht ersichtlich sei, dass die Patientenverfügung wirksam erstellt worden ist. In dem Schreiben heißt es: „Dies ergibt sich daraus, dass zwar einige Teile handschriftlich verfasst worden sind, aber sämtliche Streichungen nicht erkennen lassen, wer diese Streichungen vorgenommen hat. Insgesamt hatte meine Mandatin den Eindruck, dass neben den psychischen Problemen der Anzeigenerstatterin auch eine Überforderung durch wirtschaftliche Zwänge bestanden hat. Die wirtschaftlichen Gründe dürften der wiederholten Forderung zugrunde gelegen haben, den verstorbenen Patienten nicht weiterleben zu lassen.“ Die Anwälte schreiben zudem, dass die Schwester des Verstorbenen gefordert habe „Herrn Kudla abzuspritzen“. Neef ist entsetzt über das Schreiben der Anwälte. „Gegen die Behauptung, ich hätte verlangt, meinen Bruder abzuspritzen, wehre ich mich. Dass ich etwa aus finanziellen einen Abbruch der Behandlung verlangt hätte, ist eine weitere bösartige Unterstellung“, sagt Neef.

Herzklinik schweigt

Tatsache hingegen ist, das Andreas Kudla handschriftlich Ergänzungen am Vordruck der Patientenverfügung vorgenommen und diese einzeln unterschrieben hat, es aber zumindest denkbar ist, das jemand anderes die Streichungen vorgenommen haben könnte.

Die Herzklinik wollte sich zur WAZ mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. Marion Neef kämpft weiter. „Das bin ich meinem Bruder schuldig“, sagt sie.