Duisburg. . Ältere Menschen werden bei der Neubesetzung eines Arbeitsplatzes benachteiligt. Das zeigt der aktuelle Altersübergangsreport des Instituts Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen. Die WAZ sprach mit Forschungsleiter Dr. Martin Brussig.
Immer mehr Ältere sind länger erwerbstätig, die Chancen auf Neueinstellung über 50 sind aber nicht gestiegen. Vielmehr scheinen die Beschäftigten in ihrem Betrieb auf den vorhandenen Arbeitsplätzen zu bleiben. Bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter werden Ältere offenbar nach wie vor oft benachteiligt. Das zeigt der aktuelle Altersübergangsreport aus dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Die WAZ sprach mit Dr. Martin Brussig, Leiter der IAQ-Forschungsabteilung Arbeitsmarkt - Integration - Mobilität.
Warum werden über 50-Jährige so selten eingestellt?
Martin Brussig: Ein wesentlicher Grund ist vermutlich, dass die Unsicherheit über die tatsächliche Leistungsfähigkeit bei älteren Bewerbern höher ist als bei jüngeren. Und möglicherweise werden bei Unsicherheiten über das wahre Leistungsvermögen bei Jüngeren eher die Chancen gesehen und bei Älteren eher die Risiken.
Ist das in anderen Ländern auch so?
Brussig: Auch Untersuchungen in anderen Ländern deuten darauf hin, dass Ältere auf größere Probleme stoßen, eine neue Stelle anzutreten. Studien, die die Gründe dafür international vergleichend untersuchen, gibt es jedoch nicht.
Wie passt das mit dem Fachkräftemangel zusammen?
Brussig: Zum Einen wird der Fachkräftemangel oft als eine künftige Bedrohung wahrgenommen, während die Einstellungsprobleme der Älteren schon heute bestehen. Und zum Anderen können natürlich die Hürden, denen sich ältere Bewerber gegenübersehen, auch ein Grund für den Fachkräftemangel sein. Denn wenn ein Betrieb ältere Bewerber grundsätzlich nicht berücksichtigt, schneidet er sich ohne Not von möglicherweise geeigneten Kandidaten ab. Positiv gewendet: Der Fachkräftemangel ließe sich sehr wahrscheinlich mildern, wenn Betriebe ältere Bewerber stärker berücksichtigen würden.
Mit welcher Qualifikation haben über 50-Jährige gute oder besonders schlechte Chancen Arbeit zu finden?
Brussig: Eines der Ergebnisse der Untersuchung ist, dass Neueinstellungen von Älteren vergleichsweise häufig in eher problematischen Bereichen zu verzeichnen sind. So werden gering Qualifizierte häufiger eingestellt als hoch Qualifizierte. Aber die hoch Qualifizierten behalten ihre Arbeit länger und müssen deshalb seltener suchen. Gerade die Älteren haben vor ihrer Neueinstellung sehr oft eine Kündigung erfahren. Mit steigendem Alter wird es schwieriger, diese Übergänge von Beschäftigung in Arbeitslosigkeit und wieder zurück in Beschäftigung erfolgreich abzuschließen. Dies ist – außer bei den gering Qualifizierten – vor allem in saisonal geprägten Branchen, wie dem Bau oder der Landwirtschaft, aber auch dem Hotel- und Gaststättengewerbe zu beobachten.
Welche Konsequenzen ergeben sich dadurch für die Betroffenen und für die Gesellschaft?
Brussig: Weil Ältere wissen, dass sie schlechte Chancen haben, eine andere Stelle zu finden, halten sie an ihrem gegenwärtigen Arbeitsplatz fest – und zwar auch dann, wenn sie eigentlich unzufrieden sind und sie lieber woanders arbeiten würden. Die Arbeitsmarktpolitik sollte sich nicht nur damit befassen, Arbeitslose in Beschäftigung zu bringen, sondern darüber hinaus Übergänge unterstützen, in denen auch bereits Beschäftigte eine Verbesserung erreichen können. Die Einstellungsprobleme der Älteren zeigen außerdem, dass es gerade bei Älteren wichtig ist, den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
Gibt es regionale Unterschiede?
Brussig: Auch bei den Eintrittsraten zeigt sich, dass es nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland gibt. Im Osten gibt es mehr Einstellungen, aber auch mehr Entlassungen. Das ist nicht auf Ältere beschränkt.
Gibt es Möglichkeiten einer drohenden Altersarmut vorzubeugen und gleichzeitig den Weg für junge Arbeitssuchende nicht zu versperren?
Brussig: Wichtiger als die Feinheiten des Rentensystems ist ein stabiles und langes Erwerbsleben. Von gering qualifizierten Jobs abgesehen, konkurrieren Jüngere und Ältere oft nicht um dieselben Arbeitsplätze. Doch die gering qualifizierten Jobs schützen weder Jung noch Alt vor Altersarmut.