Bottrop. Das Stadtprinzen- und das Kinderprinzenpaar müssen für eine Session tief in die Tasche greifen. Was Orden, Ornate und Süßigkeiten kosten.
Die Närrinnen und Narren in Bottrop lassen sich die Session einiges kosten. Wegen gestiegener Preise ist Karneval inzwischen ein teures Vergnügen. Die Kassen der Gesellschaften sind klamm. Ohne Sponsoren läuft fast nichts in Bottrops fünfter Jahreszeit.
Das zeigt sich vor allem in der aktuell heißen Phase. Die Session steuert mit großen Schritten auf den Höhepunkt, den Rosenmontagszug, zu. Die Große Karnevalsgesellschaft (GKG) wird mit drei Wagen an den Start gehen. Unterstützung erhält sie von der Vereinten Volksbank über eine Crowdfunding-Aktion. Unterstützer können über diese Plattform mit Geld helfen.
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Denn die GKG hat ein großes Ziel: Man will zwei große Festwagen mit Wurfmaterial beladen, um schließlich die Süßigkeiten beim Umzug unter das Bottroper Narrenvolk zu bringen. Mehr als 2200 Euro sind bis jetzt (2. Februar) gespendet worden. Diese Summe deckt aber nicht einmal ansatzweise die Kosten.
Zum Beispiel stellt die GKG mit Jonas II. und Nele I. das diesjährige Kinderprinzenpaar. Michelle Lenk, Mutter von Jonas, ist 2017/18 Stadtprinzessin gewesen. Als Michelle I. regierte sie mit Prinz Ralf I. (Jörgens), damals für die Kleine Karnevalsgesellschaft, das Narrenvolk.
Zu den Kosten der Ornate von Jonas und Nele sagt sie: „Beide Ornate zusammen mit Kopfschmuck, da sind wir bei knapp 5200 Euro.“ Hinzu kommen mehrere Hunderte Kinderprinzen-Orden für circa 2500 Euro – eigens für Nele und Jonas angefertigt. Nicht zu vergessen: Karnevals-Pins, Festschriften etc. Die Kosten für die Session des Kinderprinzenpaares, ohne finanzielle Beteiligung der Gesellschaft, betragen schätzungsweise 13.000 Euro.
Qualität kostet Geld. Beide mussten Modell stehen. Ihre Ornate sind Maßanfertigungen. Hergestellt von einem Fachmann für derartige Kleidungsstücke in Salzkotten, wenige Kilometer vor Paderborn. Und nicht nur für die Ornate nehmen die Jecken viele Kilometer in Kauf. Das Wurfmaterial kaufte die GKG im Handelshof in Ratingen und in Bocholt.
GKG am Rosenmontagszug: Wurfmaterial ist in kleinen Tüten verpackt
Anschließend wurde in unzähligen Arbeitsstunden für den Rosenmontagszug gebastelt. „Wir haben uns dazu entschlossen, keine losen Bonbons zu werfen“, sagt Michelle Lenk. Lutscher sollen wegen des Stiels nicht alleine vom Wagen fliegen. Zu groß ist das Risiko, dass jemand davon verletzt wird – zum Beispiel am Auge. Auch Bonbons fallen nicht einsam auf das Narrenvolk hernieder.
Wenn sie nicht gefangen werden, bleiben sie auf der Straße oder in den Büschen liegen. Das möchte die GKG verhindern. Deshalb hat man diverse Utensilien (Luftschlangen, Konfetti, Lollis, Bonbons usw.) in unzählige Tütchen verpackt. Diese sind leichter zu fangen und werden vermutlich vom Narrenvolk eher vom Boden aufgehoben. „Wir hoffen, dass dadurch weniger Wurfmaterial in den Kehrmaschinen der Best landet“, sagt Lenk. Schließlich kosten die Produkte im Einkauf richtig viel Geld. Und nicht nur das.
„Es ist gar nicht so leicht, an Wurfmaterial zu kommen“, sagt Michelle Lenk. Die Zeiten, in denen sich die Gesellschaften im Metro-Großmarkt, wie in Essen, eindeckten, sind jedenfalls vorbei. Bei Metro wird kaum bis gar nichts mehr angeboten, so Lenk.
Wer also Bonbons, Lutscher, Popcorn und Co. bekommen möchte, muss frühzeitig planen. Niemand weiß das besser als Heiko II.. Gemeinsam mit Melanie I. bildet er das amtierende Stadtprinzenpaar von der Kleinen Karnevalsgesellschaft. „Wir sind nach Köln gefahren“, sagt der Prinz. Man musste sogar zweimal hinfahren.
Beim ersten Mal ist man etwas spät dran. Der Prinzenbus erreicht den Großmarkt knapp anderthalb Stunden nach Ladenöffnung. Mit der Folge, dass manche Süßwaren nicht mehr erhältlich sind. Trotzdem wird der Prinzenbus „bis unters Dach“ vollgepackt.
Beim zweiten Mal ist man früher vor Ort, eine halbe Stunde vor Ladenöffnung. Den Plan haben andere Gesellschaften aus Köln und der Region jedoch auch gehabt. „Wir mussten uns in eine Schlange stellen“, erinnert sich Heiko II. Die Wartezeit hat sich gelohnt. Die gewünschten Produkte sind vorrätig und werden gekauft. Erneut passt nach dem Einpacken des Wurfmaterials kaum ein Blatt Papier in den Prinzenbus.
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Wie viel Kilogramm tatsächlich eingekauft wurden, kann Heiko II. schwer schätzen: „Vielleicht bis zu einer Tonne?“ Es sei deshalb schwer zu sagen, weil unter anderem Chips-Tütchen, Mäusespeck und Popcorn-Tüten vom Volumen her viel Platz wegnehmen, aber kaum etwas wiegen. Der Warenwert des Wurfmaterials liegt bei rund 5000 Euro, die Summe teilt sich das Prinzenpaar.
Der Preis der Ornate, auch Spezialanfertigungen, des Stadtprinzenpaares dürfte ungefähr in dem Bereich des Kinderprinzenpaares liegen. Heiko II. schätzt, dass man für eine Session als Stadtprinzenpaar für eine Stadt in der Größe von Bottrop mit rund 30.000 Euro rechnen kann.
Und auch hier lässt sich sagen: Ohne Sponsoren und Spenden läuft nichts. Deshalb ist das Prinzenpaar nahezu täglich unterwegs. Unter anderem im Autohaus Borgmann an der Kirchhellener Straße bei der Premiere des „Ersten Bottroper Prinzenknüppel“.
Die Aktion erinnert an eine Tradition aus Lateinamerika. In dem Bottroper Fall schlägt das Prinzenpaar mit verbundenen Augen auf eine bunte, hängende Piñata. Wenn sie mit Knüppelschlägen zerstört ist, fallen Süßigkeiten aus ihr heraus – gespendet natürlich von einem Sponsor.
Der Premiere soll eine Fortsetzung erleben. „Es wäre schön, wenn wir damit eine neue Tradition im Bottroper Karneval schaffen und diese Veranstaltung auch mit künftigen Prinzenpaaren etablieren“, sagt Heiko II. Es ist für ihn und Melanie I. nur einer von mehr als Hundert Terminen in der Session.
„Wir genießen die Zeit. Und der Umzug ist der glorreiche Abschluss“, sagt Heiko II. „Das Feiern ist schön, aber jetzt kommen die emotionalen Auftritte.“ Besuche in Seniorenzentren, Behindertenwerkstätten und auch im Hospiz stehen auf dem Programm. „Das sind die Momente, die man sein Leben lang nicht vergisst.“