Bottrop. Ein Pilotprojekt zeigt: Auf dem Bottroper Abenteuerspielplatz fühlen sich auch Senioren wohl. Warum ihnen der Besuch dort so guttut.

Tiere streicheln, macht glücklich. Was sogar Studien belegen sollen, ist an diesem Nachmittag auf dem BDKJ-Abenteuerspielplatz in Bottrop hautnah zu erleben. Ein Damen-Trüppchen aus der ASB-Tagespflege „Zur Gartenstadt“ in Welheim ist per Kleinbus angereist, schiebt langsam, aber zielstrebig Rollator und Rollstuhl über unebenen Rasen bis hin zu einer kleinen Sitzgruppe aus Holzstämmen. Gleich kommen sie heran, die wolligen Schafe und frechen Ziegen – und zaubern, zahm und ungestüm wie sie sind, so manches Strahlen in die Menschengesichter.

Bottroper Seniorinnen lassen sich aus der Hand fressen

Spielplatz-Chefin Margarete Haseke bringt einen Topf voll Futter mit, und allzu gerne lassen die meisten Seniorinnen sich aus der Hand fressen. Dass ein Zicklein dabei keck seine Vorderhufe auf ihren Schoß stellt, das macht zumindest Hildegard Büscher (93) rein gar nichts aus. Im Gegenteil, ihr Lächeln wird nur noch breiter. Kurz darauf fasst sie in die dichte Wolle eines Schafes. „Ich habe früher immer Wolle gesponnen“, erinnert die 93-Jährige sich. „Ich muss doch mal fragen, ob ich hier Wolle bekommen kann.“ Ihre gesamte Familie habe sie bestrickt, „Lochmuster, Zopfmuster, für meinen Mann und für meine Töchter“.

Spielplatz-Chefin Margarete Haseke bringt einen Topf voll Futter mit.
Spielplatz-Chefin Margarete Haseke bringt einen Topf voll Futter mit. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Möglich wird diese Begegnung von Mensch und Tier durch das Projekt „Guter Lebensabend NRW“. Das hat in erster Linie zum Ziel, älteren Menschen mit Einwanderungsgeschichte den Zugang zu Seniorenangeboten im Stadtgebiet zu erleichtern. Projektmitarbeiterin Nurcan Balaban hat die Senioren-Tier-Begegnung im Austausch mit Margarete Haseke auf die Beine gestellt. Zu den Tagespflege-Angeboten des Arbeiter-Samariter-Bundes zählt auch die interkulturelle Einrichtung „Am Germaniahof“.

Projektleiterin: „Tiere stellen keine Fragen und kritisieren nicht“

Balaban erklärt zum Hintergrund: „Gerade ältere, an Demenz erkrankte Menschen profitieren von der Begegnung mit Tieren. Die Tiere öffnen Türen, sie finden Zugänge zu den Menschen, die Zweibeinern meist verborgen bleiben. Tiere sind nicht voreingenommen, egal ob jemand ihren Namen vergessen hat oder sich im Spiegel nicht mehr erkennt. Sie stellen keine Fragen und kritisieren nicht. Tiere reagieren auf Streicheln und Zuwendung, aber nicht auf Äußerlichkeiten. Sie vermitteln das Gefühl gebraucht zu werden und halten auf Trab.“ Finanziell gefördert wurde das Pilotprojekt, bei dem zum Beispiel Kosten für die Busfahrt und das Tierfutter anfielen, durch den Batenbrockfonds.

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Hildegard Büscher ist so angetan, sie würde am liebsten einen der zutraulichen Vierbeiner mit nach Hause nehmen. „Tiere sind ehrlich. Sie merken sofort, ob man es gut mit ihnen meint“, sagt sie. Christel Triebe (85) weiß, dass die kleinen Ziegen erst diesen März geboren worden sind. „Ihre Hörner werden noch ein bisschen länger, aber nicht viel. Das hat die Leiterin uns gesagt.“ Man merkt schon: Die Tiere sind nicht nur zum Streicheln gut, sie liefern auch Gesprächsstoff.

„Manche Senioren kommen ohne Hilfe gar nicht mehr raus“

Zwei Mädchen führen jetzt ein Pony heran und Hildegard Büscher kann nicht widerstehen: Sie beugt sich hinunter, pflückt ein wenig Gras ab und hält es dem Pony hin. Schließlich wischt sie sich die abgeschleckten Hände an Feuchttüchern sauber, die die Mitarbeiterinnen der ASB-Tagespflege ebenso eingesteckt haben wie Getränke und Gebäck für ein Picknick.

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Sarah Stephan, Pflegedienstleiterin der „Gartenstadt“-Tagespflege, beobachtet zufrieden die Szenerie. Der Ausflug zu den Tieren löse positive Emotionen aus, aber nicht nur das: „Es ist auch gut, an der frischen Luft zu sein. Manche kommen ohne Hilfe ja gar nicht mehr raus“, ergänzt sie.

Dies ist die letzte „Tierbegegnung für ältere Menschen“ im Rahmen des Pilotprojektes. Doch dieses hat gewissermaßen als Türöffner fungiert. Seniorinnen und Senioren, auch aus anderen Einrichtungen, sind auf dem BDKJ-Abenteuerspielplatz unbedingt weiter willkommen. „Das ist ein erfolgreiches Projekt“, findet Spielplatz-Leiterin Margarete Haseke.

Nicht nur, weil die Tiere „als kleine Helfer in psychisch schwierigen Situationen“ den älteren Leuten so guttun. So seien manche der Seniorinnen und Senioren gar nicht von den Ziegen oder Schafen angetan gewesen, dafür aber von den Kindern, die auf dem Abenteuerspielplatz unterwegs sind. „Und auch die Eltern hier sehen die Begegnung als sehr positiv an“, freut sich Haseke.