Bottrop. Bei der Interkulturellen Woche macht OB Tischler den Wunsch der Stadt deutlich: In Bottrop soll ein Erinnerungsort für Sinti und Roma entstehen.
Sie heißen Adler, Lagrene, Petermann, Seeger oder Strauß, gehören zur mittlerweile anerkannten Minderheit der Gruppe der Sinti oder Roma und waren auch in Bottrop zuhause. Viele von ihnen überlebten die Deportation ins Konzentrationslager Auschwitz vor 79 Jahren nicht. „Wir wollen einen angemessenen Ort für die Erinnerungskultur an diese Einwohner der Stadt, die durch den Nazi-Terror umkamen“, sagte jetzt Oberbürgermeister Bernd Tischler auf einer Veranstaltung des Stadtarchivs anlässlich der Interkulturellen Woche.
Sinti leben seit rund 600 Jahren in Deutschland – 1943 Deportationen aus Bottrop
Zu Gast im Kulturzentrum war Roman Franz, dessen Vater das KZ überlebte und vor vielen Jahren die Beratungsstelle für Sinti und Roma in Nordrhein-Westfalen gründete. Als Vorstandsmitglied im Zentralrat und im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg kennt Roman Franz die Geschichte der Sinti, die immerhin seit rund 600 Jahren in Deutschland und Mittel- und Westeuropa ansässig sind, aus eigenem Erleben aber auch durch Forschung und Gesetzgebung zu diesem Thema. Die Roma, heute überwiegend in Ost- und Südosteuropa ansässig, seien vor etwa 200 Jahren nach Deutschland und Westeuropa gekommen.
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Etwa 500.000 Menschen beider Gruppen sind bei der NS-Verfolgung umgekommen, der aus ähnlichen „rassischen Gründen“ auch fünf Millionen Juden zum Opfer fielen. Sinti und Roma seien sehr unterschiedliche, heterogene Gruppen mit fast gleicher Sprache aber deutlich verschiedenen Dialekten und auch Lebensweisen. Und nicht alle gehören zum so genannten „fahrenden Volk“.
Roman Franz verwies auf viele Sinti, die ähnlich wie die Juden im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten, die sesshaft waren, normalen Berufen nachgingen und immer wieder auch bekannte Persönlichkeiten von Pablo Picasso über Charlie Chaplin, Elvis bis hin zum Fußballstar Gerd Müller oder Rapper Sido hervorbrachten.
„Rassenhygienische Forschungsstelle“ machte in der NS-Zeit Sinti und Roma ausfindig
Für die Nazis sei es aber im Gegensatz zu den Juden schwieriger gewesen, Sinti zu identifizieren. Sie hätten keine eigene Religion, konnten also nicht wie die Juden über Synagogenverzeichnisse ausfindig gemacht werden, sondern gehörten zumeist dem Christentum, woanders auch dem Islam, an. So habe es vor allem an Menschen wie Eva Justin und Robert Ritter von der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ (RHF) des NS-Reichsgesundheitsministeriums gelegen, dass so genannte „Zigeuner“ ausfindig gemacht wurden. Aushorchen – Justin sprach Romanes – und Denunziation seien dabei wesentliche Taktiken gewesen, vor allem unter sesshaften Sinti und Roma.
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Aber Roman Franz sprach auch über die Nachkriegssituation. So habe die Bundesrepublik die Verfolgung erstmals 1982 zum Völkermord erklärt. Seit 1995 gehören Sinti und Roma neben Sorben, Dänen und Friesen zu den anerkannten eingesessenen nationalen Minderheiten in Deutschland. „Aber sich als Sinto oder Roma zu outen, ist bis heute schwer“, so Roman Franz, der sichtlich bewegt an der ersten Veranstaltung mit diesem Thema in Bottrop teilnahm.