Duisburg. . Duisburgs frühere Oberstadtdirektoren rufen offiziell zur Abwahl von OB Sauerland auf - mit einer Zeitungsanzeige. Seit eineinhalb Jahren leide die Stadt unter den Nachwirkungen der Loveparade-Katastrophe, eine Änderung auf einem anderen Wege als der OB-Abwahl sei nicht in Sicht.

Zusammen mehr als 20 Jahre standen sie an der Spitze der Duisburger Stadtverwaltung, jetzt mischen sie sich noch einmal ein: Mit einer Zeitungsanzeige riefen die Ex-Oberstadtdirektoren Dr. Herbert Krämer, Dr. Richard Klein und Norbert Giersch am Wochenende zur Abwahl von Oberbürgermeister Adolf Sauerland auf.

„Auch wenn den Oberbürgermeister nach dem, was wir wissen, keine persönliche Schuld trifft, trägt er als Chef der Verwaltung die Verantwortung. Diese zu übernehmen, ist er bis heute leider nicht bereit. Es bleibt also nur der Weg zur Abwahl“, heißt es darin unter anderem.

„Noch immer sind wir sehr verbunden mit unserer Stadt“, erläuterte Giersch die gemeinsame Anzeigen-Aktion, die man „natürlich“ aus der privaten Tasche bezahlt habe: „Wir konnten das nicht mehr mit ansehen.“ Seit eineinhalb Jahren leide die Stadt unter den Nachwirkungen der Loveparade-Katastrophe, eine Änderung auf einem anderen Wege als der OB-Abwahl sei nicht in Sicht. Auch sei aus vielen Gesprächen mit noch aktiven Mitarbeitern der Stadtverwaltung erkennbar, dass in den Ämtern „Frustration, Demotivierung und Verunsicherung“ herrsche.

Kritik vom Planungsdezernenten

Die veröffentlichte Einschätzung der einstigen Verwaltungschefs zwischen 1978 und 1997 zur Verantwortung des Oberbürgermeisters für die Loveparade und ihre Folgen stößt indes auf Kritik des früheren Planungsdezernenten Jürgen Dressler. Man müsse differenzieren, so der frühere Ober-Planer: „In seiner Funktion als Verwaltungsspitze hat der Oberbürgermeister Gesetze und Beschlüsse des Rates der Stadt umzusetzen.“

In seiner politischen Rolle als Stadtspitze treffe Sauerland allerdings „eindeutig die Verantwortung“: „Er hat als Mitglied und als der Vorsitzende des Rates der Stadt die politische Entscheidung mitgetroffen, die Loveparade in Duisburg durchzuführen. Und in dieser politischen Verantwortung hat er es, wie ich es auch zu meiner aktiven Zeit mehrfach kritisiert habe, unterlassen, durch entsprechendes Handeln den Rat und damit auch sich für politisch verantwortlich zu erklären.“

Einfluss aufs städtische Handeln nehmen

Die drei Ex-Oberstadtdirektoren hatten sich schon einmal unüberhörbar zu Wort gemeldet und mit eigenen Mitteln Einfluss auf städtisches Handeln genommen. „Als die Innenstadt vor die Hunde ging“, formuliert’s Giersch im Rückblick. Unterstützt von prominenten Vertretern der örtliche Wirtschaft und Chefs städtischer Unternehmen wandten sie sich 2005 gegen die Planungen eines riesigen Einkaufszentrums im Süden des Hauptbahnhofs und plädierten für eine Stärkung der vorhandenen City. „Alte Beziehungen“ wurden genutzt, Lord Norman Foster für einen Masterplan gewonnen, „natürlich“ auf eigene Kosten. Damit lagen die prominenten Sozialdemokraten auf einer Linie mit Sauerland und seiner CDU.

Giersch selbst hat schon abgestimmt. Per Briefwahl, „wie es sich für ältere Herrschaften gehört“, scherzte der muntere 77-Jährige gestern im Gespräch mit der WAZ. Und für die Aktiven in der Politik, besonders für SPD und CDU, hat er auch noch einen Rat parat: „Es ist sehr viel Porzellan zerschlagen worden, aber solide Mehrheiten haben ihre Vorteile – gerade in schwierigen Zeiten.“

Bündnis gegen OB Sauerland

Josef Krings, Alt-Oberbürgermeister Duisburgs:
Josef Krings, Alt-Oberbürgermeister Duisburgs: "Es geht um Verantwortung und neues Denken. Das ist mit Sauerland nicht möglich. Wir müssen mit dem Größenwahn, der zur Loveparade führte, brechen. Von Duisburg muss ein Signal ausgehen." © WAZ FotoPool
Rainer Bischoff, Vorsitzender des DGB-Bezirks Niederrhein:
Rainer Bischoff, Vorsitzender des DGB-Bezirks Niederrhein: "Es geht um das Versagen der Amtsperson des Oberbürgermeisters Sauerland. Die Stadt braucht einen Neuanfang. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun." © WAZ FotoPool
Jürgen Hagemann, Gründer des Selbsthilfevereins Massenpanik Selbsthilfe; seine Tochter wurde bei der Loveparade schwer verletzt und traumatisiert:
Jürgen Hagemann, Gründer des Selbsthilfevereins Massenpanik Selbsthilfe; seine Tochter wurde bei der Loveparade schwer verletzt und traumatisiert: "Ich habe eine feige, kalte, sich wegduckende Stadtspitze erlebt. Ich fühle mich von Adolf Sauerland nicht vertreten, sondern brüskiert. Deshalb unterstütze ich das Abwahlverfahren." © WAZ FotoPool
Ingrid Fitzek, Vorstandsmitglied Bündndis 90/Die Grünen:
Ingrid Fitzek, Vorstandsmitglied Bündndis 90/Die Grünen: "Das Verhalten der Stadtspitze hat uns irritiert, stieß dann auf Unverständnis und hat uns dann empört. Wir können ein Zeichen setzen: Duisburg kann Demokratie." © WAZ FotoPool
Bärbel Bas (SPD), Mitglied des Bundestages und stellvertretende Vorsitzende der SPD Duisburg:
Bärbel Bas (SPD), Mitglied des Bundestages und stellvertretende Vorsitzende der SPD Duisburg: "Dass wir soweit gekommen sind, ist ein ganz großer Schritt. Es ist schändlich von der CDU, dass sie ihre Mitglieder auffordert, nicht an der Wahl teilzunehmen." © WAZ FotoPool
Wilhelm Bies, stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP Duisburg.
Wilhelm Bies, stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP Duisburg. © WAZ FotoPool
Kenan Ilhan, Die Linke.
Kenan Ilhan, Die Linke. © WAZ FotoPool
Werner Hüsken, Sprecher und Mitbegründer der Abwahlinitiative
Werner Hüsken, Sprecher und Mitbegründer der Abwahlinitiative "Neuanfang für Duisburg". © WAZ FotoPool
Theo Stegmann, Sprecher und Mitbegründer der Abwahlinitiative
Theo Stegmann, Sprecher und Mitbegründer der Abwahlinitiative "Neuanfang für Duisburg": "Ausgangspunkt für das Abwahlverfahren ist das Verhalten von Adolf Sauerland nach der Loveparade-Katastrophe. Er ist als Oberbürgermeister von Duisburg nicht mehr länger haltbar." © WAZ FotoPool
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