Duisburg. FDP-Fraktionschef Wilhelm Bies fand in seiner Etatrede lobende Worte für die Stadtspitze, kritisierte aber unter anderem den Nahverkehrsplan.

Hier lesen Sie die komplette Etatrede von Wilhelm Bies, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Duisburger Stadtrat, vom 25. November im Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

es gehört zur einfachen Wahrheit, dass dieser Haushalt nicht mit den Farben Schwarz oder Weiß, Ja oder Nein, in völliger Eindeutigkeit abgetan werden darf.

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Nicht zuletzt dank der Zuweisungen, Gesetzesänderungen und somit der erfolgreichen Politik der gelb-schwarzen Landesregierung und einer insgesamt positiven wirtschaftlichen Entwicklung ist es zu verdanken, dass man mit Fug und Recht sehr, sehr vorsichtig von einem Licht am Ende des Tunnels sprechen kann. Eine vorsichtige Entspannung bei den Arbeitslosenzahlen hilft ebenfalls dieser Stadt weiter.

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Richtig ist, was richtig ist, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, unabhängig von der Farbe. Und deshalb möchte ich zunächst mit den positiven Dingen beginnen, die insbesondere Sie und der Kämmerer, Herr Murrack, derzeit anschieben. Ausgesprochen richtig ist, dass Sie derzeit die richtigen Impulse setzen. Endlich müssen wir von der lähmenden Einstellung, die da heißt „Wir sind seit 70 Jahren Opfer des Strukturwandels“, wegkommen.

Während in anderen Städten weltweit die Server, Sensoren und Roboter aufgebaut werden, können wir nicht täglich „Glück auf, der Steiger kommt“ in der Stadt und Verwaltung singen.

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Wir begleiten gern den Weg zur nächsten technischen Revolution – der Digitalisierung –, die in einem Umfang stattfinden wird, wie wir es uns heute vermutlich noch nicht erträumen. Die Digitalisierung wird alle Lebensbereiche in derartiger Art und Weise erfassen, wie vor langer Zeit die Entwicklung der Dampfmaschine und der damit einhergehenden Industrialisierung. Diese Zeichen der Zeit gilt es zu erkennen und auch danach die Verwaltung und die Infrastruktur Duisburgs auf- und auszubauen. Wenn also die Erwartungshaltung ist, dass wir aus den Bezirksämtern einen one-stop-shop machen (Entschuldigung, ich hatte kein anderes englisches Wort parat). Wenn die Erwartungshaltung ist, nicht hundertmalig die Adresse, den Wohnort und weitere persönliche Daten der Stadt in jedem Formular aufs Neue zu übermitteln, also dem „once-only“-Prinzip folgend (… noch so ein Wort) die Daten zu organisieren, dann ist es ja geradezu notwendig, auch die entsprechende Infrastruktur, namentlich auch Verwaltungsgebäude, so zu schaffen, dass die Verwaltung für die nächsten digitalen Jahre und Jahrzehnte gerüstet ist.

Und selbstverständlich werden wir – das war schon immer so – die Cunctatoren und Bedenkenträger haben. Das kennen wir schon: Kein Mensch braucht einen PC, Mobiltelefone sind nur für „die Reichen“, Menschen werden sogar sterben, weil nur vermögende Menschen telefonieren können und somit einen Notarzt holen können. Die Dampfmaschine wird sich nicht durchsetzen. Kein Mensch kann sich schneller als 15 km/h fortbewegen. Niemals wird ein Auto die Kutsche ablösen. Diese Erkenntnisse sind nur ein paar Jahre oder Jahrzehnte alt.

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Es ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um alle Ressourcen – genauer die Mittel im Haushalt -bereitzustellen, um diese Schritte in Richtung Digitalisierung zu gehen. Ansonsten droht das, was man aktuell als Disruption bezeichnet, dass also ein bereits bestehendes Modell sehr schnell von neuen Ideen und Innovationen abgelöst wird.

Ich möchte, dass Sie Herr Oberbürgermeister, den Trend zur Digitalisierung weiterhin verfolgen, fördern und die Mittel für den Haushalt in diesen Ausprägungen einstellen. Klopfen Sie bei der EU, dem Bund und dem Land an. Auch der Städtetag ist gefordert. Wir setzen darauf, dass Herr Beigeordnete Linne bald günstige Gebäude aus dem 3D-Drucker genehmigt, meinetwegen kann die dauerklamme Gebag das auch bauen. Wir fordern, dass unser Verkehr telematisch nach vorn gebracht wird. Das bedeutet auch Wettbewerb, Ausschreibung und der Wille, sich zu erneuern, anstatt die jährlichen knapp 50 Millionen Euro als Dauersubvention dankend zu erhalten.

Die Bürger werden es uns von Walsum über Rheinhausen bis Serm danken, wenn wir schon jetzt uns auf einen ÖPNV vorbereiten, der digital gesteuert sein wird. Wir setzen darauf, dass Kunst und Kultur in dieser Stadt auch deutlich digitaler werden und somit den Zugang erleichtern. Glasfaser und 5G-Ausbau sind geradezu – wie auch die kreidefreie Schule – Selbstverständlichkeiten.

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Mit dem Rückenwind des Nullzinses und der erfolgreichen gelb-schwarzen Landesregierung, die Ihnen den Weg ebnet wo es nur geht, werden sich dann auch alsbald Erfolge im Städteranking und in der Gesamtbeurteilung unserer Stadt einstellen. Und wenn Sie, Herr Link über sich schauen, dann sehen Sie die qualmenden Schlote (mit Karl-Lehr im Vordergrund) als Zeichen der Prosperität dieser Stadt. Das war damals. Möglicherweise werden Sie dann in Zukunft in Öl verewigt, auf einem Bild mit Servern im Hintergrund, gnädig auf uns herabschauend.

Auch auf die positive Seite der Bilanz gehört, dass weitere Zukunftsprojekte engagiert abgearbeitet werden. Der Güterbahnhof genauso wie 6-Seen-Wedau.

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Die andere Seite der Bilanz ist allerdings schlimm: Ein völlig untauglicher Nahverkehrsplan begleitet von Protesten. Mangelhafte Anbindung an Schulen, unzulängliche Planung und Wegfall von Linien, Verdopplung von Fahrtzeiten durch Umsteigen, fehlerhafte elektronische Anzeigen. Es kann nicht sein, dass sich die Unterrichtszeiten nach der gerade vorherrschenden Laune und Fähigkeit der DVG richten. Hier muss so schnell wie möglich und entschieden nachgesteuert werden.

Eine Halbmillionenstadt braucht ein soziokulturelles Zentrum. Steht das so zuverlässig im Haushalt? Ist das wirklich gesichert?

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Als FDP stehen wir für den Erhalt der Stadtteilbibliotheken; hier müssen alle Stellen besetzt werden. Dies ist ein Motor für die Integration. Die erfolgreiche gelb-schwarze Landesregierung hat hier die Sonntagsöffnung beschlossen. Diese Umsetzung stünde Duisburg gut zu Gesicht. Ebenfalls ist eine Neuausrichtung der Festivals erforderlich. Alle zwei Jahre, und dafür besser, ist der richtige Weg.

Dringender Wunsch von uns ist, gerade und wegen der erfreulichen Auslastung der Oper von 73 Prozent, die Premieren und Aufführungen zu erhöhen. Es kommt schon jetzt vor, dass die ersten Besucher keine Termine erhalten. Es ist absehbar, dass wir bei unseren Philharmonikern Nachwuchssorgen bekommen. Dies hängt auch mit den Zulagen zusammen, die anderenorts gezahlt werden. Auch hier bedarf es einer Nachsteuerung.

Der – bei allem Respekt – Blödsinn, die Lehrerparkplätze zunächst zu bepreisen und dann dies wieder mit dem Hinweis auf mangelnde Lehrer zurückzunehmen, zeugt wahrlich nicht von Weitsicht.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Arbeitsthese stimmt nach wie vor: Wer wissen möchte, was die SPD in 10 Jahren fordert und will, der guckt immer in das aktuelle Wahlprogramm der FDP. Die inzwischen chronische Klaueritis der SPD (im Übrigen ist auch JuDu davon betroffen) zeigt den Unterschied zwischen der subjektiven Eigenwahrnehmung, nämlich einer SPD-Allmacht der 70er und der tatsächlichen Ideenlosigkeit heutzutage.

Aber: Sie sind ja in der Privatisierung richtig aktiv. Ihre erfolgsverwöhnte Steag steht im Markt, der Zoo wird in die DVV hinübergenommen, auch Teile des Wohnungsbestandes wurden abgeworfen. Ganz viel ist bei uns nachzulesen.

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Mindestens unschön, und dies sollte bei einer Aussprache auch deutlich werden, ist die SPD-Masche mit ihrer darauf stets folgenden vorauseilenden Dienlichkeit der Verwaltung. Beispiele gefällig? Gern doch. Reaktivierung der Bahnlinie. 1999 im Kommunalwahlprogramm der FDP. Zwei Jahre später von den Grünen erneut eingefordert. Ein Gutachten wurde erstellt, Pro Bahn wurde angehört. Kurzergebnis: Das macht alles keinen Sinn. 2019 folgt die neue Riesenidee der SPD: Reaktivierung der Bahnlinie.

Von W-LAN in der Innenstadt über Brötchentaste oder Sirenenwarnung und noch viel mehr ist die These des „falschen Briefkopfes“ naheliegend. Nur weil es der vermeintlich falsche Briefkopf ist, sollten die Ideen nicht unter roter Flagge oder „über Bande“ als Verwaltungsvorlage auftauchen. Das hat die SPD eigentlich, und auch nach meinem Verständnis, nicht nötig.

Sehr geehrte Damen und Herren, die angesprochene Abwägung führt bei uns zum Ergebnis der Ablehnung des Haushaltes. Es ist nicht unser Haushalt. Wir erkennen an, dass in dem vorgelegten Entwurf Potenziale stecken. Sollte es so sein, dass nach diesem Haushalt die Themen Gewerbesteuern und Grundsteuern so angegangen werden, dass spürbare positive Effekte zu erreichen sind, werden wir uns zum gegebenen Zeitpunkt einer Zustimmung sicherlich nicht erwehren, auch wenn wir die sogenannte Opposition sind.

Wir haben uns zum Schluss, und das ist nicht nur guter Brauch, sondern auch aufrichtig gemeint, bei der Verwaltung zu bedanken. Und zwar nicht nur für die Haushaltsaufstellung, sondern auch für die gesamte Arbeit im zurückliegenden Jahr.

Deshalb der aufrichtige Wunsch meiner Fraktion und mir an sie alle: Ein herzliches Glück und Erfolg!“

>> Haushaltsreden der Fraktionen im Duisburger Stadtrat im Wortlaut

Zur Rede von Rainer Enzweiler, CDU

Zur Rede von Bruno Sagurna, SPD

Zur Rede von Sait Keles, Bündnis 90/Die Grünen

Zur Rede von Martina Ammann-Hilberath, Die Linke

Zur Rede von Stephan Wedding, Junges Duisburg/DAL

Zur Rede von Karlheinz Hagenbuck/Angelika Röber/Marion Stöbbe, HSV-Fraktion

Zur Rede von Wilhelm Bies, FDP