Bottrop. Die Stadt prüft die Folgen eines Gerichtsurteils. Kann die Musikschule weiter Honorarkräfte einsetzen? Was heißt das für die Gebühren?
Steht die Bottroper Musikschule vor einer ungewissen Zukunft? Sie wird von zwei Seiten in die Zange genommen. Auf der einen Seite will die überschuldete Stadt selbst in ihrem Institut Personal abbauen. Stadtsprecher Ulrich Schulze versichert zwar, dass die Musikschule bestehen bleiben soll. Allerdings bringt ein Urteil des Bundessozialgerichtes die Musikschullandschaft insgesamt in Turbulenzen. Danach sind freiberufliche Lehrkräfte keine echten Selbständigen. Was bedeutet das für die Musikschule in Bottrop?
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„Im Zuge der Haushaltsberatung hat die Verwaltung mehrfach betont, dass der Betrieb der Musikschule mit ihren vielfältigen Angeboten aufrechterhalten werden soll“, erklärt Ulrich Schulze trotz der vorgesehen Personalkürzungen. So will die Stadt bis zum Jahr 2030 durch das Aus für das JeKits-Programm vier Stellen sozialverträglich einsparen. Schon Vorstand Dr. Rainer Fischer aber hatte für den Förderverein angesichts des inzwischen von SPD und CDU im Stadtrat beschlossenen Personalabbaus gemahnt: „Dies könnte ein Viertel der Lehrenden betreffen und die Arbeit der Musikschule weiter erschweren“.
Gewerkschaft weckt Zweifel an Musikschularbeit
Auf der anderen Seite weckte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erst kürzlich wieder Zweifel daran, ob die Arbeitsteilung zwischen festangestellten und freiberuflichen Lehrkräften so wie bisher überhaupt noch möglich ist. Denn das Bundessozialgericht stellte fest, dass eine Honorarkraft an einer Musikschule eigentlich nicht selbstständig ist, wenn diese regelmäßig Unterricht gibt. Da so eine Lehrkraft in den Musikschulbetrieb eingegliedert sei, fehle die dazu nötige unternehmerischer Freiheit.
Zwar heißt es auch bei Verdi, dass es vor dem Bundesgericht um eine Einzelfallentscheidung ging, doch seien in der Urteilsbegründung Kriterien aufgeführt, die auf so ziemlich alle Lehrkräfte zuträfen, die schon länger regelmäßig an Musikschulen unterrichten. Von der alten Praxis hätten die Städte lange profitiert, indem sie Sozialversicherungsbeiträge einsparen konnten, kritisiert die Gewerkschaft. So müssten sich Honorarkräfte – ohne anderen festen Job – oft selbst über die Künstlersozialkasse sozialversichern und würden im Krankheitsfall oder in den Ferien nicht bezahlt.
Andere Städte verzichten schon auf Honorarkräfte
Wegen dieses sogenannten Herrenberg-Urteils hätten mehrere Städte schon Verträge mit Honorarkräften beendet, berichtet Verdi. Die Musikschule in Leipzig etwa stellte alle ihre Lehrkräfte fest an. Auch in NRW ziehen städtische Institute Konsequenzen: die Musikschule in Bielefeld zum Beispiel. In St. Augustin im Köln-Bonner-Raum sollen ab August ebenfalls nur noch Lehrkräfte in Festanstellung beschäftigt werden. Andere Städte lassen dagegen wie Bottrop erst einmal alles beim Alten.
„Das Urteil hat derzeit keine verbindlichen Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse der Musikschule Bottrop“, begründete OB Bernd Tischler dies noch in einer Antwort auf eine Anfrage des Bot.Sozial-Ratsherrn Niels Schmidt. Inzwischen teilt Sprecher Ulrich Schulze aber mit: „Derzeit führt die Stadt Bottrop eine rechtliche Prüfung des Urteils durch mit der Frage, ob und inwieweit das Urteil anwendbar ist auf die Honorarkräfte der Musikschule der Stadt Bottrop. Das Ergebnis der Prüfung ist derzeit aber noch offen“.
Verdi ruft freie Musiklehrer auf, selbst aktiv zu werden
Auch für die Stadt stellen sich also Fragen wie: Kann sie einen größeren Teil der Dozentinnen und Dozenten an der Musikschule überhaupt noch wie bisher auf Honorarbasis beschäftigten? Stehen ihr Prüfungen der Sozialkassen ins Haus? Muss sie womöglich für ihre freiberuflichen Lehrerinnen und Lehrer sogar Beiträge zum Beispiel an die Rentenversicherung nachzahlen?
Die Gewerkschaft Verdi rief freiberufliche Lehrkräfte an Musikschulen jedenfalls dazu auf, selbst aktiv zu werden. Sie könnten bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung klären, ob ein aktuelles oder zurückliegendes Auftragsverhältnis als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu werten sei. Entscheide die Clearingstelle pro Arbeitsverhältnis, gelte dies aber nur in Sachen Sozialversicherung. Ein Arbeitsvertrag komme damit nicht zustande.
Bottrops Musikschule hat mehr feste als freie Lehrkräfte
Stadtsprecher Ulrich Schulze weist darauf hin, dass die Mehrheit der Lehrkräfte an der Bottroper Musikschule ohnehin festangestellt sei. Zurzeit seien 26 Dozenten und Dozentinnen fest in tariflichen Beschäftigungsverhältnissen tätig. Das entspreche zwölf Planstellen. Die Musikschule setze außerdem Honorarkräfte ein, um flexibel auf die Interessen von Schülerinnen und Schülern reagieren zu können..
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„Die Musiklehrer sind auf Instrumente spezialisiert. In der Regel besteht die größte Nachfrage nach Unterricht für Gitarre und Klavier. Soll aber auch mal ein Kurs beispielsweise für Saxophon oder Schlagzeug eingerichtet werden, braucht die Musikschule dafür Dozenten, die diese Instrumente selbst beherrschen und diese auch unterrichten können“, erläutert Schulze.
Unterrichtsgebühren sollen erschwinglich bleiben
Insgesamt seien neben den festangestellten Musiklehrerinnen und Musiklehrern auch 16 freiberufliche Dozentinnen und Dozenten für die Bottroper Musikschule tätig. Deren Stundenkontingente machten weitere vier Planstellen aus. Steht also weit mehr als ein Drittel der insgesamt 42 Lehrkräfte an der Musikschule vor einer ungewissen Zukunft? „Wir wissen, dass in den kommenden Jahren Lehrkräfte altersbedingt ausscheiden werden. Die zukünftige Personalplanung wird die Aufgabe haben, diese Lücken zu schließen“, sagt der Stadtsprecher.
Da die Prüfung des bundesweit beachteten Urteils noch laufe, seien Konsequenzen für das Personal und in Folge daraus für die Gebühren der Musikschule noch nicht seriös beantwortbar, lässt Ulrich Schulze wissen. Der Betrieb der Musikschule sei über Gebühren allein allerdings ohnehin nicht kostendeckend. Der Stadtsprecher versichert aber: „Ziel der Verwaltung und der Politik war es immer, die Gebühren in einem Rahmen zu halten, die für breite Teile der Stadtgesellschaft erschwinglich sind. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern“.