Duisburg. Jeder Dritte in Duisburg ist über 65 Jahre alt. Die Pflegelandschaft ist für sie gut aufgestellt. Es gibt aber Sorgenkinder. Das ist der Stand.
Wie ist es um die Pflege in Duisburg bestellt? Mit deutlicher, der Pandemie geschuldeter Verspätung, stellt die Stadt Duisburg jetzt ihren aktualisierten 6. Bericht zur Senioren- und Pflegeplanung 2019-2020 vor.
Die wichtigste Botschaft daraus ist fettgedruckt: „Deutlich ist jedoch, dass in Duisburg absehbar, mindestens bis zum Jahr 2035, kein Bedarf an zusätzlichen vollstationären Dauerpflegeplätzen besteht.“
Diese Erkenntnis resultiert unter anderem aus den Prognosen des Landesbetriebs IT.NRW: In Duisburg werde die Zahl der ab 65-Jährigen ab 2023 stetig moderat ansteigen, die schon jetzt bei über 100.000 Einwohnern liegt – jeder dritte in Duisburg lebende Mensch also. Die Zahl der ab 80-Jährigen wird in den nächsten zehn Jahren wiederum um 5000 auf rund 30.000 Menschen sinken.
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Im Sozialausschuss erklärte Birgit Menzel vom Amt für Soziales und Wohnen, dass 80 Prozent der Pflegebedürftigen in Duisburg nicht von oder in Institutionen gepflegt werden, sondern von Ehepartnern, Kindern oder auch Nachbarn. Insgesamt sei Duisburg gut aufgestellt bei der stationären und teilstationären Tagespflege. Hier und da gebe es Nachbesserungen, „aber wir werden an den Punkt kommen, wo wir sagen werden: Mehr brauchen wir nicht.“ Problematischer sei der enorme Fachkräftemangel.
Bewegung bei den Angeboten der vollstationären Dauerpflege
Im Bereich der vollstationären Dauerpflege war zuletzt Bewegung auf dem Markt. Weil per Gesetz neue Vorgaben gemacht wurden und etwa eine 80-Prozent-Quote bei den Einzelzimmern verlangt wird, musste in einigen Häusern umgebaut werden. Einige Plätze wurden dabei laut Bericht abgebaut, um die Einzelzimmerquote zu erfüllen.
Ende 2020 waren 5248 Dauerpflegeplätze in Betrieb, 70 weniger als im Vorjahr. Sie sind inzwischen über die ganze Stadt verteilt, so dass eine dezentrale, wohnortnahe Versorgung der Menschen einfacher möglich ist. Im Schnitt sind die Bewohner 82 Jahre alt. Der Anteil der Männer ist von 17 auf über 30 Prozent gestiegen.
Lediglich drei Prozent der Bewohner haben keine deutsche Staatsangehörigkeit. Das Sozialamt geht angesichts einer steigenden Zahl über 80-jähriger Menschen türkischer Herkunft in der Stadt perspektivisch von einer stärkeren Nachfrage aus.
Bis 2035 rechnet die Verwaltung durch Neubauten mit einer Zunahme auf 5600 Plätze. Bei den Prognosen geht man davon aus, dass 15 Prozent aller 80-Jährigen vollstationär versorgt werden müssen. Statistisch gebe es demnach mindestens bis 2035 einen Überhang von 850 Plätzen. In diese Berechnungen seien die Folgen der Corona-Pandemie noch nicht mit eingerechnet. Außerdem geht man von einem „abnehmenden Familienpflegepotenzial“ aus, das sich bedarfssteigernd auf die professionelle Pflege auswirken werde.
Pflege in Duisburg: Mangel bei Angeboten zur Kurzzeitpflege
Die Kurzzeitpflege ist das Sorgenkind des Sozialamtes. Erst kürzlich sei ein Projekt abgesagt worden, dass Besserung gebracht hätte, heißt es im Ausschuss. Ende 2020 habe es acht reine Kurzzeitpflegen mit 57 Plätzen gegeben, außerdem 371 „eingestreute Kurzzeitpflegeplätze“ in 57 Einrichtungen. Die Auslastung liege im Schnitt zwischen 80 und 90 Prozent.
Da kaum noch neue stationäre Pflegeplätze entstehen, könne man bei den Baugenehmigungen auch keine zusätzlichen Kurzzeitpflegeplätze einfordern. Solitäre Einrichtungen nur für die Kurzzeitpflege seien nicht rentabel. Um den Bedarf zu decken, wäre es gut, wenn Träger stationäre in Kurzzeitpflege-Plätze umwandeln, wünscht sich die Verwaltung.
Pflege in Wohngemeinschaften
Ende 2020 gab es 25 ambulant betreute Pflegewohngemeinschaften mit insgesamt 183 Plätzen. Hinzu kommen 15 WG’s für ältere Menschen mit Pflegebedarf (überwiegend Demenz) mit 129 Plätzen. 54 Plätze werden in Intensivpflege-WG’s vorgehalten.
Bedarf für junge Pflegebedürftige
Laut Bericht lebten zuletzt 465 Menschen in Pflegeeinrichtungen, die unter 65 Jahre alt sind. Nur zwei Einrichtungen haben sich darauf spezialisiert, weshalb über 300 dieser jüngeren Pflegebedürftigen in Einrichtungen der Altenpflege leben. Das Sozialamt schlägt vor, in Stadtteilen mit hohem Versorgungsgrad einzelne Wohnbereiche für diese Zielgruppe umzuwidmen.
Tagespflege erlebt weiter einen „Boom“
In Duisburg gibt es nach Auskunft der Stadtverwaltung einen „anhaltenden Boom“ bei der Tagespflege. 2019 hatten 549 Menschen einen Vertrag mit einer Tagespflegeeinrichtung. Parallel steige die Zahl der Einrichtungen und die Inanspruchnahme. Da es in einigen Stadtteilen inzwischen nahezu eine Sättigung gebe, müsse künftig auf die wenigen unterversorgten Bezirke geachtet werden. Dazu gehöre vor allem Hamborn.
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Im Bereich der ambulant betreuten Wohngemeinschaften sei ebenfalls ein nachhaltiger Anstieg zu beobachten. Durch den weiteren Ausbau prognostizieren die Experten einen weiteren Rückgang bei der Nachfrage nach stationären Pflegeplätzen. Die Tendenz sei klar: „Ambulant vor stationär“. Zwei Drittel der Menschen mit Demenz leben zum Beispiel zuhause.
Im Sozialamt beobachtet man: Durch eine eher abnehmende Akzeptanz der stationären Versorgung als individuelle Lebensperspektive, durch den bedarfsorientierten Ausbau ambulanter Versorgungsstrukturen nicht nur mit pflegerischen Angeboten, sondern auch haushaltsnahen Dienstleistungen und der Schaffung neuer Wohnformen könne ein möglicher Rückgang des Familienpflegepotenzials mehr als aufgefangen werden.
Der Personalmangel in Duisburg im Bereich Pflege ist allerdings hoch und habe sich durch die Corona-Pandemie noch mal verstärkt. Es bestehe die Gefahr, dass perspektivisch der Grundsatz „ambulant vor stationär“ nur eingeschränkt umsetzbar sei.
Stadtteile mit besonders vielen betagten Bürgerinnen und Bürgern:
In den Stadtteilen Bergheim und Rumeln-Kaldenhausen wohnen die meisten Menschen ab 65 Jahren: In Bergheim sind es 4657, in Rumeln 4504 – ein Drittel von ihnen ist sogar über 80. Die wenigsten wohnen in Bruckhausen (569) und Hüttenheim (615).
Rund 29.000 Menschen erhielten 2019 Leistungen aus der Pflegeversicherung. Der Bezug von Pflegegeld sei im NRW-Vergleich in Duisburg überproportional hoch.