Bottrop. Das Bottroper Gesundheitsamt richtet zur Aktionswoche Alkohol eine Hotline für Menschen mit Alkoholproblemen ein. So finden sie Hilfe.

02041 705080 ist die Telefonnummer, die sich Menschen mit Alkoholproblemen oder deren Angehörige merken sollten. Die Suchtberatungsstelle des Gesundheitsamtes beteiligt sich an der deutschlandweiten Aktionswoche „Alkohol 2024“ (8. bis 16. Juni). Das Motto der Woche heißt: „Alkohol? Weniger ist besser!“

In Bottrop wird dafür eine Hotline eingerichtet. Am Donnerstag, 13. Juni, sitzen Raffaela Wenk, Elias Zablocki und Simone Steffens von der Suchtberatungsstelle von 9 bis 16 Uhr am Telefon.

Aktionswoche Alkohol: Bottroper Hotline kann erster Schritt zur Hilfe sein

Die Entscheidung für eine Hotline beruht auf Erfahrungswerten. Der Besuch eines Infostandes, also in der Öffentlichkeit, ist für viele Betroffene oft eine Hemmschwelle. „Die Leute haben Sorge, dass sie gesehen werden oder ihr Besuch missverstanden wird“, sagt Raffaela Wenk.

Ein Anruf ist anonym. Der Anrufer oder die Anruferin muss keine persönlichen Daten von sich preisgeben. „Jeder kann das erzählen, was ihm wichtig ist. Es ist ein unverbindliches Angebot“, sagt Raffaela Wenk. Man sieht sich nicht, man hört sich nur.

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Das Team der Beratungsstelle hofft, dass viele den Mut aufbringen und anrufen werden. Es kann der erste Schritt zur Hilfe sein. „Für uns ist die Teilnahme an der Aktionswoche eine Möglichkeit, das Thema Alkohol und Alkoholabhängigkeit wieder in die Öffentlichkeit zu rücken“, meint Raffaela Wenk.

Bottroper Beratungsstelle: „Jeder kann von Sucht betroffen sein“

Die Leute sollen mutig sein, ihr eigenes Trinkverhalten überprüfen und kritisch hinterfragen. Denn Alkohol ist Freund und Seelentröster. Studien zeigen jedoch, dass Alkohol zugleich weiterhin die Droge Nummer Eins in Deutschland ist. Da bildet Bottrop keine Ausnahme.

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Eine Klientin, so Raffaela Wenk, erzählte ihr letztens, dass sie sich in der Gesellschaft für das Nicht-Trinken von Alkohol rechtfertigen müsse. „In unserer Gesellschaft wird Alkohol toleriert. Man bekommt ihn überall“, sagt Elias Zablocki. Raffaela Wenk ergänzt: „Ich glaube, dass sich die Wenigsten vorstellen können, wie schnell man in eine Abhängigkeit rutschen kann.“ Die Sucht macht vor nichts und niemandem Halt. „Jeder kann von der Sucht betroffen sein.“

Die Gründe, warum jemand – plakativ ausgedrückt – zur Flasche greift, sind vielschichtig. Wie gehe ich mit negativen Gefühlen um? Wie meistere ich Krisensituationen? Bin ich einsam? Haben die eigenen Eltern schon viel Alkohol getrunken?

Alkoholproblem hat nichts mit Willens- oder Charakterschwäche zu tun

„Ich muss deutlich sagen“, beginnt Raffaela Wenk, „um alkoholkrank zu werden, muss man nicht in einer schweren Krise sein oder traumatische Erlebnisse gehabt haben.“ Alkohol sei in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und werde zudem positiv beworben.

Eine Stigmatisierung erfolgt meistens erst dann, „wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Wenn man ein auffälliges Verhalten zeigt, zum Beispiel im Straßenverkehr oder wenn es Probleme am Arbeitsplatz gibt.“ Die eigene Abhängigkeit sei nach wie vor mit Scham besetzt.

Simone Steffens, Raffaela Wenk und Elias Zablocki sind das Team der Suchtberatung des sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt Bottrop, das auch die
Hotline betreuen wird.
Simone Steffens, Raffaela Wenk und Elias Zablocki sind das Team der Suchtberatung des sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt Bottrop, das auch die Hotline betreuen wird. © Stadt Bottrop

Menschen mit einem Alkoholproblem wird, so Wenk, in der öffentlichen Wahrnehmung eine Willens- oder Charakterschwäche attestiert. „Doch damit hat es nichts zu tun“, sagt sie. „Eine Sucht ist eine ernsthafte, chronische Erkrankung, die im schlimmsten Fall tödlich enden kann.“

Geduld ist gefragt. Das gilt für das Beratungsteam, aber vor allem für die Betroffenen. Simone Steffens: „Es braucht Zeit, die wir uns aber auch nehmen. Wir begleiten viele Menschen über einen langen Zeitraum.“

Die meisten Bottroper Betroffenen von Alkoholproblemen sind zwischen Mitte 40 und Mitte 50

Das Durchschnittsalter derjenigen, die ein Alkoholproblem in Bottrop haben und sich beratende Hilfe holen, liegt laut Gesundheitsamt zwischen Mitte 40 und Mitte 50. Aber die Spanne verschiebt sich. „In den vergangenen Jahren hat sich der Altersschnitt verjüngt“, sagt Raffaela Wenk. Fälle um die 40 Jahre oder jünger sind keine Einzelfälle mehr.

757 Menschen haben im Jahr 2023 die Angebote der Suchtberatungsstelle im Gesundheitsamt und bei der Jugendhilfe in Anspruch genommen. Wie viele davon auf Alkohol und dessen Konsum entfallen, wird nicht erfasst. Zu den 757 zählen ebenso Menschen mit anderen Suchtproblemen wie auch deren Angehörige, die sich Hilfe und Rat eingeholt haben. Deutschlandweit liegt Bottrop mit der Zahl im Durchschnitt.

Mehr Beratungsgespräche, aber nicht mehr Alkoholsüchtige

Eine Entwicklung gibt es zu beobachten. „Es gibt einen Zuwachs an Beratungsgesprächen“, sagt Raffaela Wenk. „Zwischen 2019 und 2023 sind es zehn Prozent mehr.“ Auch mehrere Jüngere suchen das Gespräch zur Beratung, Vermittlung oder zum Informationsaustausch.

Den Zuwachs schätzt Raffaela Wenk wie folgt ein: „Aus meiner Sicht gibt es nicht mehr Menschen mit Alkoholproblemen. Ich sehe diesen Zuwachs eher positiv. Es gibt mehr Menschen, die sich trauen und sich an uns wenden.“

Auch die Lebendige Bibliothek wird in der Aktionswoche diverse Bücher zum Thema Sucht und Alkoholabhängigkeit ausstellen beziehungsweise ausleihen. Die Beratungshotline ist am Donnerstag, 13. Juni, von 9 bis 16 Uhr freigeschaltet.

Kontakt zur Beratungsstelle im Gesundheitsamt (Gladbecker Straße 66): Das Team ist Montag, Dienstag und Freitag von 8.30 bis 16 Uhr, Mittwoch von 8.30 bis 12.30 Uhr und Donnerstag von 8.30 bis 17 Uhr telefonisch zu erreichen unter 02041 703773. E-Mail. seeleundsucht@bottrop.de