Duisburg. Die Duisburger Polizei in der NS-Zeit: Erkenntnisse eines Historikers zeigen Verbrechen hoher Polizeioffiziere. Einer arbeitete später fürs BKA.
Sie hatten keine Probleme damit, in der Nazizeit in den Dienst einer Diktatur zu treten und in deren Namen an furchtbaren Gräueltaten mitzuwirken. Nur in wenigen Fällen wurden sie dafür später bestraft. Die Rede ist von höheren Offizieren der Duisburger Polizei. Der Krefelder Dr. Ulrich Opfermann hat zu ihrer Rolle im Dritten Reich geforscht – und im NRW-Landesarchiv im Innenhafen nun seine ersten Ergebnisse vorgestellt.
Der ranghöchste Verbrecher im Amt war Franz Bauer (1894 bis 1966), seit Frühjahr 1944 der letzte von fünf Duisburger Polizeipräsidenten während der NS-Zeit (1933 bis 1945). Er hatte noch im März 1945 die Erschießung von über 30 Häftlingen aus Polizeigewahrsam ohne Verurteilung angeordnet. Danach setzten sich Bauer und andere führende Nazis ab, bevor Duisburg von den alliierten Truppen besetzt wurde.
Gräueltaten bei der Duisburger Polizei in der NS-Zeit: Bauer und Bouillon wurden verurteilt
Bauer tauchte unter falschem Namen unter. Er flog erst 1954 auf. 1957 verurteilte ihn das Landgericht Duisburg wegen Totschlags zu fünf Jahren Haft. Die Liste dieser Opfer stammte von Kriminalrat Hans Bouillon (Jahrgang 1908). Er war wie Bauer erst gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Duisburg, als Leiter der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Deren Aufgabe war es, die Feinde der Nazis unschädlich zu machen. Immerhin machte man ihm 1948 wegen der Erschießung zweier Zwangsarbeiter aus Sowjetrussland den Prozess. Zu sieben Jahren wurde er verurteilt, war aber schon 1949 wieder frei.
Kriminalrat Hans Bouillon (Jahrgang 1908) war wie Bauer erst gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Duisburg, als Leiter der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) aktiv. Deren Aufgabe war es, die Feinde der Nazis unschädlich zu machen. Immerhin machte man ihm 1948 wegen der Erschießung zweier Zwangsarbeiter aus Sowjetrussland den Prozess. Zu sieben Jahren wurde er verurteilt, war aber schon 1949 wieder frei.
„Zigeunerexperte“ arbeitete später fürs Bundeskriminalamt
Ohne Bestrafung kam Dr. Josef Ochs (1905 bis 1987) davon. Aus Mangel an Beweisen sprach ihn ein britisches Militärgericht 1947 vom Vorwurf frei, kurz vor Kriegsende an der Erschießung von Zwangsarbeitern im Duisburger Wald beteiligt gewesen zu sein.
Eine saubere Weste hatte er nicht. Denn er war vor seiner kurzen Zeit in Duisburg der „Zigeunerexperte“ der Reichskriminalpolizei. Er hatte damit zu tun, Angehörige der Volksgruppe der Roma in das von Deutschland besetzte Polen zu bringen. 1950 war er wieder im Dienst, sogar beim Bundeskriminalamt (BKA), war sogar für den Schutz von Bundespräsident und Bundeskanzler zuständig.
Seiner vollen Bezüge im Ruhestand erfreuen konnte sich nach 1945 Kriminalrat Franz Busch (Jahrgang 1870). Laut Dr. Opfermann war er federführend, als 1935 die SPD-nahe Widerstandsgruppe in der Brotfabrik Germania in Hamborn ausgeschaltet wurde.
Sie hatte nazifeindliche Schriften aus Holland verbreitet. Es gab rund 200 Verhaftete. Einige überlebten die Folter im Gestapo-Gefängnis nicht oder begingen Selbstmord. 18 Hauptbeschuldigte erhielten hohe Haftstrafen. Aber Busch sei bei der Prüfung auf Nazi-Vergangenheit (Entnazifizierung) durch die britische Besatzungsmacht mit der Behauptung durchgekommen, er habe nie mit der Gestapo zu tun gehabt.
Körner schob Hülsdünker die Verantwortung zu
Ähnlich lief es bei Kriminaldirektor Albert Körner (Jahrgang 1889), der vor der Machtergreifung der Nazis sogar bei der linksliberalen Deutschen Staatspartei war, dann aber 1933 zur NSDAP wechselte. Ihm wurde nach 1945 vorgeworfen, für den Transport von „Zigeunerkindern“ ins Konzentrationslager Auschwitz in Polen verantwortlich zu sein. Das schob er auf Kriminalrat Alois Hülsdünker (Jahrgang 1891).
Hülsdünker blieb ebenfalls zunächst unangetastet, obwohl er für seinen Polizeieinsatz in der Ukraine 1942/43 sogar einen Orden bekam. Erst 1958 wurde er verhaftet und 1960 zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er geholfen hatte, dabei 300 Juden und 22 schwer verwundete Kriegsgefangene zu erschießen.
Das Duisburger Polizeibataillon 308 spielte üble Rolle bei Ost-Einsätzen
Eine üble Rolle spielte laut Dr. Opfermann das Duisburger Polizeibataillon 308 bei solchen Ost-Einsätzen, beim Kampf im besetzten Osteuropa hinter der Front, so bei der „Bewachung“ des Warschauer Ghettos.
Mehrere Gründe führte der Referent an, warum die Beamten sich so verhalten haben: Erstens sei es schon in den 1920er Jahren verbreitet gewesen, sich kriminelles Verhalten nicht aus schwierigen persönlichen Lebensläufen heraus zu erklären, sondern aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu (wie dem der „Zigeuner“). Solche Milieus auszumerzen, sei ab 1937 offizielles Ziel gewesen.
Zweitens seien die höheren Polizeioffiziere untereinander auch aufgrund gemeinsamer Ausbildung bestens bekannt gewesen, hätten sich später gegenseitig entlastet. Dabei habe ihnen die verschwiegene polizeitypische Arbeitsweise geholfen. Drittens sei in der jungen Bundesrepublik die Vorgabe der Besatzungsmächte schnell über Bord geworfen worden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit als neue Straftat rückwirkend zu verfolgen. Im deutschen Strafrecht aber habe es diese Bestimmung nicht gegeben.
>>Ausstellung über die Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr
- Der Vortrag im NRW-Landesarchiv fand im Zusammenhang mit der dortigen Ausstellung „Die Kommissare. Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920 bis 1950“ statt.
- Das Archiv an der Schifferstraße 30 in Kaßlerfeld (mit eigenem Parkhaus) hat montags bis freitags von 6.30 Uhr bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.