Bottrop. Hürter steht seit 1954 für urige Gastlichkeit an der Gladbecker Straße. Dabei ist das Geschichte es Wirtshauses noch viel älter.

Im Grunde sind die Zutaten so einfach: Urige Atmosphäre, mindestens zwei Pilssorten vom Fass, eine ehrliche Küche (die natürlich schmecken muss) und hinterm Tresen Menschen mit Herz und Gespür für das, was gute Gastlichkeit ausmacht. Klingt nach traditionellem Wirtshaus oder eben nach Hürter. Das ist inzwischen seit 1954 „auf‘m Platz“. Als Ort für unzählige Fußball-Talks darf man das so formulieren.

Auf diesem Platz, muss es eigentlich heißen, an der Gladbecker Straße 19a: Vor 70 Jahren verlegen nämlich die Wirtsleute Änne und Johannes Hürter ihr Wirtshaus von der Horster Straße an die heutige Gastromeile. Man ahnt es: Was heute einfach „das Hürter“ heißt, ist also eigentlich noch viel älter. Einen Vorgängerbetrieb gibt es bereits 1877 an der Horster Straße 5 ganz nah beim Altmarkt. Diese Konzession habe dann 1930 Johannes Hürter übernommen und ihre Großeltern seien 1954 eigentlich nur umgezogen. So erzählte es Doris Ohm vor einigen Jahren der WAZ und freute sich, dass so bis heute der Name ihrer Großeltern in Bottrop nicht nur lebendig ist, sondern immer noch einen guten Klang hat.

Optisch hat das Lokal viel vom 50er-Jahre-Charme behalten

Selbst optisch hat das Hürter immer noch Wiedererkennungswert. Die sanften Bögen der Fenster, so manche Tür, große Teile der Holzausstattung, im Kern sogar die Theke verströmen das urige Flair der 50er und 60er Jahre, das lange als verstaubt und nicht überlebensfähig galt, heute aber wieder Kult ist. Nicht zuletzt dank einer Wirtin, die als Hotelfachfrau nicht nur weiß, wie es organisatorisch und in den Geschäftsbüchern auszusehen hat, sondern wie man das Flair eines solchen Ortes erhält und trotzdem behutsam entwickelt.

Familie Hürter hinter der neue Theke. 1954 hatte die Eigentümerfamilie die Gaststätte von der Horster an die Gladbecker Straße 19a verlegt.
Familie Hürter hinter der neue Theke. 1954 hatte die Eigentümerfamilie die Gaststätte von der Horster an die Gladbecker Straße 19a verlegt. © WAZ FotoPool | Heinrich Jung

Beim Blick in den Gastraum denkt man gleich an einen Satz von Franz-Josef Reidick, selbst Spross einer eingesessenen Gastwirtsfamilie an der Kirchhellener- / Einmündung Parkstraße: „Hätten wir das Gasthaus unserer Eltern mit seiner größtenteils originalen Inneneinrichtung nicht abgerissen, es wäre heute Kult.“ Ältere Bottroperinnen und Bottroper erinnern sich gerne an das Haus mit Terrasse zum Stadtgarten, das um einiges größer war als Hürter. Statt „Gastwirtschaft Reidick“ steht heute dort ein Eckhaus mit Wohnungen.

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Bei Hürter kommt es zum Glück anders. Als die Besitzerfamilie aufhört, dreht man 1976 den Zapfhahn nicht zu, sondern übergibt an einen Nachfolger: Ossi Maier. Er starb noch währed des letzten großen Lockdowns in der Corona-Pandemie. Ossi hält ein Vierteljahrhundert die Stellung an der Gladbecker, führt das Hürter als Vereins- und Fußballkneipe mit Stammtisch und Küche durch die Jahre, in denen Event-Gastronomie mit neuen Konzepten viele Traditionskneipen alt aussehen lässt.

Traditionskneipe ist inzwischen selbst zum Konzept oder sogar zu einer Philosophie geworden, die man immer wieder mit neuem Leben füllen muss.
Ramona Fleer - Seit 2011 Inhaberin des Hürter

Aber: „Traditionskneipe“ ist mittlerweile selbst ein Konzept geworden. „Oder eine Philosophie, die man immer wieder mit neuem Leben füllen muss“, wie die engagierte Wirtin sagt. Das hat Ramona Fleer rechtzeitig erkannt, als sie 2011 den Laden von Ossi Maier übernimmt. „Hürter mit Fleer“ und Flair ist inzwischen fast schon ein gängiges Wortspiel geworden.

1976 verpachteten die Eigentümer das Wirtshaus – seither gab nur zwei Pächter

Zum Flair gehört auch, dass sich alle Generationen im Hürter treffen. „Eine Familie feiert hier 90-Jähriges, also die Eltern werden 40, das Kind zehn Jahre, die kommen mit der ganzen Familie, andere feiern hier ihren Ausstand“, erzählt Ramona Fleer. Es kommen Studenten, junge Leute, es wird gekniffelt, Frauengruppen reservieren hinten im Saal, Schützen, Karnevalistinnen und Karnevalisten, Pohlbürger vom Stammtisch bis hin zum festen Stamm am Tresen. „Das wird aber etwas weniger, zumindest verändert sich das“, sagt die Wirtin.

Hürter als Fußballkneipe: Hier bei der WM 2014 am Tisch mit „Bottrop-Schreiber“ Hermann Beckfeld (2.v.l.).
Hürter als Fußballkneipe: Hier bei der WM 2014 am Tisch mit „Bottrop-Schreiber“ Hermann Beckfeld (2.v.l.). © Winfried Labus/WAZ-FotoPool | Winfried Labus

Das Mittags- oder Nachmittagsbierchen wie früher gibt es einfach so nicht mehr. Das spüren die Gäste auch bei den Öffnungszeiten. Sonntag bis Dienstag geschlossen – außer zu Karneval natürlich. Rosenmontag, Veilchendienstag zu? Geht ja gar nicht für eine Kneipe, zumal, wenn die auf der Gastromeile liegt. Live-Musik, Partys, Veranstaltungen: Das gehöre im Gegensatz zu früher heute auch zu einer Traditionskneipe. Ebenso, wie gutes Essen.

Schnitzel aus der Pfanne und hausgemachte Frikadellen

Da muss sich das Hürter nicht verstecken. „Mit Linde Schewitz haben wir einen wahren Schatz in der Küche“, sagt Ramona Fleer. Sie habe schon bei ihrem Vorgänger die Küche geschmissen. Schnitzel? Fast schon legendär. Frisch aus der Pfanne, frittiert werden bei Hürter nur Pommes frites. Wenn Neu-Gäste eine Mail schreiben und die Schnitzel loben, sei das schon „klasse“.

Aber auch Hürters (also Lindes) Frikadellen sind der Klassiker schlechthin. „Dabei könnte Linde schön seit 15 Jahren in Rente sein, aber zuhause fiele ihr die Decke auf den Kopf“, wie die Chefin, die genau 20 Jahre jünger ist als Linde, uns glaubhaft versichert. Ohnehin lässt Ramona Fleer auf ihr Team aus den drei Festen und derzeit elf Minijobbern nichts kommen. „Die sind toll und beliebt.“

Wird denn groß Jubiläum gefeiert? „Ja, aber später, im Oktober haben wir dann schon etwas vor“, sagt die Wirtin. Jetzt sei ja erstmal Karneval. Eines der Hochfeste, wie es sich für eine Traditionskneipe eben gehört.

Mehr Infos auf: hürter-bottrop.de