Bottrop. Ein absolutes Top-Abitur hat Jonas Lartz 2023 in Bottrop gemacht. Er ist dennoch nicht sofort an die Uni gegangen, sondern engagiert sich sozial.
Das Abi war richtig Stress für Jonas Lartz. Nicht, weil der damals 17-Jährige sich besonders schwergetan hat mit dem Lernen, nicht, dass er überhaupt sehr viel büffeln musste. Aber er habe sich sehr viel Druck gemacht, sagt er ein Jahr nach den Prüfungen. 850 Punkte wollte er unbedingt schaffen – 847 sind es geworden und damit einer der besten Abschlüsse in Bottrop. Heute kann Jonas gelassener zurückblicken. Dabei geholfen hat ihm sein Bundesfreiwilligendienst bei der Diakonie.
Im Werkshaus 1 ist es am Morgen erstaunlich ruhig. Ein Dutzend Menschen sitzt hier an den Werkbänken, sortiert Schrauben, verpackt sie in Tüten, wiegt sie ab. Es ist eine Einrichtung der Diakonie für Frauen und Männer mit psychischen Beeinträchtigungen. Ihnen soll hier eine Routine gegeben, ein Arbeitsalltag vermittelt werden.
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Einer von ihnen ist Tobias. Mit ihm kann Jonas auch anspruchsvollere Aufgaben bewältigen. Gerade prüfen sie elektronische Therapiegeräte auf Funktionalität. Mit einem Spannungsprüfer geht Tobias von Schraube zu Schraube, testet, ob sie unter Strom stehen. Ruhig erklärt im Jonas, was er machen muss, wie die Anschlüsse richtig sitzen.
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Bottroper Top-Abiturient will Psychologie studieren
Jonas will Psychologie studieren, das ist ihm schon lange klar. Sein Ziel: ein Kassensitz, die eigene Praxis. Mit seinem Top-Abi, das rechnerisch ein 0,9-Abschluss ist, standen ihm im vergangenen Jahr alle Wege offen. Er schrieb sich an der Universität Münster ein, bekam den Studienplatz. „Aber das hat sich irgendwie unvollständig angefühlt“, sagt der Bottroper, der sein Abitur am Josef-Albers-Gymnasium zusammen mit Benedikt Schranz, dem besten Absolventen 2023 gemacht hat. „Meine Freunde waren alle noch hier und ich hatte auch erstmal genug vom Lernen.“
Er ließ sich zurückstellen an der Uni Münster, entschied sich für soziale Arbeit, die noch dazu etwas mit seinem künftigen Beruf zu tun hat: im Werkhaus 1. Seit 1990 betreibt die Diakonie Werkstätten für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Sie sind völlig unterschiedlich beeinträchtigt. Für Jonas, der im September mit dem Bundesfreiwilligendienst begonnen hat, ist es eine Herausforderung, mit den Gesamteindrücken umzugehen.
„Ich hatte nicht die Übung, auf Menschen zuzugehen“, sagt der 18-Jährige. Viele haben eine ergreifende Vergangenheit, „echte Brocken“ sind es, die sie emotional mit sich tragen. „Ich kann nicht immer helfen“, sagt Jonas, der versucht, das nicht zu sehr an sich heranzulassen. Was ihm die Arbeit lehrt, ist Demut: „Ich merke: Du hast massivst Glück, wie dein Leben ist, mit dem Schulabschluss, deinen Freunden, einer intakten Familie.“
Soziale Arbeit hilft Bottroper Abiturient, mit dem Leistungsdruck umzugehen
Nach der Schulzeit eine besondere Erfahrung, die Reife gibt. Und die ihm künftig dabei helfen kann, besser mit dem Leistungsdruck umzugehen. Den hatte er massiv gespürt während der Prüfungszeit vor einem Jahr. Nachdem er im ersten Halbjahr der zwölften Klasse – Jonas gehörte noch zum G8-Jahrgang – bei einem 1,3-Schnitt lag, begann für ihn der Selbsttest: Wie gut schaffst du es eigentlich?, habe er sich gefragt.
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Das sei wie ein Wettbewerb mit sich selbst gewesen. „Ich hatte ultra Schiss vor den Abi-Prüfungen“, sagt Jonas im Rückblick. Nicht, weil er sich schlecht vorbereitet gefühlt, sondern weil er sich selbst unter Druck gesetzt hat. Als er sein Zeugnis in der Hand hielt, sei er froh gewesen, „dass alles durch ist“ – auch wenn er knapp an den avisierten 850 Punkten vorbeigeschrammt ist. Für die Zeit an der Uni hofft Jonas, dass es ihm egal wird, welche Noten er schreibt. Dabei helfen ihm die berührenden Begegnungen und die Arbeit mit den Menschen im Werkshaus.