Bottrop. Stadtarchivarin schlägt Stolpersteine zum Gedenken an Bottrops Sinti und Roma vor. Verbandsvorsitzender wünscht sich eine andere Form.

An zahlreiche Opfer der Naziherrschaft erinnern inzwischen Stolpersteine in der Stadt. Die meisten von ihnen halten das Gedenken an jüdischen Bottroperinnen und Bottroper wach, die zwischen 1933 und 1945 verfolgt und getötet wurden. Aber auch für politisch Verfolgte oder Angehörige anderer Gruppen, die das Regime nicht duldete, gibt es diese kleinen glänzenden Steine mit Inschriften.

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Die Gruppe der Sinti und Roma, deren Mitglieder aus Bottrop überwiegend im März 1943 in Todeslager deportiert wurden, hat bislang keine Erwähnung gefunden. Das ist Stadtarchivarin Heike Biskup schon länger bewusst - und sie möchte daran etwas ändern. Sie weiß von bislang 41 Sinti und Roma, die längere Zeit in Bottrop lebten und größtenteils zu fünf Familien gehörten: Adler, Lagrene, Petermann, Seeger und Strauß. Von Anna und Josef Strauß sind sogar Fotos erhalten. Diese Angaben recherchierte die Archivarin überwiegend im Gedenkbuch der Sinti und Roma des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau und in der Einwohnermeldekartei der Stadt. Beim Bundesarchiv Berlin, das die Kartei der so genannten „Rassenhygienischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes“ aufbewahrt, sind sogar nur die Bottroper Einträge von Anna und Josef Strauß aufgeführt.

Ein Foto von Anna Strauß ist dem Stadtarchiv bekannt. Daneben eine der Bottroper Meldekarten, auf der das Deportationsdatum 10. 3. 43 nach Auschwitz ins „Zigeunerlager“ ebenso wie die „Einweisung durch Kriminalsekretär Vogel“ zu erkennen ist.
Ein Foto von Anna Strauß ist dem Stadtarchiv bekannt. Daneben eine der Bottroper Meldekarten, auf der das Deportationsdatum 10. 3. 43 nach Auschwitz ins „Zigeunerlager“ ebenso wie die „Einweisung durch Kriminalsekretär Vogel“ zu erkennen ist. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

„Es waren in der Stadt wenigstens zwei Orte bekannt, an denen es so genannte Zigeunerlager gegeben hat: An der früheren Voßstraße, heute Grünewaldstraße, in der südlichen Stadtmitte und Am Wienberg, früher Vonderorter Straße, im gleichnamigen Ortsteil“, weiß Heike Biskup. Bis auf einen Artikel im „Bottroper Anzeiger“, in dem über „furchtbare hygienische Zustände im „Zigeunerkamp an der Essener Straße“ - „Damit ist wohl die Grünewaldstraße gemeint“, vermutet Biskup - geschrieben wird, ist nichts in den lokalen Zeitungsausgaben zu finden. Der Artikel erschien übrigens am 10. November 1938, am Morgen nach der so genannten Reichskristallnacht, von der allerdings in den Ausgaben noch nichts zu lesen war. In der „Bottroper Volkszeitung“ werden diese Lager gar nicht erwähnt.

Manche Nachfahren von Ermordeten lehnen Stolpersteine ab - Kein würdiges Gedenken

„Wie geht man mit dem Gedenken um?“, fragt sich Heike Biskup seit längerem. Stolpersteine? Roman Franz, der Vorsitzende des Landesverbands deutscher Sinti und Roma, winkte ab. Das Gefühl, das Leute einfach über Gedenksteine laufen und die dann auch noch zu wenige Informationen beinhalten, behage ihm nicht, so die Forscherin. Dennoch plane sie eine Veranstaltung des Stadtarchivs. Für eine Ausstellung gebe es zwar (noch) nicht genügend Material und anschauliche Exponate, aber ein Vortrag vielleicht sogar mit Live-Musik der Sinti- und Roma-Community, das wäre schon mal ein Anfang einer Gedenkkultur auch für diese Bottroperinnen und Bottroper, denen so großes Unrecht widerfahren sei, so die Stadtarchivarin. Geplant sei die Veranstaltung noch in diesem Herbst.

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Über ein Youtube-Video ist sie übrigens auf eine Nachfahrin der Familie Lagrene gestoßen, die vom Schicksal ihrer Schwiegerfamilie in Auschwitz berichtet - und dabei die Bottroper Quellen als Grundlage verwendet. Auch mit ihr hat Heike Biskup bereits Kontakt aufgenommen. Über die Situation der Sinti und Roma in früh- und vorindustrieller Zeit, deren mögliche Aufenthalte oder Lagerplätze im Bereich Bottrop lässt sich noch weniger sagen. „Dazu müssten vielleicht die Pfarrbücher von St. Cyriakus durchkämmt werden, ob es Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen von nicht hier ansässigen Menschen gegeben hat, die dann eingetragen worden sind“, sagt die Archivarin.

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Die Erinnerung an die verfolgten und großenteils ab 1943 ermordeten Bottroper Sinti und Roma möchte sie aber auf jeden Fall wachhalten. Diese Deportationen jähren sich im nächsten Jahr zum 80. Mal.

Der Gedenktag - Wer erinnert sich?

Der 2. August wurde zum „Internationalen Tag des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma“ ausgerufen - so die offizielle Bezeichnung. Auch von Bottrop aus wurden mindestens 41 Angehörige dieser Gruppen in die Vernichtungslager der Nationalsozialisten deportiert.

Die größte Deportation Bottroper Sinti und Roma jährt sich im März 2023 zum 80. Mal. Das Stadtarchiv möchte auch das Gedenken an diese Menschen wachhalten. Zwei bekannte so genannte „Zigeunerlager“ hat es in Bottrop Am Wienberg und der Grünewaldstraße gegeben.

Wer etwas von diesen Lagerplätzen oder der damaligen Situation der Sinti und Roma in Bottrop weiß, durchaus auch aus Erinnerungen oder Erzählungen, kann sich gerne mit dem Stadtarchiv in Verbindung setzen. 02041-70 37 55 oder per Email: heike.biskup@bottrop.de.