Bottrop. Dass das lange leere Hansa-Center in Bottrop zum größten Orient-Einkaufszentrum Deutschlands würde, glaubt WAZ-Redakteur Norbert Jänecke nicht.

Während der Türkei-Reise in Istanbul über den großer Basar zu bummeln, einen Wellness-Tag im türkischen Bad zu genießen und vielleicht günstig Goldschmuck oder einen schönen Teppich für daheim zu kaufen, das gefällt vielen von uns ja schon, oder? Wehe aber, das alles würde uns mitten in unserer Stadt geboten, da muss die Aufregung ja groß sein? Dann schon lieber ab in den Flieger nach Dubai und vom Burj Al Arab aus die Sonne putzen?

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Im schwelenden Streit um den Umbau des Hansacenters sollten sich einige besser ganz schnell ihr Brett vorm Kopf wegreißen! Der teils unverhohlene Rassismus, der aus vielen Kommentaren in den sogenannten sozialen Medien spricht, ist empörend und nicht akzeptabel. Was sich mit ein paar Schlüsselwörtern wie Orient und muslimisch bei solchen Wirrköpfen auslösen lässt, erschreckt immer wieder. Warum ist die Angst vor dem Fremdem, das uns doch gar nicht mehr fremd ist, eigentlich so groß?

Zahlen Bottroper etwa statt mit Zloty bald mit wertloser Lira?

Aus dem alten Klein-Warschau wird also bald Klein-Istanbul, Deutschlands größtes Orient-Einkaufszentrum inklusive. Anstatt mit den alten polnischen Zloty unsere Currywurst wie im berüchtigten Zitat aus der Hamburger Illustrierten „Stern“ zahlen wir dann unseren Döner-Teller mit immer wertloserer türkischer Lira. Nur logisch, dass die Hansacenter-Modernisierungsanpreiser mit vermutlich falschen Versprechungen vom Einkaufen wie in Dubais Luxusläden schnell etwas Blendwerk vors gähnend leere Hansa-Center stellen: als ob jetzt so etwas wie Düsseldorfs Kö in Orientalisch nach Bottrop käme.

Im Streit um die Hansa-Center-Zukunft steckt zu viel extremes Schwarz-Weiß. Wäre Bottrop wirklich das falsche Pflaster für Klein-Marxloh unter Dach? Hochzeiter aus der Stadt fahren schließlich längst nach Duisburg, wenn sie Brautkleider und schicke Anzüge für ihr Fest der Feste kaufen. Gerade lernte ich, dass auch Bottroper Abiturientinnen dort ihr Kleid für den Abiball aussuchen; vielleicht ja auch deshalb, weil es zum nächsten Factory-Outlet-Center der weitere Weg ist. Denn günstig sollte ihre Mode ja auch sein.

Festliche Abendkleider gibt es in diesem Modegeschäft in Marxloh in Hülle und Fülle. Auch Bottroperinnen fahren in den Duisburger Stadtteil, um sich Ballkleider zu kaufen.
Festliche Abendkleider gibt es in diesem Modegeschäft in Marxloh in Hülle und Fülle. Auch Bottroperinnen fahren in den Duisburger Stadtteil, um sich Ballkleider zu kaufen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Auch junge Bottroper kaufen Brautmode längst in Marxloh

Warum sollten junge Leute egal aus welchen Elternhäusern nicht auch im Hansa-Center kaufen, wenn Preis und Leistung stimmen? Entscheidend wird sein, was konkret aus dem Zentrum wird. Ergin Kinac und andere haben ja recht: Es kommt auf einen guten Mix an. Eine „orientalische Ausrichtung“ allein hilft nicht. Warum sollten nicht auch ein guter Italiener, den es dort ja gab, oder ein Restaurant mit klassischer deutscher Küche Platz finden? Luxus allein aber bringt nichts, dafür ist Bottrop schlicht und einfach nicht die richtige Stadt.

Die alleinige Orientierung auf Kunden muslimischen Glaubens wäre fast schon albern. Der Hinweis auf die vielen in der City lebende Muslime klingt zwar logisch. Aber in keinem Bottroper Stadtteil ist die Zahl der Leute, die finanzielle Hilfen zum Leben brauchen, so groß wie in der Altstadt und viele dieser Leute stammen nicht von hier. Das heißt aber ja nicht, dass es nicht auch viele eingewanderte Familien zu etwas gebracht haben und sie sich selbstverständlich auch in ihrer - ja, ihrer - Innenstadt wohlfühlen sollten.

Ein Schreckgespenst verstellt nur den Blick auf Realitäten

Statt Alarmismus und Aufregung sind weiterhin Analyse und Sachlichkeit wichtig. Haben wir nicht gelernt, dass der stationäre Handel allein zu wenig für eine moderne City ist? Sie braucht mehr Wohnungen, mehr Gastronomie, mehr Dienstleistung an Menschen. Ist demnach das Hansa-Center nicht sowieso zu groß für ein bloßes Einkaufszentrum? Muss es unteilbar bleiben? Wäre darin nicht auch genug Platz für Büros, etwa auch der Verwaltung, und in der geplanten Hotelecke an der Poststraße für Wohnungen?

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Das Schreckgespenst Orient-Center sollte nicht den Blick auf Realitäten verstellen: etwa der Wahrheit, dass der Hansa-Center-Klotz ja Geldgebern gehört, die nach der Pleite möglichst viel von ihrem Geld retten wollen. Glaubt etwa jemand wirklich daran, dass das Orient-Center in nicht einmal zwei Jahren eröffnet wird? Wie oft haben wir ähnliches jetzt schon gehört? Wie war übrigens der Osterurlaub, war es schön in Dubai?