Duisburg. Wenn der Partner zum Pflegefall wird: Das Helios Klinikum Duisburg schildert, wie aus einer Pflegetrainerin und einem Angehörigen Freunde wurden.

Angehörige sind immer noch die wichtigste Säule bei der häuslichen Pflege. Gut drei Viertel der 2,59 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt, davon 1,76 Millionen allein durch Angehörige. Die Belastungen sind oft immens.

Sandra Gutzeit ist Pflegetrainerin am Helios Klinikum Duisburg und begleitet Angehörige von Pflegebedürftigen. Manchmal entstehen daraus auch Freundschaften, berichtet Kliniksprecherin Caroline Mackert von einem solchen Glücksfall. Herbert Müller (78, Name geändert) hatte seine Frau bewusstlos vorgefunden, sie musste reanimiert werden, wachte aber nicht mehr auf.

Patientin im Wachkoma allein versorgen geht nicht

Für ihn kam das Ganze plötzlich und unerwartet. Zunächst auf der Intensivstation, später in einer Intensiv-Wohngemeinschaft, lag sie für insgesamt acht Jahre im Wachkoma. Doch der 78-Jährige wollte seine Frau nach Hause holen. Was es aber bedeutet, eine Wachkomapatientin rund um die Uhr alleine zu versorgen, kann man sich als Außenstehender nicht vorstellen. Auch nicht Herbert Müller, der erstmal realisieren muss, dass er dazu allein nicht in der Lage ist.

Auf der Intensivstation der Helios St. Johannes Klinik in Duisburg begegneten sich Herbert Müller und die Pflegetrainerin Sandra Gutzeit zum ersten Mal.
Auf der Intensivstation der Helios St. Johannes Klinik in Duisburg begegneten sich Herbert Müller und die Pflegetrainerin Sandra Gutzeit zum ersten Mal. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

„Man macht schließlich alles zum ersten Mal, das sind Fragen über Fragen, die man sich vorher noch nie gestellt hat. Natürlich dauert dieser Prozess“, sagt Sandra Gutzeit, langjährige Pflegetrainerin am Helios Klinikum. „Auch muss zuerst der emotionale Schock überwunden werden, einen geliebten Menschen so vorzufinden.“

Angehörige, die plötzlich vor dieser neuen Situation stehen, werden oftmals zu früh mit zu vielen vermeintlich unterschiedlichen Informationen überfordert. „Da ist man noch gar nicht in der Lage, das alles aufzunehmen“, so Gutzeit. Zum ersten Mal gesehen hat sie Herbert Müller im Johannes-Krankenhaus auf der Intensivstation.

78-Jähriger wollte seine Partnerin auch selbst pflegen

Gutzeit bot ihm Hilfe an: kostenlose Beratungen, Pflegekurse und Gesprächskreise. Mit der Zeit wächst das Vertrauen zwischen dem Angehörigen und der Pflegetrainerin, sodass die gelernte Kinderkrankenschwester ihm aufzeigen konnte, dass seine Partnerin nur in einer betreuten Wohngemeinschaft gut aufgehoben sein würde. Dort wird sie von professionellen Fachkräften 24 Stunden überwacht und gepflegt. Er besucht seine Partnerin jeden zweiten Tag, um ihr Gesellschaft zu leisten und sie zu versorgen. „Das wollte ich noch selbst machen, auch wenn es manchmal wirklich sehr anstrengend wurde“, so Herbert Müller.

In Pflegekursen hat er Tricks und Kniffe gelernt. Neben pflegefachlichem Wissen wie Handgriffe bei der Mobilisierung und Positionierung, beim Anreichen von Essen, Trinken und Medikamenten oder auch bei der Körperpflege und dem An- und Auskleiden, vermittelte man ihm auch den Umgang mit der Pflegeversicherung. Dazu gehört unter anderem die Frage, mit welchem Pflegegrad man welche Pflegeleistungen erhält.

„Das sind alles Dinge, auf die kommt man nicht einfach so. Bei den Handgriffen musste ich richtig üben. Immer und immer wieder“, sagt der Rentner. Zum Glück weiß Sandra Gutzeit die Stimmung in solchen Übungen zu lockern und vermittelt ihr Wissen mit viel Freude. Aber natürlich gibt es auch ernste, emotional aufgeladene Gespräche.

Angehörige benötigen eine Stütze

„Die kostenlosen Beratungen, Trainings, Schulungen und Gesprächskreise helfen den Menschen, die gerade ihren Halt verloren haben und die eine Stütze brauchen – emotional oder mithilfe von praktischen Übungen zur Pflege“, so Gutzeit. Dazu gehören ebenfalls Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Hilfestellungen beim Ausfüllen von Anträgen.

Im Gesprächskreis erfuhr die Pflegetrainerin, dass Herbert Müller ganz alleine ist. Der enge Kontakt entwickelte sich schnell zu einer noch engeren Freundschaft, die die beiden nun seit über neun Jahren verbindet. „Die Bürde, die man als pflegender Angehöriger hat, ist immens groß. Das sieht kaum jemand. Wir lassen keinen damit alleine. Das Schönste ist für mich, wenn sich die Angehörigen gegenseitig stützen und in Kontakt bleiben“, sagt Sandra Gutzeit. „Man bekommt die Hilfe, die man sucht“, sagt Müller.

Wichtiger Tipp: vorbereitet sein

Einen wichtigen Tipp möchte er schon geben, bevor das Unglück eintritt: „Man sollte am besten eine Tabelle vorbereiten mit allen Infos, die man benötigt. Alle wichtigen Telefonnummern, die Namen der Ärzte, den Namen der Krankenkasse, Medikamente, die eingenommen werden und ob Allergien vorhanden sind. Denn mir wurden all diese Fragen auf einmal zu meiner Frau gestellt und ich wusste nicht alles sofort. Man sollte vorbereitet sein.“ Er bewahrt eine Notfalldose in seinem Kühlschrank auf, der mit einem grünen Kreuz gekennzeichnet ist. Darin sind wichtige Medikamente und Informationen. Das hilft Rettungssanitätern im Fall des Falles sofort.

>>> Pflegekassen müssen kostenlose Schulungskurse anbieten

  • Jedem pflegenden Angehörigen und ehrenamtlich Pflegetätigen stehen kostenlose Pflegekurse zu. Die Pflegekassen sind gesetzlich dazu verpflichtet, unentgeltlich Schulungskurse durchzuführen.
  • Das Helios Klinikum bietet regelmäßig kostenlose Pflegekurse an: Pflegegrundkurse, spezielle Demenzkurse und Gesprächskreise wie „Kraft tanken“ und „Mach mal Pause“. Anmeldungen unter 0203 546 41 722.