Bottrop. Seit 2011 sorgt Ramona Fleer für gepflegtes Bottroper Kneipenflair im Traditionslokal Hürter an der Gladbecker. Besuch bei einer Kult-Wirtin.

Hürter mit Fleer, das ist im Dunstkreis der Gastromeile fast schon ein geflügeltes Wort. Denn die Traditionskneipe, die die damalige Gründerfamilie vor 67 Jahren auf die Gladbecker Straße verlegte, hat bis heute nicht nur ihren altmodisch-kuscheligen Charme behalten, sondern eben auch das typische Kneipen-Flair, das anderswo leider mehr und mehr verschwindet. Seit zehn Jahren gelingt es Ramona Fleer - eingefleischten Bottropern muss man das nahe liegende Wortspiel Fleer-Flair nicht mehr erklären - diese Atmosphäre zu pflegen, behutsam zu erneuern, etwa durch Live-Konzerte und Partys, und dennoch Hürter einfach Hürter bleiben zu lassen.

Bottroper Kultkneipe mit Wurzeln bis 1877

Die Zutaten sind einfach aber ehrlich. Das fängt bei der berühmten hausgemachten Frikadelle an, setzt sich fort über Schnitzel frisch aus der Pfanne, zwei Pilssorten vom Fass (Stauder muss dabei sein) bis zu den tollen Muscheln, deren Saison im Hürter gerade begonnen hat. Tradition heißt aber auch Beständigkeit. Seit Änne und Johannes Hürter das Lokal, das immerhin seit 1877 besteht, 1954 vom Altmarkt an die Gladbecker Straße verlegten, hat es erst zwei Inhaberwechsel geben. Da ist der stadtbekannte Ossi Maier, der 1976 das Hürter von Familie Hürter übernimmt. Und 2011, als Ossi Maier gesundheitsbedingt aufhört, steht Ramona Fleer in den Startlöchern. Die Marlerin kennt Bottrops Kneipenszene und das Hürter da bereits aus ihrer Zeit in der alten Mühle, nur einen Steinwurf entfernt.

Von der Theke aus das Hürter und seine Gäste im Blick: Ramona Fleer, die Seele des Hauses, führt sei zehn Jahren die Bottroper Traditionsgaststätte an der Gladbecker Straße.
Von der Theke aus das Hürter und seine Gäste im Blick: Ramona Fleer, die Seele des Hauses, führt sei zehn Jahren die Bottroper Traditionsgaststätte an der Gladbecker Straße. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Von Anfang an steht fest: Das Hürter-Flair mit seinem 50er-Jahre-Charme will sie beibehalten. Neu sind damals die Partys, es gibt sogar Welcome-Partys für Studenten, Band-Auftritte, der Biergarten wird immer wieder erweitert, hübsch gestaltet. Was bleibt: die geschwungenen Theke, Fensternischen, Stammtische, Vereine. „Und wenn ich heute sehe, dass auch junge Leute um und in den 20ern hierher kommen, quatschen, Karten spielen, dann geht mir das Herz auf, es ist eben nicht nur mein Wohnzimmer“, sagt die Wirtin. Frauengruppen treffen sich zum Essen, Karnevalisten, die Schützen von der Alten Allgemeinen, Fußballfans - auch wenn Bottrop längst nicht so Blauweiß ist, wie vor Jahren noch. „Sky haben wir auch nicht mehr, aufgrund der tollen Leistung.“ Den Stich kann sich Ramona Fleer nicht verkneifen. Aber die Reihe „Hermann’s Heimspiel“ gibt es immer noch. Und die Partys kommen jetzt wieder.

Gehört ebenfalls seit zehn fest zum Hürter-Team: Dane Migeod. Inzwischen wohnt er sogar über der Kneipe - kürzer kann der Weg zum Arbeitsplatz kaum sein.
Gehört ebenfalls seit zehn fest zum Hürter-Team: Dane Migeod. Inzwischen wohnt er sogar über der Kneipe - kürzer kann der Weg zum Arbeitsplatz kaum sein. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

So etwas wie Corona hat Ramona Fleer in ihrem ganzen Berufsleben - 39 Jahre davon in der Gastronomie - noch nie erlebt. Hoch und kleine Zwischentiefs: „Das ja, aber nicht ein Quasi-Arbeitsverbot für ganze Branchen und Berufsgruppen“, so die gelernte Hotelfachfrau, die aber auch eine Erzieherinnenausbildung hinter sich hat. Wie so viele andere in Gastronomie auch, muss sie erstmal wieder Personal (zurück)gewinnen. Nicht so einfach, daher auch die momentan reduzierten Öffnungszeiten.

Seit zehn Jahren fest dabei: Dane Migeod. Für die Stammgäste ein bekanntes Gesicht, nicht nur hinter der Theke. Kurz nach der Übernahme durch Ramona Fleer stößt er dazu. „Und mittlerweile wohne ich sogar oben über dem Lokal, praktischer geht’s nicht“, sagt Dane und lacht durch die Plexiglas Abtrennungen, die noch während des Lockdowns installiert werden, ebenso wie die großen Hochfrequenz-Luftreiniger, die keim- und virenfreies Atmen ermöglichen sollen.

Nicht nur Wirtin - auch Imkerin, Erzieherin und frisch gebackene Waldbaden-Therapeutin

Natürlich hat Ramona Fleer „ihr“ Hürter im Lockdown vermisst, sich Sorgen um die Zukunft gemacht. Aber Langeweile, Durchhänger? „Nein, überhaupt nicht. Ich habe angefangen, zu imkern, habe in Marl inzwischen fünf Völker und der Honig ist toll“, schwärmt die Wirtin. Außerdem hat sie noch eine Ausbildung zur Waldbaden-Therapeutin gemacht, viel gelesen. Das Leben bietet so tolle Möglichkeiten.

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Aber sie hat auch gemerkt, wie sehr sie am Hürter und den Gästen hängt, die ja ihre Gäste sind. „Für euch alle machen wir das doch hier“, sagt sie leise im Gespräch und blickt auf die Eintretenden, die schon am frühen Abend hereinkommen. Und das spürt man. Und das soll möglichst noch viele Jahre so bleiben.

Party in der Reihe „Bottrop live“

Zehn Jahre „Hürter mit Fleer“ wird gefeiert: Am Samstag, 9. Oktober, 21 Uhr, ist die Eddie Kold-Band mit ihrem Southern-Soul-Sound zu Gast im Hürter. Damit ist die Kultkneipe an der Gladbecker Straße 19a Teil der von der Stadt geförderten Reihe „Bottrop live“.

Am 13. November gibt es eine „Karneval-Warming-Up-Party und am 29. November ist Journalist Hermann Beckfeld wieder mit der Reihe „Hermanns Heimspiel“ zu Gast im Hürter. Info: hürter-bottrop.de.