Duisburg. . Erstmals in NRW wurden an einem Tag vier kleine Betonquader zum Gedenken an von den Nazis verfolgte Männer angebracht.

Und dann sind alle ganz still. Nachdem Konzeptkünstler Gunter Demnig ein letztes Mal mit dem Handbesen über den gerade verlegten Stolperstein zum Gedenken an Paul Friedrich an der Rahmer Straße 22 wischt, verstummen die Gespräche. Kurz darauf legen Anwesende Blumen nieder. Es ist der erste Stein, der an diesem Tag im Stadtgebiet zu Ehren eines von den Nazis verfolgten und getöteten Homosexuellen verlegt wird. Drei weitere folgen.

Letzter Wohnort des Opfers

Die Rahmer Straße ist der letzte freiwillige Wohnort des Hausierers und Angestellten, der nach Bekanntwerden homosexueller Kontakte zunächst in eine geschlossene Anstalt geliefert und schließlich getötet wurde. „Die Straße hieß schon damals so. Auch eine Hausnummer 22 gab es schon. Das Haus, in dem er lebte, gibt es aber nicht mehr“, erklärt Sascha Roncevic von der SPD, der stellvertretend für Bärbel Bas bei der Steinverlegung dabei ist. Bas hat die Patenschaft für den Stein übernommen.

In Duisburg wurden an einem Tag vier Stolpersteine für verfolgte Homosexuelle während des Nationalsozialismus gelegt.
In Duisburg wurden an einem Tag vier Stolpersteine für verfolgte Homosexuelle während des Nationalsozialismus gelegt. © Jörg Schimmel

Es bleibt lange still. Die Anwesenden – darunter vor allem Mitglieder des Duisburger Jugendrings, die die Aktion gemeinsam mit Demnig organisiert haben – schießen einige Fotos mit ihren Handys von dem Betonstein mit der schimmernden Messingplatte. Auch Melanie Beaufays-Kleiner ist dabei, später am Tage soll ein Stein für ihren Großonkel Alfred Ledermann verlegt werden. Sie kannte ihn nicht persönlich, ist trotzdem noch immer betroffen, wenn sie an sein Leiden denkt. Gunter Demnig packt unterdessen Pflasterhammer, Sand und Besen wieder ein und macht sich auf den Weg. Stolpersteine sind sein Lebenswerk – mittlerweile hat der gebürtige Berliner in Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus rund 63 000 Stück in ganz Europa verlegt.

Bislang gab es erst einen Stein in Duisburg, der an ein homosexuelles Opfer erinnert. Dass an einem Tag gleich vier Steine verlegt werden, gab es so in NRW noch nicht, weiß Yannik Form vom Jugendring Duisburg. „Ein starkes Zeichen, das damit gesetzt wird“, findet er.

Auch Sascha Roncevic freut sich über die Steine, schließlich hat er einen ganz persönlichen Bezug zu dem Thema; er engagiert sich bei den Schwusos NRW. „Homosexuelle wurden damals verfolgt und ganz perfide in Verhören zu Geständnissen gezwungen,“ erklärt er. Ihm ist wichtig, dass an möglichst viele Opfer der Gräueltaten des Dritten Reichs erinnert wird.

Einen weiteren Schritt in diese Richtung geht Duisburg am heutigen Donnerstag, wenn weitere vier Stolpersteine im Andenken an verfolgte Familien verlegt werden.

Von der „Heilanstalt“ ins KZ

Paul Friedrich gestand in den Gestapo-Verhören 1936 eine Vielzahl von sexuellen Kontakten mit Männern. Allerdings wurde er als nicht schuldfähig eingestuft, das erste Verfahren eingestellt. 1943 wurde er dann allerdings doch für schuldig befunden, in eine „Heilanstalt“ gebracht und schließlich in ein KZ deportiert, wo er 1945 ermordet wurde.

Gezielte Mordaktion

Der 20 Jahre alte Alfred Ledermann (1921 - 1942) wurde von den Nazis als „asozial und homosexuell“ bezeichnet und nach zwei Gefängnisstrafen in das KZ Sachsenhausen deportiert. Bei einer gezielten Mordaktion gegen Homosexuelle wurde er getötet. Der Stolperstein zu seinem Gedenken befindet sich auf einem Gehweg an der Kurt-Hinze-Straße 11 in Wedau.

Gefängnishaft wegen sexuellen Kontakts

August Zgorzelski (1904 - 1944) wurde im August 1941 vor dem Duisburger Landgericht angeklagt und zu Gefängnishaft verurteilt wegen sexuellen Kontaktes zu dem Viersener Heinrich Kamps (1902 bis 1943). Wegen anderer homosexueller Kontakte galt er schon als vorbestraft. Zgorzelski wurde im KZ Buchenwald ermordet. Sein Stein ist auf der Obermauerstraße 81 in der City.

Nach Haft wieder frei und den Holocaust überlebt

Walter Braumann (1897 - 1973) hatte Kontakt zu Paul Friedrich und wurde 1936 zeitgleich – aber in einem getrennten Verfahren – zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Männer gaben zu, gemeinsam onaniert zu haben. Braumann fand „Milde“ vor den Richtern. Nach einem Jahr und drei Monaten wurde er entlassen. Sein Stolperstein liegt auf der Düsseldorfer Straße 95 in der Innenstadt.