Bottrop. Jörg Hartmann, der Kommissar im Dortmund-Tatort, liest aus seinem Buch im Hürter und mischt sich unter die Gäste. Der Tatort-Parka kommt auch vor.
„Der iss ja gar nicht so.“ – „Wie denn nicht?“ – „So wie im Tatort. Nett und tolle Stimme und noch größer hätt‘ ich ihn mir vorgestellt.“ So raunt ein Pärchen im Hürter. Dabei ist Jörg Hartmann schon gut einen Meter achtzig groß. Und natürlich ganz anders als in der Rolle des Peter Faber, den er seit zwölf Jahren im Dortmunder Tatort verkörpert. Aber die Rolle haftet, mehr noch als die des Stasi-Offiziers Kupfer in der Serie „Weissensee“. Haftet, so wie der alte Parka, den er als TV-Kommissar fast immer trägt.
Kein Wunder: Ist ja auch Hartmanns eigener, gewissermaßen aus dem häuslichen Fundus. „Nein, er riecht nicht, er wird regelmäßig bei den Dreharbeiten gewaschen.“ Hartmann grinst bei diesem kleinen Detail, das aber viele interessiert.
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Dann gehts schnell zum Bücherstand, hinten, neben dem Eingang von Bottrops uriger Kneipe. Die ist so voll wie zuletzt bei der Kneipennacht. Zweimal nimmt Hartmann sich Zeit, plaudert mit den Leuten, leutseliger, als es der eigenwillig-verschlossene Peter Faber je tun würde – und signiert sein Buch „Der Lärm des Lebens“.
Abschluss am Kultort: Lesereise durchs Revier mit dem Literaturbüro Ruhr
Deswegen ist er nach Bottrop gekommen, zum Abschluss der Lesereise durchs Revier, die das Literaturbüro Ruhr (hier mit der Stadtbibliothek) organisiert hat. Klar, man hätte auch einen Saal füllen können, wie nebenan in Gladbeck. Aber man hat sich bewusst für diesen Ort Hürter entschieden, der irgendwie für das alte, typische Ruhrgebiet steht, das schon lange langsam verblasst.
Was er liest, ist seine Geschichte, die seiner Familie, aus Herdecke an der Ruhr. In Bottrop muss man kurz überlegen. Ach ja, da unten. Mit Ochtrup kann man da schon eher was anfangen. Hartmann erzählt eine Episode aus dem Familienleben, in dem das Städtchen im Münsterland eine Rolle spielt. Und tatsächlich ruft jemand aus dem Publikum „Ich komm‘ von da“. So etwas steht in keinem Drehbuch.
Aber Antje Deistler vom Literaturbüro Ruhr möchte auf der Bühne nicht nur „Dönekes“ anmoderieren. Es geht immer wieder um das Buch, wie Corona und die Demenz des Vaters den Anstoß dazu gaben, was es denn nun eigentlich sei. Autobiografie? Klingt dem Herdecker (inzwischen Wahl-Potsdamer) irgendwie zu eitel. Erinnerungen in Prosa, Roman, das schon eher.
Buch steckt auch voller Erinnernungen an die „reiche, kleine Bundesrepublik“
Wie Hartmann, Jahrgang 1969, darin die Erinnerungen an Kindheit und Jugend „wie im gemachten Bett“ in der „reichen, kleinen Bundesrepublik“ erzählt, können so vielleicht Hundertausende dieser Generation nachvollziehen. Kleine Verhältnisse, aber man hatte alles, keine Not, Sicherheit, keine „Psychopathen und Verbrecher an der Macht“, wie es Hartmanns Großeltern noch erlebt haben, die als „Taubstumme“, wie es damals hieß, bei „Adolf auf der Liste“ gestanden haben und mit Glück und teilweise geschützt von einer kleinen, nicht anonymen Gemeinschaft, die Diktatur überlebt haben.
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Es sind diese Kapitel, in denen der Autor Jörg Hartmann die historischen Zeitebenen kunstvoll verschränkt, Komisches neben aus heutiger Sicht Ungeheuerliches rückt und so zwischen Familien- und Regional- auch immer wieder Zeitgeschichte aufscheinen lässt. Dann war es auf einmal ganz still in der proppevollen Kneipe.
Daher hier auch noch einmal die Kurzempfehlung: Jörg Hartmann, Der Lärm des Lebens, erschienen bei Rowohlt, 24 Euro (Auch als Hörbuch und E-Book). Erhältlich zum Beispiel in der Humboldt Buchhandlung, Kirchhellener Straße.