Essen./Bottrop. Er soll Mütter dazu angestiftet haben, ihre Kinder zu missbrauchen. Ein Bottroper Tennislehrer steht zum zweiten Mal vor dem Essener Landgericht.
Carlos N., ein Tennislehrer aus Bottrop, gesteht das eigentlich Unvorstellbare: Rund 50 Mütter hat er angestiftet, ihre eigenen Kinder sexuell zu missbrauchen oder in Anwesenheit der Kinder mit ihm sexuell zu verkehren. Vor dreieinhalb Jahren hatte der 43-Jährige sich wegen vergleichbarer Fälle vor der V. Strafkammer am Landgericht Essen verantworten müssen. Seit Donnerstag macht ihm die XXIV. Kammer den Prozess. Ihm droht die Sicherungsverwahrung.
Die sexuellen Aktivitäten des aus Dortmund stammenden Arztsohnes sprengen die Vorstellungskraft der meisten Menschen. Mindestens 5000 Kontakte von Frauen hatte er in seinem Smartphone gespeichert, es war auch mal von 9000 die Rede. Über Dating-Plattformen hatte er den Kontakt zu ihnen aufgebaut.
Als Model oder Arzt ausgegeben
Schnell kam es in vielen Fällen zum Sex schon beim ersten Treffen. Er präsentierte sich zuvor als Model oder als Arzt, als ob der sportliche Mann als Tennislehrer nicht beeindruckt hätte. Schnell kam er zum aus seiner Sicht Wesentlichen: Er verlangte von den Frauen, ihre Kinder sexuell zu missbrauchen und dabei zu fotografieren. Wenn sie ihm die Bilder anschließend schickten, kommentierte er die Aufnahmen lobend oder verlangte schärfere: "Da sieht man ja nichts drauf."
Seine Variante: Er forderte die Mütter auf, ihre Kinder beim gemeinsamen Sex zusehen zu lassen. Manchmal ging es ihm um Kleinkinder, die im Bett lagen, manchmal auch um sieben, acht Jahre alte Kinder.
Playstation als Belohnung gefordert
In einem Fall der neuen Anklage wird ein etwa 16 Jahre alter Sohn in den Sex eingebunden. Ihm sei ein Taschengeld dafür in Aussicht gestellt worden, heißt es. Mal forderte die Mutter für ihr Kind auch eine Playstation vom Angeklagten.
2018 waren zwei Mütter zur Polizei gegangen, hatten ihn angezeigt. Die Polizei begann die Ermittlungen gegen den eigentlich angesehenen Mann, über den die lokale Sportpresse in Dorsten und Gelsenkirchen oft wohlwollend berichtet hatte. In beiden Städten hatte er Vereine trainiert, in Dorsten sogar die Mitgliederzahl deutlich erhöht. Der Verein lobte dafür seine besonders intensive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Handy als Beweis sichergestellt
Bei den Ermittlungen stellten die Polizisten sein Handy sicher und begannen mit der Auswertung der Frauenkontakte. Zwei schnell ausermittelte Fälle brachte die Staatsanwaltschaft Anfang 2019 zur Anklage. Dafür verurteilte das Landgericht Essen ihn zu vier Jahren und neun Monaten Gefängis.
Volker Uhlenbrock, Vorsitzender der V. Strafkammer, versuchte damals im Urteil das Verhalten der Mütter zu erklären: Sie seien oft dick und nicht sehr attraktiv oder in einer schwierigen persönlichen Lage gewesen, hätten den Angeklagten nicht verlieren wollen.
Verfahren auch gegen die Mütter
Gegen alle Frauen liefen eigene Verfahren. Sie endeten mit Freiheitsstrafen oder Einstellungen. Eine 27-Jährige, Mutter eines ein Jahre alten Sohnes, hatte ihre Situation vor Gericht zu erklären versucht: "Ich hatte damals 25 Kilo mehr drauf. Ich dachte, der Tennislehrer ist mein Sechser im Lotto."
Mit einigen Frauen hatte der Angeklagte "Sklavenverträge" geschlossen. Die Mütter kamen aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Eine Polizistin war dabei, auch eine Kindergärtnerin.
Zwei Vergewaltigungen angeklagt
Zu den 50 neuen Fällen, darunter auch zwei Vergewaltigungen von Frauen, die den Sex mit ihm abgelehnt hatten, kündigte Verteidiger Siegmund Benecken ein umfassendes Geständnis an. Zuvor hatten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung intern über ein mögliches Urteil verhandelt.
Richter Lukas Hempel gab das Ergebnis zu Protokoll. Danach will die XXIV. Strafkammer bei einem "voll umfänglichen Geständnis" zwischen achteinhalb und neuneinhalb Jahren Gefängnis verhängen. Dabei ist das frühere Urteil der V. Strafkammer einbezogen. Ob auch die anschließende Sicherungsverwahrung für einen notorischen Straftäter verhängt wird, hängt vom Gutachten der Psychiaterin Marianne Miller ab. 2019 hatte ihn bereits Psychiater Frank Sandlos als gefährlich bezeichnet. Elf Prozesstage sind geplant, nach dem angekündigten Geständnis könnte das Verfahren aber deutlich schneller beendet werden.