Duisburg. . Seit dem 12. Januar läuft die Briefwahl zum Abwahlverfahren gegen OB Adolf Sauerland. Viele Leser klagten über Wartezeiten oder Orientierungsprobleme in den sieben Bezirksämtern und im Wahlamt. Wir haben nachgeschaut: in allen acht “Abwahllokalen“. Vor allem ältere Bürger machen sich jetzt schon auf den Weg, um ihre Stimme abzugeben.

Seit dem 12. Januar läuft die Briefwahl zum OB-Abwahlverfahren. WAZ-Leser klagten über Wartezeiten oder Orientierungsprobleme in den sieben Bezirksämtern und im Wahlamt in Neudorf. Die WAZ ging vor Ort, schaute sich in allen Wahllokalen um.

Wahlamt Neudorf

Es sind gelbe, handgeschriebene Zettel, die da am Mauerwerk des Hauses Bismarckstraße 150 kleben und den Weg in den Innenhof weisen. Dort, hinter einer unscheinbaren Glaspforte, befindet sich der Zugang zum Wahlamt. In Zimmer 12 ist die Briefabstimmungsstelle eingerichtet. Die ist dank grüner Orientierungsschilder leicht und nach wenigen Schritten zu finden. Vor der Tür ist eine einzige Wahlkabine aufgebaut. Zwei Stifte und ein Klebestift liegen auf einem Holztisch hinter dem Sichtschutz bereit.

In Zimmer 12 sitzen zwei Mitarbeiterinnen, die den Bürgern nach Vorlage von Personalausweis oder Wahlbenachrichtigung die Unterlagen aushändigen. Sie erklären auch das Prozedere, also wo unterschrieben und was in welchen Umschlag gesteckt werden muss. Jedem wird zudem eine schriftliche Gebrauchsanleitung ausgehändigt. Dennoch gehen viele auf Nummer sicher und fragen noch einmal nach, bevor sie ihren Umschlag in die Urne werfen.

„An den ersten beiden Tagen war es hier richtig voll“, sagt Burkhard Beyersdorff, der Leiter der Stabsstelle für Wahlen. Bei der letzten Kommunalwahl in 2009 habe die Briefwahlquote bei 20 Prozent gelegen – in absoluten Zahlen: knapp 40 000 Wähler. Ob es diesmal mehr werden, mag und darf er nicht prognostizieren: „Eine Wahlbeeinflussung darf nicht stattfinden.“

Beeinflussen lässt sich Jürgen Lehmann nicht mehr: Der 65-jährige Mann aus Wedau hat schon gewählt. Gleich am ersten Tag. „Wer weiß, wie am Wahltag das Wetter ist. Außerdem wollte ich es hinter mich bringen.“ Seine Mutter Ruth Lehmann nickt zustimmend, sagt: „Was weg ist, ist weg!“ und schreitet nun ihrerseits zum Kreuzchenmachen. Ihr Sohn Jürgen engagiert sich sehr, hat für „ältere Nachbarn, die nicht mehr so gut zu Fuß sind“, sogar einen Fahrdienst mit seinem Pkw eingerichtet. Auch das soll dabei helfen, dass eine möglichst hohe Wahlbeteiligung erreicht wird.

Bezirksamt Süd

„Bislang waren vor allem sehr viele ältere Wähler hier“, nennt Friedhelm Klein, der Leiter des Bezirksamtes Süd in Buchholz, seine Eindrücke. Die Briefwahlstelle ist im Erdgeschoss direkt am Haupteingang zu finden. Der Zugang ist barrierefrei. „Wir wollen alles tun, um eine vernünftige Wahl sicherzustellen“, sagt Klein. Beide Computer in dem Raum sind stets mit Personal besetzt. Heute sitzen Inge Peters und Elvira Steff dort. „Viele kommen morgens direkt um 8 Uhr, um noch vor der Arbeit zu wählen“, sagt Peters. Und vor allem am Dienstag, wenn das Bezirksamt Süd seinen „langen Tag“ hat und bis 18 Uhr geöffnet ist, sei viel los gewesen. Rund zehn Prozent der Bürger würden die Briefwahlunterlagen mit nach Hause nehmen, der Rest wählt direkt im Bezirksamt. Und das Schlangestehen sei auch noch kein großes Problem gewesen. „Die längste Wartezeit betrug bislang 20 Minuten“, so Klein.

Bezirksamt Mitte

Neues Wahllokal

Große Unruhe gab es nach Angaben des SPD-Ratsherrn Ercan Idik in Ungelsheim, weil die Wahllokale für die Abwahl am 12. Februar in der Schule Albert-Schweitzer-Straße eingerichtet werden sollen. Für viele in Ungelsheim wäre es ein besonderes Erschwernis, am Abwahltag bis Huckingen zu laufen. Bisher waren die Wahllokale in der Grundschule auf der Nordhäuser Straße, doch die Schule besteht nicht mehr. Das Wahlamt wurde darum gebeten, dass die Wahllokale in Ungelsheim eingerichtet werden sollen. Das wird auch nun geschehen, wie Anja Huntgeburth von der Stadtverwaltung bestätigte. Wahllokal werde das katholische Gemeindehaus sein. Die betroffenen Wahlberechtigten würden bis Mitte nächster Woche vom Wahlamt benachrichtigt.

„Lange Staus gab’s bei uns noch nicht“, sagt Brigitta Neisius, die kommissarische Leiterin des Bezirksamtes Mitte. Dort am Sonnenwall in der Innenstadt warten aber auch Mitarbeiter an bis zu vier PC-Terminals auf Briefwähler. Einer von ihnen ist André Seidel. Der 24-jährige Neudorfer ist am 12. Februar – dem Tag, an dem in 250 Wahllokalen abgestimmt wird – im Urlaub. „Das Abwahlverfahren ist in unserem Freundeskreis ein Thema. Wir wollen alle wählen gehen“, sagt der junge Mann. Dies war seine erste Briefwahl. Den Ablauf habe er sich ein wenig einfacher vorgestellt. Letztlich bleibt es aber eine Sache von Minuten.

Auch Fatma Deveci gibt ihre Stimme aus Urlaubsgründen vorzeitig ab. „Ich arbeite in einem Duisburger Krankenhaus als Krankenschwester. Wir haben bei der Loveparade so viele Schwerverletzte behandelt. Es war schlimm, für viele von uns ein Trauma. Und das beschäftigt uns bis heute. Deshalb ist dieses Abwahlverfahren auch so wichtig für mich – und für die Kollegen.“

Bezirksamt Walsum

Es ist Markttag auf dem Kometenplatz neben dem Bezirksamt. Dort hat man das Briefabstimmung im Keller untergebracht. Doch schon am Eingang kann man sich gut orientieren, ist zwar erst etwas verwundert, doch nach wenigen Stufen und einer weiteren Tür steht man schon vor dem Zimmer. Dass auch ein Aufzug in den Keller fährt, übersehen manche und so mühen sich vor allem ältere die Stufen hinunter. Zwölf Bürger waren es in der Zeit von 10 bis 10.30 Uhr, die abstimmen wollen.

„Ich wäre froh, wenn er (Sauerland) endlich weg wäre“, sagt eine Frau mittleren Alters. „Und in meinem Bekanntenkreis sehen das viele so.“ Bei einem Ehepaar, das zur Abstimmung geht, sind die Meinungen indes geteilt: „Mein Mann möchte, dass er geht. Ich sehe das anders. Er ist nicht alleine schuld.“

Eine Seniorin, die gerade abgestimmt hat, findet, der Oberbürgermeister hätte längst zurücktreten sollen. „Nicht nur wegen der Loveparade. Auch wegen des Landesarchivs. Und seine Entschuldigung nach Katastrophe kam viel zu spät.“

Bezirksamt Hamborn

Schon auf den Parkplätzen am Altmarkt fallen die Plakate der Abwahl-Initiative ins Auge. Um 11 Uhr ist es gerade etwas mau im Bürgerservice, doch zuvor haben sich schon einige Bürger die Abstimmungsunterlagen persönlich abgeholt und ihr Kreuz gemacht. Es dauert nur wenige Minuten, da hatten die Mitarbeiter des Bürgerservice auch schon den Bezirksamtsleiter informiert, dass die Presse da ist. Hans-Jürgen Natkamp ermahnt seine Mitarbeiter, nicht mit der Presse zu reden. „Doch selbstverständlich können Sie mit den Bürgern sprechen“, sagt er freundlich.

Wie in Walsum stehen hier zwei Mitarbeiterinnen bereit, um die Unterlagen auszuhändigen. Das machten sie in dieser halben Stunde neun Mal. Die meisten machen sofort ihr Kreuz, andere nehmen sie mit. „Ich habe immer an Wahlen teilgenommen“, erklärt eine ältere Frau. Sie sei für die Abwahl, denn Sauerlands „Verhalten nach der Loveparade läuft ihm noch nach“.

Eine junge Studentin, die sich im Amt ummelden will, hat noch gar nicht über die Abwahl nachgedacht. Das Studium beschäftigt sie im Moment mehr als die Abwahl. Ganz anders wieder ein älteres Ehepaar: „Er hätte längst zurücktreten müssen. Was er am ersten Tag gesagt hat, war schon eine Unverschämtheit. Er kommt doch in der Bevölkerung nirgends mehr an.“

Bezirksamt Meiderich

Wahlbeteiligung

Die Stadt will bekanntlich Zwischenergebnisse zur Briefwahl-Beteiligung nicht veröffentlichen und lässt diese Haltung derzeit von der Bezirksregierung überprüfen. Die WAZ hat aus einer sicheren Quelle erfahren, dass bislang an den acht Briefwahlstellen täglich jeweils zwischen 120 und 300 Bürger ihre Stimme abgegeben haben. Das macht 960 bis 2400 am Tag. Zählt man den gestrigen Freitag mit, kommen sieben Tage zusammen. Das bedeutet, dass die Zahl der Menschen, die bereits ihre Stimme abgegeben haben, zwischen 6720 und 16 800 liegen muss. Die Briefwahl ist in den sieben Bezirksämtern (Mitte, Meiderich, Walsum, Hamborn, Homberg, Rheinhausen, Süd) sowie im Wahlamt in Neudorf wochentags ab 8 Uhr möglich.

Wer hier abstimmen will, muss sich anstellen, aber nicht, weil der Andrang so groß ist, sondern weil man hier warten muss, bis man an einen der Tische im Großraumbüro des Bürgerservice gebeten wird: „Sie werden aufgerufen“ steht auf einer Tafel am Eingang. Der Bürgerservice befindet sich in der ersten Etage, der Eingang zum Bezirksamt ist nicht gerade auffällig. Weder am Eingang im Erdgeschoss noch an der Tür zum Großraumbüro ist ein Hinweis auf die Abstimmung per Briefwahl angebracht. Ein Ehepaar mittleren Alters schaut sich auch erst unsicher um. Erst auf Nachfrage erfahren sie, dass sie hier abstimmen können. Doch der mit Schildern gekennzeichnete Schreibtisch ist gerade verwaist. Doch dann bittet eine andere Mitarbeiterin sie schließlich an ihren Schreibtisch und händigt die Unterlagen aus und erklärt, was sie tun müssen.

Bezirksamt Rheinhausen

Drei Treppen geht es nach oben, bevor man das vom Eingang provisorisch ausgeschilderte Briefwahl-Lokal im Obergeschoss erreicht hat. Dort knubbelt es sich täglich. Wer Zeit hat, erledigt noch schnell etwas in der Stadt und hofft auf weniger Andrang beim zweiten Versuch. Hauptsächlich Ältere stehen tagsüber in der Schlange, einige haben Wahlbenachrichtigung und Vollmacht von berufstätigen Angehörigen dabei, um deren Briefwahlunterlagen gleich mitzubringen. „Was das wieder kostet“, empört sich eine Frau mittleren Alters. „Dabei hätte man das so viel billiger und schneller haben können - er hätte ja freiwillig gehen können.“

Bezirksamt Homberg

Zwei Briefwahl-Kabinen gibt es im Erdgeschoss des Bezirksrathauses, eine direkt in der Bürgerservice-Station, eine zweite weiter hinten auf dem Flur. In den Nachmittagsstunden hält sich der Andrang in Grenzen, wer Glück hat, kommt sogar ohne Wartezeit zum Zug. „Aber es gibt auch Stoßzeiten, da sieht es ganz anders aus“, verrät ein Ortskundiger. Übrigens: Übermorgen kommen hier auch die Berufstätigen zum Zug. Denn dann hat der Homberger Bürgerservice, wie jeden Montag, bis 18 Uhr geöffnet.