Bottrop. Karstadt ist für viele mit den positiven Zeiten der Bottroper Innenstadt verbunden. Seit dem Kaufhaus-Aus hat der Leerstand deutlich zugenommen.

Als sich kürzlich frühere Mitarbeiter des Bottroper Karstadt-Hauses trafen, war spürbar, welche Lücke die Schließung des Kaufhauses vor sechseinhalb Jahren in die Bottroper Innenstadt gerissen hat. Eine Familie seien sie gewesen und Karstadt wie ein Zuhause – das sagen sogar diejenigen, die gar nicht dort gearbeitet haben, sich aber nostalgisch an den Supermarkt im Untergeschoss und das Jägerschnitzel im Restaurant erinnern.

Dieser Artikel erschien erstmals am 27. September 2022

Als Karstadt am 29. Februar 2016 für immer seine Türen schloss, begann damit eine neue Phase des Zerfalls der Innenstadt. Für viele fiel mit dem Kaufhaus-Aus einer der letzten Anziehungspunkte in der Fußgängerzone. Seit Jahren nun steht das Gebäude leer, sind die Schaufenster trost- und inhaltslos, abgesehen von bunten Plakaten, die Bottrop als „Fun City“ bewerben. Warum gelingt es nicht, dieses wichtige Gebäude als neuen Passantenmagneten zu gestalten? Der Rückblick auf eine Misere.

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Karstadt in Bottrop: Investitionssumme von 49 Millionen

Von einem „sehr guten Tag für Bottrop“ spricht Oberbürgermeister Bernd Tischler am 27. September 2018, als er das rote Band zum Kaufhaus Moses durchtrennt. Es ist das erste Kaufhaus seit fast zehn Jahren, das im Ruhrgebiet neu eröffnet. Über sieben Millionen Euro hatte Unternehmer Norbert Wittenberg in die Gestaltung der Flächen investiert. Drei Monate später meldet Moses Insolvenz an, im April schließt das Kaufhaus – nach nicht mal sieben geöffneten Monaten. Moses und Devello überziehen sich anschließend gegenseitig mit Vorwürfen: Der eine habe die Miete nicht bezahlt, der andere Mängel und Wasserschäden nicht behoben.

Bernd Tischler (Mitte) beim Durchtrennen des roten Bandes zur Eröffnung des Moses-Kaufhauses: „Ein sehr guter Tag für Bottrop“
Bernd Tischler (Mitte) beim Durchtrennen des roten Bandes zur Eröffnung des Moses-Kaufhauses: „Ein sehr guter Tag für Bottrop“ © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Bereits im Juni 2015 hatte die Devello AG das Gebäude gekauft, als feststand, dass Karstadt schließen würde. Es ist laut seiner Homepage das größte Gewerbe-Projekt des norddeutschen Immobilien-Unternehmens mit einer Investitionssumme von 49 Millionen Euro. „Fertigstellung: 2020“ heißt es auf der Internetseite – doch fertig ist das Gebäude noch immer nicht.

Hertie in Neustadt: Ähnliche Leidensgeschichte mit Devello wie in Bottrop

Ähnlich die Lage in Neustadt an der Weinstraße. Auch hier hat Devello ein ehemaliges Kaufhaus erworben, die frühere Hertie-Filiale. Auch hier sollte Moses Ankermieter sein, ging aber vorher insolvent. Für 2021 kündigte Devello die Fertigstellung der Immobilie an. Doch die Nachrichten rund um das Gebäude lesen sich ähnlich wie die Bottroper: Unter dem Titel „Und ewig ruht die Großbaustelle“ berichtet die Zeitung „Die Rheinpfalz“, dass Devello-Geschäftsführer Christian Zöll zunächst auf Anfragen nicht reagiert, schließlich versichert, das Gebäude werde eröffnen, nur eben später, und beim Stadtrat weiter um Vertrauen wirbt. Das war im Mai. Die Großbaustelle ruht weiterhin.

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Stimmen zum Karstadt-Aus in Bottrop_1.jpg
Von Norbert Jäneckeund Matthias Düngelhoff

So auch in Bottrop. Seit eineinhalb Jahren spricht Christian Zöll davon, dass der Ausbau des Hotels im dritten und vierten Obergeschoss des Gebäudes zu 80 Prozent abgeschlossen sei. Die Plaza-Group will dort ein Best-Western-Hotel mit rund 150 Zimmern eröffnen. An den Plänen habe sich nichts geändert, so Zöll zuletzt. Einen Eröffnungstermin – er hatte schon zahlreiche angekündigt und nicht gehalten – konnte er aber nicht vermelden.

Devello hatte „modernen und hochwertigen“ Netto versprochen

Derweil liegt auch die Baustelle im Erdgeschoss brach. Einen „nagelneuen, modernen und hochwertigen Netto-Markt“ hatte Christian Zöll den Mitgliedern des Wirtschaftsförderungsausschusses im Herbst 2021 versprochen. Fragt man nun in der Pressestelle des Marken-Discounters nach den Plänen für Bottrop, heißt es: „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir aktuell keine weiteren Informationen zu möglichen Aktivitäten an diesem Standort kommunizieren können.“

Wenngleich das Unternehmen in der Sache immer spärlich kommuniziert hat – gar nicht kommuniziert hatte es noch nie.

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Und die anderen Flächen? „Für die verbleibende Leerfläche sind wir in Verhandlung mit mehreren Mietern, von denen wir uns in den nächsten zwei bis drei Monaten einen aussuchen werden“, sagte Zöll vor einem Jahr. Und auch im Gespräch Anfang September sprach er von zwei bis drei ernsthaften Interessenten – inzwischen ist nach der Home24-Schließung im Dezember 2021 eine weitere Leerfläche hinzugekommen –, wollte aber noch keine Namen nennen.

Blick ins Ruhrgebiet: Wo Kaufhäuser neue Passanten-Magneten wurden

Die Schließung zahlreicher Karstadt-Häuser hat in viele Innenstädte Lücken gerissen. Doch nicht jede Schließung ist auch eine Negativ-Geschichte. In Gladbeck ist das frühere Karstadt-, zwischenzeitlich Hertie-Gebäude, abgerissen und durch einen Neubau ersetzt worden – wenngleich nach jahrelangem Hin und Her. Der Ankermieter ist Netto, mit einer modernen Filiale. In Essen weicht das frühere Galeria-Kaufhof-Haus am Eingang der Innenstadt nun dem „Königshof“. Millionenschwer sind die Umbaumaßnahmen, Aldi Nord gehört zu den Mietern, im Erdgeschoss soll eine Markthalle entstehen mit bis zu 50 Ständen.

Ein Vorbild für die Nutzung ehemaliger Kaufhäuser ist das Hertie-Haus in Gelsenkirchen-Buer. 2014 eröffnete es als „Linden-Karree“. Eine Investoren-Gruppe bestehend aus 16 Bueraner Bürgern mit Geld hatte das Gebäude gekauft, vermarktet – und voll vermietet an Einzelhändler, ein Bistro und die Stadtbücherei.

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Die Idee der Bottrop-Entwicklungs-AG

Warum funktioniert das nicht in Bottrop? David Schraven, Mitglied der IG Marktviertel und Geschäftsführer von Correctiv, träumt von einer Bottrop-Entwicklungs-AG. Heimische Bürger, die ihr Kapital zusammenwerfen, eine Aktiengesellschaft oder Genossenschaft gründen, das Gebäude kaufen. Menschen, denen ihre Innenstadt am Herzen liegt, sollen mitentscheiden – nicht Großinvestoren, die aus hunderten Kilometern Entfernung größtmöglichen Gewinn erzielen wollen.

Leer und verlassen: Das frühere Karstadt-Gebäude in Bottrop, in das schon vor einem Jahr Netto hätte einziehen sollen.
Leer und verlassen: Das frühere Karstadt-Gebäude in Bottrop, in das schon vor einem Jahr Netto hätte einziehen sollen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Eine andere Option ist der Zwischenerwerb der Immobilie durch die Stadt. Mit dem „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte“ des Landes Nordrhein-Westfalen werden die Ausgaben zum Zwischenerwerb für drei Jahre gefördert, das Karstadt-Gebäude erfüllt die notwendigen Kriterien. Auch Abrisskosten könnten gefördert werden.

So wird Karstadt kein Zuhause für Bottroperinnen und Bottroper

Um eine dieser Möglichkeiten umzusetzen, braucht es allerdings eine Initiative, einen Anstoß, politisch oder von engagierten Bürgern, die sich koordiniert und mit reellen Plänen zusammentun. Dafür müsste allerdings Devello Verkaufsinteresse signalisieren – oder insolvent gehen. Zudem steigt mit jeder Diskussion um den Erwerb auch der mögliche Kaufpreis.

Mit Devello als Eigentümer, darauf deuten die leeren Versprechen und Entwicklungen der vergangenen Jahre hin, werden die früheren Althoff-Arkaden nicht mehr zum Magneten in der Innenstadt, zu einem Zuhause, als das es die Bottroperinnen und Bottroper damals gesehen haben.