Bottrop-Kirchhellen. Christian Schmidt übernimmt den Standort an der Hauptstraße 73 in Kirchhellen. Sie ist historisch das fünfte Postgebäude im Dorf.

Was derzeit passiert im ehemaligen Ladenlokal von Elektro Schuffert an der Hauptstraße 73, das bezeichnen Michael Schuffert und Christian Schmidt als „geregelte Übergabe“. Nach 37 Jahren als Inhaber des Elektrogeschäftes geht Schuffert in den verdienten Ruhestand. Schmidt zieht mit seinem Musikgeschäft dort ein und wird auch die Postagentur weiterführen. Damit wird neben der Alten Post eine mindestens 160-jährige Post-Tradition in Kirchhellen weitergeschrieben.

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Michael Schuffert hat den Elektroladen 1986 übernommen. „Der Betrieb besteht aber schon seit 1956“, sagt er; vor seiner Zeit als Sanitär- und Elektrobetrieb Söller. Der Stiftung, die die Familie Söller ins Leben gerufen hat, gehört das Haus bis heute.

In den letzten Jahren hat es die städtische Wohnungsbautochter GBB ausgebaut, um das Kapital der Stiftung zu stärken. Die Söller-Stiftung soll der Verbesserung der Gemeinschaft im Dorf dienen. Deshalb unterstützt sie den Verein „Natürlich Kirchhellen“ bei seinen Tagesfahrten für Senioren durch die Ortsteile und den Heimatverein bei seinen Seniorennachmittagen in der Tenne von Hof Jünger.

Die „Postfiliale 507“ im Erdgeschoss des Söller-Hauses an der Ecke Hauptstraße/Kirchhellener Ring.
Die „Postfiliale 507“ im Erdgeschoss des Söller-Hauses an der Ecke Hauptstraße/Kirchhellener Ring. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Jetzt übergibt Schuffert Ladenlokal, Postfiliale und Personal an Christian Schmidt. Der war mit seinem Musikgeschäft „Backbeat Music“ erst elf Jahre an der Hauptstraße 1 gegenüber von Bäcker Schollin und betrieb seinen Laden elf weitere Jahre auf der anderen Seite der Kirche St. Johannes. Dass er die Postagentur übernimmt, liegt in seinem eigenen Geschäftsinteresse, sagt er. Einen großen Teil seines Umsatzes macht er inzwischen im Versandhandel. „Wenn ich jetzt eine Gitarre verkaufe, packe ich sie in die große Gitterbox – und schon geht sie auf die Reise zum Kunden.“

Sein Ziel für das Geschäftsfeld Päckchen und Pakete definiert er so: „Ich will die Leute von der Packstation zurückholen.“ Statt an die Packstation sollen sich die Kirchhellener ihre Pakete schicken lassen an die „Postfiliale 507“. Um den Service für die Kunden zu verbessern, hat er schon eine Neuerung eingeführt: „Ab sofort haben wir durchgehend geöffnet.“ Das honorierten die Kunden sofort durch rege Frequenz über Mittag.

Die ältesten Postgebäude Kirchhellens an der Bottroper Straße: Vorn die heutige „Alte Post“, dahinter das spätere Kaiserliche Postamt.
Die ältesten Postgebäude Kirchhellens an der Bottroper Straße: Vorn die heutige „Alte Post“, dahinter das spätere Kaiserliche Postamt. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Damit wird in Kirchhellen eine Post-Tradition fortgeschrieben, die je nach Betrachtungsweise 190 oder 160 Jahre zurückreicht. 1832 hatte Kirchhellens (und Bottrops) legendärer Bürgermeister Wilhelm Tourneau die preußische Post endlich so weit, dass sie nicht mehr von Kirchhellen verlangte, die üble Sandpiste Postweg auf Vordermann zu bringen, sondern die Postkutsche durch Kirchhellen Richtung Dorsten schickte. Triumphierend notierte Tourneau in seiner Chronik: „Mit 1. July wurde die alte Poststraße verlassen und jene über Kirchhellen in Benutzung genommen.“

1863 bekam Kirchhellen dann endlich seine eigene Poststation, wenn auch zunächst nur als „Postexpedition II. Klasse“ in dem Gebäude an der Bottroper Straße, in dem heute das Restaurant „Alte Post“ zum Speisen einlädt. 1909, Kirchhellen und sein Postverkehr waren ordentlich gewachsen, zog die Post ein Häuschen weiter und wurde zum „Kaiserlichen Postamt“.

Was kaum jemand weiß in Kirchhellen: Insgesamt gab es vier Gebäude im Dorf, die den Titel „Alte Post“ beanspruchen konnten. Doch eines davon steht schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr: Es war eine alte Holzbaracke an der Hauptstraße neben der früheren Brennerei Körner, dem heutigen Jugendkloster. Es war eine Not- und Zwischenlösung, weil Oberpostdirektion und Gemeinde sich lange nicht einigen konnten in den 1920er Jahren über den besten Standort für ein neues Postgebäude. Näher am Bahnhof oder näher am Dorfkern?

Schnapsbrenner beendet den Standort-Streit in Kirchhellen

Kirchhellens Brennereibesitzer Körner beendete den Streit durch ein Angebot, das die hohen Herren von der Post nicht ablehnen konnten: Er schenkte ihnen 1000 Quadratmeter Grund an der damaligen Bahnhofstraße. Deshalb eröffnete die Post dort Ende 1927, deshalb steht auch an der Hauptstraße 75 heute eine „Alte Post“. Bis 2008 war dort das Postamt, dann übernahm Schuffert nebenan als Postfiliale.

„Backbeat Music“, Hauptstraße 73. Geöffnet: Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr, Samstag 9 bis 12.30 Uhr.