Bottrop. Martin Porwoll deckte den Apothekerskandal auf, der Bottrop weiter bewegt. Heute setzt er sich für ein Denkmal für die Opfer ein. Und noch mehr.
Sieben Jahre ist es bereits her, dass der Apothekerskandal in Bottrop aufgedeckt wurde, aber er bewegt die Menschen in unserer Stadt immer noch, wie der Besuch beim Gespräch zwischen Whistleblower Martin Porwoll und „Bottcaster“ Piet Metzen beweist. Im „Stück.gut“ im katholischen Gemeindezentrum erläuterte Porwoll am Mittwochabend seine Motivation zur Aufdeckung des Betrugs, die Folgen für ihn selbst und seine Ideen zu einem Denkmal für die Opfer und einem möglichen Bottroper Whistleblower-Preis.
Whistleblower im Apothekerskandal Bottrop: „Nur eine Kugel im Revolver“
Porwoll hatte 2016 als kaufmännischer Leiter der Alten Apotheke Beweise dafür gesammelt, dass jahrelang Krebsmittel „gepanscht“ wurden. Von einem Zuhörer für seine „mutige Tat“ gelobt, wehrte Porwoll ab: „Es war damals nicht mutig, es war meine Pflicht!“ Es habe Zeit gebraucht, die Informationen zu sammeln. Das Schwerste sei gewesen, den Kunden etwas vorzuspielen, bis ausreichende Beweise vorlagen. Weil eine einige Jahre zurückliegende Anzeige keinen Erfolg gehabt habe, „war mir bewusst, dass ich nur eine Kugel im Revolver habe“. Es habe lange gedauert, die Behörden zu überzeugen, ein Staatsanwalt habe beispielsweise gesagt: „Apotheker machen so etwas nicht.“
Nach der Razzia erfolgte die schon erwartete fristlose Kündigung bei „einem gut inszenierten Tribunal“, das im absurden Vorwurf gegipfelt sei, „das hätten wir doch intern regeln können“.
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Porwoll war schon bewusst, dass es „das gängige Schicksal eines Whistleblowers ist, aus dem Berufsleben entfernt zu werden, aber die Wirklichkeit ist immer anders, als man sich vorgestellt hat“. Neben erheblichen Kosten gab es auf dem ersten Arbeitsmarkt anscheinend keine Möglichkeiten für einen Whistleblower. Inzwischen hat Porwoll zusammen mit einem Arzt ein Unternehmen gegründet, das sich auf ärztliche Zweitmeinungen spezialisiert.
Auf die Bedenken, dass der zu zwölf Jahren verurteilte Apotheker bald frühzeitig entlassen würde und nach Bottrop zurückkäme – er sei schon gesehen worden – antwortet Porwoll, dass Peter Stadtmann sich seiner Schuld nicht bewusst sei. Er sei ein von Geldgier und Allmachtsucht getriebener Mensch ohne Schuldbewusstsein.
Porwoll glaubt, dass der Bottroper Skandal nicht der einzige Fall dieser Art in Deutschland gewesen sein könnte: „Die hohen Gewinnspannen verlocken.“ Nach seiner Ansicht sei „der Sumpf noch nicht trockengelegt“. Allerdings habe sich die Vorschriftenlage inzwischen verbessert. Früher habe man nur alle drei Jahre vorwiegend die Hygienevorschriften kontrolliert, die Qualität sei nicht geprüft worden, heute sei das wesentlich anders.
Apothekerskandal: Idee für ein Denkmal kam aus dem Umfeld der Betroffenen
Aus dem Umfeld der Betroffenen sei die Anregung gekommen, ein Denkmal für die Opfer, die der Skandal gefordert hat, im Bereich der Apotheke zu errichten, auch als Zeichen für alle, die nicht entschädigt wurden. Die Idee sei, dass sich alle Bottroper daran beteiligen könnten, sei es über die Finanzierung, Hilfestellung oder die mögliche künstlerische Gestaltung. Man wolle den ersten Stein ins Rollen bringen.
Die Vorsitzende des Kulturausschusses Andrea Swoboda (Grüne) hält den Anstoß für „eine tolle Idee, weil wir nicht vergessen und auch das Bewusstsein wachhalten wollen“. Sie sei optimistisch, obwohl bezüglich eines solchen Denkmals noch viele Fragen zu klären seien.
Für seine Zivilcourage erhielt Porwoll neben der Bottroper Stadtplakette 2017 auch den Whistleblower-Preis der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, der zurzeit wohl brachliegt. Porwoll plant, dem Preis neues Leben einzuhauchen: „Was liegt näher, als dies in einer Stadt zu tun, die sich mit der Stadtplakette schon positioniert hat?“ Er habe den Prozess angestoßen, sagte Porwoll und mit vielen Leuten gesprochen, auch mit internationalen Preisträgern: „Die Idee ist da ist schon weit gediehen, kann aber auch noch scheitern.“
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Bezüglich der Entschädigungszahlungen für die Opfer und deren Angehörigen gibt es anscheinend unterschiedliche Erfahrungen. Während wohl noch immer etliche Opfer darum streiten, berichteten Anwesende von zügigen und unbürokratischen Auszahlungen. Gaby Wesselborg wurde vom Ministerium ohne eigenen Antrag angeschrieben und schnell entschädigt. Ihr Ehemann war 2016 kurz vor der Aufdeckung des Skandals gestorben. Er habe sich nach mancher Chemo ungewöhnlich wohlgefühlt, anders als oft vorher. Sie habe nichts nachweisen können, sagt Gaby Wesselborg, deshalb habe sie die Sache auf sich beruhen lassen. Die Entschädigung sei im Nachhinein die Genugtuung, dass ihre Vermutung stimmte: „Das gibt mir auch den inneren Frieden.“