Bottrop. Mit vereinten Kräften stemmen sich in Bottrop Sozialamt, evangelische Sozialberatung und „Haus und Grund“ gegen Wohnungslosigkeit.

Es kann schneller gehen, als man denkt. Der Gang zur Behörde, das Antworten auf amtliche Schreiben, das Verfassen von Anträgen ist untergegangen. Hilfsleistungen fließen nicht mehr, der Strom wird abgestellt, Schulden und Mietrückstände häufen sich an. Als der Mensch, der mit all dem konfrontiert und völlig überfordert ist, bei Sozialarbeiter Uwe Wawrzyniak landet, ist ihm schon die Räumungsklage zugestellt worden. Wenn jetzt nichts passiert, fliegt er aus der Wohnung.

Das zu verhindern, dafür engagieren sich Uwe Wawrzyniak und seine Kollegin Saskia Lütgerhorst in der durchs Land geförderten Initiative „Dach und Fach“. Hier finden Menschen, denen der Verlust der Wohnung droht oder die bereits ohne eigene Wohnung sind, unbürokratisch Hilfe. Verstärkung erfährt die Initiative jetzt durch eine feste Kooperation mit dem Eigentümerverein „Haus und Grund“.

Sozialplaner: Immer mehr Menschen in Bottrop sind von Wohnungslosigkeit bedroht

Zu den Kooperationspartnern, die gemeinsam Wohnungsnot bekämpfen wollen, zählen außerdem das Sozialamt und die Evangelische Sozialberatung (ESB). In Bottrop, sagt der Sozialplaner Moritz Brunecker, sind immer mehr Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen. Nur: Man sieht sie nicht. Obdachlose, die tatsächlich auf der Straße leben, zählt die ESB als etablierte Anlaufstelle für Menschen ohne eigene Postadresse drei oder vier pro Jahr.

Saskia Lütgerhorst ist Sozialarbeiterin in der Initiative „Dach und Fach“ in Bottrop.
Saskia Lütgerhorst ist Sozialarbeiterin in der Initiative „Dach und Fach“ in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Zahl der Menschen aber, die keine eigene Wohnung haben und stattdessen mal hier bei Verwandten übernachten, mal dort bei Bekannten unterkommen, steige. „Letztes Jahr haben wir die 400er-Marke überschritten“, berichtet Diplom-Sozialarbeiterin Michaela Bosy von der ESB. „In diesem Jahr rechnen wir mit 420 bis 430 Menschen, die wohnungslos sind.“

Ein großes Anliegen der ESB sei es, möglichst ein Frühwarnsystem zu schaffen. Je eher die Berater der ESB oder die beiden Kümmerer von „Dach und Fach“ von Mietschulden oder anderen Nöten Kenntnis erhielten, desto besser könnten sie helfen. Hier können zum Beispiel die Mitglieder von „Haus und Grund“ ins Spiel kommen, die Unregelmäßigkeiten früh bemerken und Kontakt zwischen Mietern und Beratern vermitteln können.

Ob nun auffällt, dass ein Postkasten überquillt, dass es plötzlich Konflikte gibt oder dass die Miete einfach ausbleibt: Wenn Vermieter wissen, an wen sie und ihre Mieter sich wenden können, kann die Eskalation möglicherweise verhindert werden. „Wenn der Zwangsräumungstermin da ist und der Lkw erst vor der Tür steht, ist es zu spät“, sagt Oliver Balgar, Abteilungsleiter der diakonischen Einrichtungen.

„Dach und Fach“ bietet eine niedrigschwellige Anlaufstelle bei Wohnungslosigkeit

Hinter der Tatsache, dass die Miete nicht mehr gezahlt wird, könnten unterschiedlichste Ursachen sehen, verdeutlicht auch Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert: Jobverlust, Sucht, psychische Erkrankungen, Schulden. Über die Kümmerer können Hilfen für all diese Probleme vermittelt werden. Der Ansatz ist ganzheitlich. Die Sozialdezernentin findet es wichtig, dass es mit „Dach und Fach“ eine niedrigschwellige Anlaufstelle gibt. Ein Amt aufzusuchen stelle nämlich für viele Menschen eine Hürde dar.

Die richtet den Fokus zudem auf den Anteil der alleinstehenden Frauen an den Menschen ohne eigene Wohnung. „Wir können uns vorstellen, dass so eine Situation gerade für Frauen von besonderen Verletzlichkeiten begleitet ist“, so Alexius-Eifert.

Darüber hinaus sind die privaten Eigentümer von „Haus und Grund“ angesprochen, Wohnraum gezielt für Menschen in Not anzubieten. Immerhin zählt der Bottroper Eigentümerverein fast 2500 Mitglieder, wobei jedes über vier bis sechs Wohneinheiten verfüge, erläutert der Vorsitzende Walter Eilert.

Er ist überzeugt davon, dass die „Haus und Grund“-Mitglieder gerne an Lösungen im Sinne des Projektes mitarbeiten. „Unsere Mitglieder möchten mir ihren Mietern ein einvernehmliches, auskömmliches Verhältnis haben“, so Eilert.

Infos/Kontakt: dachundfach-bottrop.de; esb-bottrop.de