Duisburg. Willi Kühlen zählte zu den von den Nazis wegen ihrer Homosexualität Verfolgten. Nun wurde für ihn im Beisein Verwandter ein Stolperstein verlegt.
Mit einem Stolperstein vor dem Haus Flachsmarkt 7, an der Ecke Poststraße in der Altstadt, wurde am Freitag das Andenken an Wilhelm Kühlen geehrt. Der Duisburger war in der nationalsozialistischen Diktatur als Homosexueller ab 1938 mehrfach nach Paragraf 175 verurteilt worden. „Willi“ Kühlen gilt als Kriegsvermisster, sein Schicksal wurde von dem Bochumer Psychotherapeuten Jürgen Wenke erforscht und aufwendig dokumentiert.
Wenke engagiert sich in einem Stolpersteinprojekt für Homosexuelle. Er konnte den Duisburger Oberbürgermeister Sören Link als Paten für den Stolperstein gewinnen. „Für Willi Kühlen gibt es kein Todesdatum und keinen Ort, keinen Sarg und kein Grab“, sagte Wenke bei der Verlege-Zeremonie, zu der auch zwei Nichten und ein Neffe des jungen Duisburgers angereist waren.
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Homosexuelle in Duisburg: August Zgorzelski wurde zwangssterilisiert und im KZ Buchenwald ermordet
Kühlen wurde 1912 in Mönchengladbach geboren und arbeitete zum Zeitpunkt seiner ersten Verhaftung beim Duisburger Bahnhofsfriseur als Verkäufer. Dort auf der Toilette fiel er im Mai 1938 gemeinsam mit seinem Sexualpartner August Zgorzelski der Polizei in die Hände. Er wurde zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt. Zgorzelski, für den es nicht die erste Verurteilung war, wurde zu einem Jahr und drei Monaten verurteilt, zwangssterilisiert und im Januar 1944 im KZ Buchenwald ermordet.
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Kühlen stand im Oktober 1939 wieder vor dem Richter und bekam wegen erneuter homosexueller Kontakte zwei Jahre Haft, die er im Moorlager Emsland und im Zuchthaus Zelle verbüßte. Er entging der gefürchteten „Schutzhaft“ im KZ, die Heinrich Himmler für homosexuelle „Wiederholungstäter“ angeordnet hatte. Er kehrte nach Duisburg zurück, wohnte bei seiner geschiedenen Mutter am Flachsmarkt und heiratete ein knappes Jahr nach seiner Entlassung 1942 die junge Kontoristin Elisabeth „Lilly“ Mohr. Zu diesem Zeitpunkt war er schon Soldat im Fronteinsatz.
Seine Frau muss von seiner Vorstrafen gewusst haben, zeigte sich aber in Briefen sehr verliebt und hoffte auf ein gemeinsames Kind. Sie führten eine kurze Ehe auf Abstand, mit seltenen Treffen, ohne gemeinsame Wohnung. Mitte 1944 wurde die Ehe geschieden.
Die letzten Lebenszeichen von Willi Kühlen gab es im März 1945. Danach verliert sich seine Spur. Er sei vermutlich bei den Kämpfen im April und Mai in Sachsen gefallen, teilte der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes seinen Geschwistern 1977 mit.
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Sören Link: „Hier geht es um einen unserer Nachbarn“
Brigitte Quade, eine Nichte von Wilhelm Kühlen, wusste vor den Recherchen von Jürgen Wenke wenig über ihren Onkel. „Unsere Großmutter hat uns über ihren Sohn nur erzählt, dass er ein großer Charmeur mit künstlerischen Neigungen war, das Wort Homosexualität ist dabei nie gefallen“, erinnert sich Quade.
So ging es auch Silvia Shala und Werner Kühlen. Alle drei unterstützten Wenke gerne mit Briefen und Fotos aus dem Familienarchiv bei seiner Dokumentation. Traurig ist Brigitte Quade nur darüber, dass ihre Cousine Cläre es nicht mehr bis zur Stolpersteinverlegung geschafft hat. Sie war die Letzte in der Familie, die Willi Kühlen noch persönlich erlebt hat. Sie starb von wenigen Monaten mit 91 Jahren.
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Laura Steier vom Jugendring verteilte rosa geflammte Rosen an die Gäste. Die legten sie neben dem Messingstein und dem Bild des schönen, jungen Mannes ab. „Hier geht es um einen unserer Nachbarn, der mitten unter uns lebte und wegen seiner Liebe verfolgt wurde,“ sagt OB Sören Link. „So weit dürfen wir es nie wieder kommen lassen.“
„Wissen Sie, wann Wilhelm Kühlen rehabilitiert worden ist?“, fragt Wenke die Umstehenden. „Es ist tatsächlich gerade mal 20 Jahre her, dass er nicht mehr als Straftäter gilt.“
>> Jürgen Wenke recherchiert und veröffentlicht Biografien
- Jürgen Wenke vermisste Stolpersteine für Homosexuelle. Seit 2006 sucht er nach den Fakten zum Leben von Männern, die wegen ihrer Homosexualität in der Nazizeit verfolgt wurden.
- Sechs Stolpersteine wurden auf seine Initiative hin in der Duisburger Innenstadt, in Bissingheim und Wanheim verlegt.
- Die ausführlichen Biografien von Walter Braumann, Paul Friederich, Alfred Ledermann, Werner Bangert, August Zgorzelski und Wilhelm Kühlen kann man auf Wenkes Homepage unter www.stolpersteine-homosexuelle.de nachlesen.