Bottrop. Der Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Bottrop hält nichts von der orientalischen Ausrichtung des Hansacenters. Das hat er dagegen.
Das Hansacenter in der Bottroper Innenstadt kennt auch Ergin Kinaç noch aus dessen besseren Zeiten. Der Bottroper erinnert daran, dass das seit etlichen Jahren leerstehende Einkaufszentrum in der Fußgängerzone früher einmal voller Leben war. In der Einkaufspassage, durch die die Kundinnen und Kunden vom Berliner Platz bis zur Hochstraße und umgekehrt bummeln konnten, reihte sich Laden an Laden. „Ich selbst war da ja auch noch shoppen“, sagt der Mittvierziger.
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Dass Geldgeber den leeren Gebäudekomplex jetzt aber zu einem orientalischen Großzentrum ausbauen wollen, sieht Ergin Kinaç ausgesprochen skeptisch. „Ich halte das nicht für eine gelungene Idee“, betont der Bottroper ausdrücklich. Dass gerade auch er auf Distanz zu den kühnen wie umstrittenen Ideen für die Pleite-Immobilie geht, lässt aufhorchen. Schließlich ist das SPD-Mitglied nicht nur der stellvertretende Vorsitzende des Bottroper Integrationsausschusses, Ergin Kinaç engagiert sich auch schon seit Jahren im Vorstand der Bottroper Zentralmoschee.
Gegen ein Shopping-Center, von dem sich viele ausgegrenzt fühlen
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Inzwischen ist er der Vorsitzende der Islamischen Ditib-Gemeinde in Bottrop und sagt: „Ich möchte, dass in der Innenstadt etwas aufgebaut wird, das alle Menschen anspricht. Das kann dann aber doch kein Einkaufszentrum nur für Muslime sein. Es sollte etwas für Muslime und genauso auch für Nicht-Muslime geben.“ So trete er dafür ein, in Bottrop einmal ein Zentrum mit einer neuen Moschee zu bauen, das allen Bürgerinnen und Bürger offen stehe. Da befürworte er doch kein Shopping-Center, von dem sich viele ausgegrenzt fühlten.
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Der Düsseldorfer Immobilienanleger SI & AM aber will mit Partnern im Hansa-Center nach eigenen Aussagen in erster Linie ein „orientalisch ausgerichtetes“ Angebot schaffen. Dazu gehören dann ein Basar im Erdgeschoss des früheren Einkaufszentrums, der von einem „starken Einzelhändler aus dem orientalischen Bereich“ betrieben werden soll. Auch Gastronomien und Bäckereien seien im alten Hansa-Center wieder erwünscht.
Moschee-Leiter: Marxloh 2.0 möchte ich in Bottrop nicht haben
Die Geldbeschaffer denken an hochwertigen Handel mit Schwerpunkt auf Hochzeitsmode und maßgeschneiderte Anzüge ebenso wie an Juweliergeschäfte. Ein großer Saal für Hochzeitsfeste passt für sie ebenso ins Konzept wie ein Badehaus aus dem türkischen und arabischen Kulturraum. „Marxloh 2.0 möchte ich hier nicht haben“, betont dagegen Ergin Kinaç, der nebenbei erwähnt, dass er auch als Gewerkschaftsmitglied immer schon auf interkulturelle Zusammenarbeit gesetzt habe.
Gegen „vernünftige Restaurants und Cafeterias, in denen man auch einen türkischen Tee trinken kann“ habe er nichts einzuwenden, sagt der Vorsitzende der Bottroper Ditib-Moschee. „Ich möchte aber auch gerne mit deutschen Nachbarn dahin gehen“, erklärt der SPD-Vertreter. Die Modegeschäfte müssten auch Kleidung für Käufer mit geringeren Einkommen anbieten, sonst seien sie in Bottrop kaum überlebensfähig, und: „Große Hochzeitsfeiern in der Stadtmitte, bei denen es abends auch mal laut werden könnte, werden doch sowieso schnell abgeblasen“.
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Moderne City, in der sich auch Einwanderer-Familien wohlfühlen
Nun werden auch in Bottrop die Bürgerinnen und Bürger mit Einwanderungsgeschichte als Geschäftsleute sowie als zahlungskräftige Kundinnen und Kunden nicht erst jetzt entdeckt. So warb zuletzt etwa Jan Gerd Borgmann als Vorsitzender des Bottroper Handelsverbandes darum, bei der Modernisierung der City außer an ältere Mitbürger auch an eingewanderte Familien zu denken. „Die zweite Zielgruppe, die ich sehe, sind unsere Mitbürger mit ausländischen Wurzeln“, sagt Borgmann seinerzeit in einem WAZ-Gespräch.
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Viele von ihnen wohnten sowieso in der Innenstadt. Er sprach sich dafür aus, einen Teil der Stadt „so einzurichten, dass diese Mitbürger sich wirklich wohlfühlen“. Das heiße für ihn, nicht nur Döner-Buden und arabische Imbisse anzusiedeln, sondern auch mehr hochwertige kulinarische und kulturelle Angebote. Statt des Hansa-Centers hatte der Bottroper dabei aber eher die untere Hochstraße im Blickfeld. Dort gebe es ja längst auch türkische Hausbesitzer. Vor nicht ganz zwei Jahren öffnete dort auch ein kleiner arabischer Laden. Borgmann fand das super: „Es könnten aber drei oder vier von der Sorte sein.“
Bundesweite Aufregung um ein muslimisches Kaufhaus
Schon geistert das Hansa-Center als Deutschlands größtes Orient-Center über den Boulevard. Das Konzept für so ein Einkaufszentrum für Muslime ist auch schon ziemlich angejahrt. Etwas mehr als zehn Jahre ist es zum Beispiel her, dass Hamburg so eines bekommen sollte. Im Stadtteil Harburg wollte eine tunesisch-stämmige Geschäftsfrau ein Kaufhaus für muslimische Kunden und muslimische Geschäftsleute einrichten.
Dabei ging es anders als jetzt in Bottrop sogar um streng-gläubige Kunden wie Verkäufer - und gemessen am Hansa-Center mit seinen tausenden Quadratmetern an Flächen um ein eher kleines Kaufhaus. Dennoch war die Aufregung bundesweit auch medial riesengroß. Das Projekt scheiterte schnell. Einer der damaligen Skeptiker war laut Medienberichten übrigens Olaf Scholz.