Duisburg.

Auch wenn es in der Finanzwelt knirscht: Die Wirtschaft verzeichnete in den letzten Monaten einen Aufschwung, stellt Arbeitskräfte ein, beklagt den Fachkräftemangel und mangelnde Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen. „Viele Jugendliche in Duisburg profitieren nicht von dem Aufschwung“, ist der Geschäftsführer des Diakoniewerks, Sieghard Schilling überzeugt.

Im Gegenteil: Durch die Kürzung bei den Eingliederungshilfen durch die Bundesregierung bleiben immer mehr auf der Strecke, ist er überzeugt. Dabei gibt es Erfolgsgeschichten, die zeigen, dass das Geld in der Jugendberufshilfe keineswegs falsch investiert ist. Das zeigt die Geschichte von dem jungen Mann, der als Innungsbester seine Ausbildung als Maler und Lackierer abschloss. Er absolvierte seine Ausbildung in Kooperation von Diakoniewerk und der Zeitarbeitsfirma „Start“ (wir berichteten).

Fördern und fordern statt Kuschelpädagogik

„Viele Wissenschaftler sagen, dass wir es uns gar nicht leisten können, Jugendliche nicht zu fördern“, so Schilling.

Eine Förderung soll künftig schon in der Grundschule ansetzen: 40 Sozialarbeiter sollen ab Herbst eingestellt und über das Bildungs- und Teilhabegesetz finanziert werden. An Grund- und Hauptschulen sollen sie Ansprechpartner für Schüler und Lehrer sein, Probleme frühzeitig erkennen und Hilfe anbieten. Und zwar ohne Kuschelpädagogik, sondern nach dem Prinzip: fördern und fordern. „Das kann ein Quantensprung werden“, glaubt Schilling.

Wolfgang Cipa arbeitet beim Diakoniewerk an der Schnittstelle Schule/Beruf und weiß: „Ein Kernproblem vieler Jugendlicher sind fehlende Schlüsselqualifikationen und sprachliche Probleme.“ Tendenz: steigend. Um ihnen zu helfen, brauche man den „Zweiten Arbeits- und Ausbildungsmarkt“, der von öffentlicher Förderung lebt und nun weiter zurückgefahren werden soll, weil die Konjunktur brummt und „es der Markt schon regeln wird“, wie einige Politiker glauben. Diesen Glauben hat Sieghard Schilling nicht: „Der Markt kümmert sich nicht um Menschen, sondern ums Geld.“

"Wirtschaftliche Armut und Bildungsarmut hängen immer zusammen"

Die Erfahrungen, die beim Diakoniewerk gemacht werden, zeigen, dass es junge Menschen gibt, die nicht weniger leisten oder lernen können als andere, aber aus unterschiedlichsten Gründen im ersten Ausbildungsmarkt hoffnungslos verloren sind. Vielfach gehen sie dann aber gestärkt aus der überbetrieblichen Ausbildungen gestärkt hervor. „Da halten junge Leute, mit denen keiner mehr gerechnet hat und die anfangs mit großer Klappe hier aufgetaucht sind, am Ende der Ausbildung eine Rede auf ihren Meister. Da läuft einem ein Schauer über den Rücken.“

Doch es gibt eben nicht nur diese Erfolgsgeschichten. „Sage mir, aus welchem Stadtteil Du kommst, und ich sage Dir, wer Du bist!“ zitiert Schilling aus dem Buch „Aufstand der Unterschicht“ von Inge Koepfer. Das sei auch auf Duisburg übertragbar. „Wirtschaftliche Armut und Bildungsarmut hängen immer zusammen.“ Das Ergebnis ist eine geteilte Gesellschaft, sind Jugendliche, die man nicht dadurch erreicht, dass man in einem der betroffenen Stadtteile eine Beratungsstelle eröffnet und hofft, dass die Jugendlichen den Weg hinein finden. Streetworker haben heute mehr Bedeutung als man zwischenzeitlich dachte. Sie sind es, die in Stadtteilen Entwicklungen mitbekommen, die auf die Jugendlichen zugehen können.

Präventiv zu arbeiten lohnt sich

Doch es sind nicht genug, 16 Stellen sind unbesetzt, „weil der Kämmerer sie wegen der Finanznot kassiert hat“, sagt Sieghard Schilling und bemängelt gleichzeitig, dass es die Jugend- und Sozialpolitiker in ihren Parteien schwer haben. Und es keine Partei gebe, die es sich auf die Fahne schreibt, das Probleme der Jugend anzugehen. Dabei gibt es rund 110.000 junge Menschen in Duisburg, die unter 21 sind. Natürlich haben nicht alle Probleme, doch die Zahl wächst. Laut Schilling gibt es Ecken in Duisburg, in die sich auch die Polizei nicht ohne weiteres traut. So etwas müsse angegangen werden. Dass es funktionieren kann, habe sich vor einiger Zeit in Hochheide gezeigt. Ordnungsbehörden und Träger der Jugendhilfe müssten Flagge zeigen.

Zur Zeit ist der vierte Sozialbericht für Duisburg in Arbeit. Sein Thema: Die Situation von Kinder und Jugendlichen. Vielleicht mündet in konkreten Handlungsvorschlägen, die von Politik und Verwaltung unterstützt und als Pflichtaufgabe angesehen werden und nicht als „freiwillige Leistung“. Schilling: „Es ist bekannt, dass 20 Entgiftungen eines Drogen- oder Alkoholabhängigen viel teurer sind als eine Therapie.“ Was bedeutet: Präventiv zu arbeiten lohnt sich.