Bottrop. Die Stadt Bottrop hat für 800.000 Euro einen Sicherheitsdienst für den Borsigweg beauftragt. Eine Ausschreibung gab es nicht. Die Hintergründe.
Durfte die Stadt Bottrop einen Sicherheitsauftrag, den sie wegen akuter Corona-Gefahr im März 2021 kurzfristig vergab, bis Februar dieses Jahres ohne Ausschreibung weiterlaufen lassen? Nach WAZ-Recherchen hat die Stadt für rund 800.000 Euro zwei Jahre lang einen Sicherheitsdienst für den Borsigweg beauftragt – ohne ein Vergabeverfahren mit Teilnehmerwettbewerb.
Dem vorausgegangen war eine Entscheidung des Krisenstabs auf Wunsch des Sozialamtes. Nachdem am 6. Februar 2021 eine neue Corona-Testverordnung in Kraft getreten war, beschloss der Krisenstab drei Wochen später, dass die Stadt einen Sicherheitsdienst am Borsigweg einsetzen müsste. Der Schutz vor Corona sowie die Durchführung von Quarantäne-Maßnahmen in der Siedlung, in der vornehmlich Obdachlose untergebracht sind, sollten umgehend gewährleistet werden.
Vergaben in Krisenzeiten ohne Teilnahmewettbewerb möglich
Eigentlich sind Aufträge über solche Summen ausschreibungspflichtig. In Krisenzeiten dürfen Vergabeverfahren aber beschleunigt werden. So teilte das Bundeswirtschaftsministerium am 19. März 2020 mit: „In der aktuellen Situation der Ausbreitung des Coronavirus können Leistungen sehr schnell und verfahrenseffizient insbesondere über das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb beschafft werden.“
Aber ist eine so hohe Summe, die über einen so langen Zeitraum gezahlt wurde, noch von den gelockerten Vergaberegeln in Krisenzeiten gedeckt?
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In Paragraf 14 der Vergabeverordnung des Bundesjustizministeriums heißt es dazu unter anderem, dass ein solches Verfahren ohne Wettbewerb möglich ist, „wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten“.
Bottroper Stadtsprecher: „Es war unverzügliches Handeln geboten“
War die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr noch ein nicht voraussehbares Ereignis? Auf Nachfrage sagt ein Sprecher des NRW-Ministeriums für Kommunales, „dass sich die den Rundschreiben jeweils zugrundeliegende Ausgangssituation in tatsächlicher Hinsicht zwischenzeitlich weiterentwickelt hat und fortlaufend weiterentwickelt“. Ob bis Ende Februar dieses Jahres tatsächlich die Voraussetzungen für eine Vergabe ohne Ausschreibung gegeben waren, müsste eine Einzelfallprüfung zeigen. Zuständig ist da die Bezirksregierung Münster als Aufsichtsbehörde.
Auf Anfrage sagt der stellvertretende Stadtsprecher Ulrich Schulze, dass damals „unverzügliches Handeln“ geboten war und begründet dies mit der ihr auferlegten Verpflichtung als Betreiber der Unterkünfte sowie den gesundheitlichen Risiken für deren Bewohnerinnen und Bewohner.
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Das Sozialamt habe Anfang März die Firma MSM Security mit der Sicherheit der Unterkunft am Borsigweg beauftragt. Die Wahl sei auf das Bottroper Unternehmen gefallen, weil es „freie Kapazitäten und Erfahrungen im Quarantäne-Einsatz“ hatte und unmittelbar verfügbar gewesen sei. Es seien keine weiteren Angebote eingeholt worden. „Es wurde aber eine Angebotsprüfung durchgeführt, ob die verlangten Preise dem entsprechen, was üblicherweise auf dem Markt verlangt wird. Die Prüfung hat keine überhöhten Preise feststellen können“, so Schulze.
Kosten für die Sicherheit am Bottroper Borsigweg: 30.000 bis 37.000 Euro monatlich
Der Vertrag mit MSM Security habe keine Laufzeit gehabt. „Die Kosten beliefen sich auf monatlich zwischen 30.000 bis ca. 37.000 Euro“, sagt Ulrich Schulze. Die genaue Summe sei abhängig gewesen von der Anzahl der Feiertage und Sonntage in dem jeweiligen Monat.
Neben der regulären Bezahlung stehen Sicherheitskräfte Feiertags- und Wochenendzuschläge zu. Diese würden, so Schulze, in der Abrechnung der Firma als eigene Rechnungsposten aufgeführt. Die Stadt frage vor der Vergabe sowohl die Stundensätze als auch die Zuschläge ab, um dafür zu sorgen, „dass die sich bewerbende Firmen nicht unter den tariflichen Rahmenbedingungen ihre Angebote unterbreiten“. Es dürften keine Preise angeboten werden, die unter den Tarifbestimmungen liegen. Ob diese Zuschläge dann aber auch an die Mitarbeiter ausgezahlt werden, könne die Stadt nicht kontrollieren.
„Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass die Stadt vorher Vergleichsangebote eingeholt hat“
Der Einsatz des Sicherheitsdienstes endete erst zum 28. Februar 2023 mit dem Auslaufen der Corona-Schutz- und Test-Verordnung. Rechnet man mit einem Mittelwert von 33.500 Euro monatlich, ergibt das für 24 Monate eine Summe von 804.000 Euro, die die Stadt an die Sicherheitsfirma gezahlt hat.
Auf Nachfrage lässt MSM Security folgende Stellungnahme über ihren Anwalt übermitteln: „Die Stadt Bottrop hatte uns um Abgabe eines Angebots gebeten. Wir haben dieses sodann erstellt und dann den Zuschlag erhalten. Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass die Stadt vorher Vergleichsangebote eingeholt hat. Uns sind zudem mehrere städtische Objekte bekannt, die nicht durch uns betreut wurden und werden.“