Bottrop. Radfahrer haben nun beim Queren der Parkstraße am Stadtgarten Vorfahrt. So einfach, wie das klingt, ist die Sache nicht. Es gibt Lob und Kritik.

Morgens Punkt 9 Uhr am Torbogenhaus. Die neue, rot markierte Radquerung, die Fahrradfahrern und Fahrradfahrerinnen Vorfahrt beim Überqueren der Parkstraße gewährt, ist vor zwei Wochen offiziell eröffnet worden. Ein Novum nicht nur in der Stadt, sondern dank der Absegnung durch die Bezirksregierung sogar im ganzen Land. Heute wollen wir wissen: Wie kommt es bei den Verkehrsteilnehmern an? Ortstermin mit Heinz Brockmann, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Bottrop/Kirchhellen.

Bottroper ADFC-Vorsitzender: „Die Situation erstmal beobachten“

Heinz Brockmann selbst ist gespannt auf die Reaktionen von Autofahrern, Radlern und Fußgängern. Grundsätzlich begrüßt der ADFC-Vertreter die neue Vorfahrtsregelung für Radler, die nun vom Harald-Lubina-Weg ohne anhalten zu müssen quer über die Parkstraße Richtung Stadtgarten fahren – bzw. umgekehrt. „Wir haben der Stadt vor Jahren den Vorschlag gemacht, das zu machen.“ Nach einem ähnlichen Vorbild, das er aus Dorsten kennt. Dass es nun Kritik gibt, weiß Brockmann. Er findet aber: „Man sollte das erst einmal beobachten.“

Heinz Brockmann, ADFC-Vorsitzender, an der neuen Radquerung in Bottrop, die Fahrradfahrer und Fahrradfahrerinnen Vorfahrt beim Überqueren der Parkstraße gewährt.
Heinz Brockmann, ADFC-Vorsitzender, an der neuen Radquerung in Bottrop, die Fahrradfahrer und Fahrradfahrerinnen Vorfahrt beim Überqueren der Parkstraße gewährt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Und das wird jetzt gemacht. Viele Autofahrer nähern sich – bei vorgeschriebenem Tempo 30 – der Stelle tatsächlich recht vorsichtig. Allerdings dürften sie das ja auch schon aufgrund des Zebrastreifens gewohnt sein, der schon lange Fußgängern und das Rad schiebenden Pedalrittern an gleicher Stelle Vorrang beim Queren der Straße gewährt.

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Angeradelt kommt Barbi Mohr. Und sie gibt zu: „Bevor es nicht in der Zeitung stand, war mir gar nicht bewusst, dass ich als Fahrradfahrerin auf dem Zebrastreifen gar keine Vorfahrt habe.“ Und da dürfte sie nicht die einzige gewesen sein. Sollten, wie geplant, ähnliche Radquerungen etwa noch entlang der Radroute am Kirchschemmsbach eingerichtet werden, fände die Bottroperin das richtig gut. „Man muss in der Stadt oft genug an einer Ampel anhalten“, ist die Erfahrung der Viel-Radlerin.

Hunde-Besitzerin sieht Radquerung kritisch: „Das hätte nicht sein müssen“

Aus dem Stadtgarten kommt Irina Bierenfeld, sie ist auf Gassi-Runde mit ihrem Hund. Sie sieht die neue Radquerung kritisch, „das hätte nicht sein müssen“. Sie fürchtet, dass die Vorfahrtsregel dominante, rücksichtslose Radfahrer in ihrer Haltung noch bestärke. Irina Bierenfeld erlebt oft, dass Radfahrer rasen, E-Bike-Besitzer zumal, und gleichzeitig das warnende Klingeln unterlassen. Hier könnte die Radquerung neben dem Zebrastreifen allerdings auch einen positiven Aspekt haben, findet Brockmann: „Die Wege von Radfahrern und Fußgängern werden so getrennt.“

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Die Ein-/bzw. Ausfahrt zum Stadtgarten durch den Torbogen wird von Fußgängern wie Irina Bierenfeld oft als kritisch betrachtet, weil es eine recht unübersichtliche Engstelle ist. Das sieht auch Brockmann so, der Radlern hier Umsicht ans Herz legt. Der junge Fahrradfahrer, der an diesem Morgen vom Harald-Lubina-Weg mit Schwung und ohne rechts und links zu schauen über die Parkstraße und in den Park hinein saust, sei in jedem Fall zu schnell unterwegs, urteilt Brockmann.

Vorsicht bleibt trotz Vorfahrt für Radler geboten – schon weil auch Fahrzeuge auf Sonderfahrten unterwegs sind.
Vorsicht bleibt trotz Vorfahrt für Radler geboten – schon weil auch Fahrzeuge auf Sonderfahrten unterwegs sind. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Zumal einem auf vermeintlichen Fuß- und Radwegen auch noch ganz andere Verkehrsteilnehmer entgegenkommen können, wie sich an diesem Morgen zeigt. In die Einfahrt des Torbogenhauses fährt – auch nicht gerade im Super-Schnecken-Tempo – ein Service-Wagen, auf der anderen Straßenseite rollt ein Traktor mit Bewässerungsanhänger vom Fußweg auf die Straße.

Und ob Radfahrer mit ungebremst hoher Geschwindigkeit von den Autofahrern, die hier zum „Vorfahrt achten“ angehalten sind, gut gesehen werden? Die Beobachter jedenfalls sind geneigt zusammenzuzucken, als ein schneller Radler und ein Schulbus, der definitiv etwas mehr hätte bremsen können, sich doch recht nahe kommen.

Für Fred Stehling, Fußgänger heute, aber gern auch auf zwei Rädern unterwegs, sind die Autofahrer das Problem, die sich nicht an Tempo 30 halten. Auch wenn er die Radquerung an sich toll findet, ist für ihn klar: Er würde immer darauf achten, ob die Autofahrer auch tatsächlich für ihn bremsen.

Anwohner: Schilder sollten auf die Einengung der Straße aufmerksam machen

„Ich habe einen Verbesserungsvorschlag“, sagt derweil Anwohner Paul Heyenrath: Schilder sollten auf die neue Einengung der Straße an der Rad- und Fußgängerquerung aufmerksam machen. Nur jeweils ein Auto kann jetzt die Stelle passieren, doch die neuen Bordsteine der Einengung werden offenbar häufig übersehen. Das zeigen Schrammen an den Steinen; das haben Paul Heyenrath und andere aber auch schon beobachtet: „Ich sehe das manchmal abends, wie Autofahrer da drüber donnern. Sie kommen mit relativ hoher Geschwindigkeit die Parkstraße runter und weichen sich hier kaum aus.“

Die Bordsteinkanten der neuen Einengung an der Radquerung auf der Parkstraße werden von Autofahrern teils schlecht wahrgenommen.
Die Bordsteinkanten der neuen Einengung an der Radquerung auf der Parkstraße werden von Autofahrern teils schlecht wahrgenommen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Eigentlich besteht diese Einengung aus Beeten – allein, die Bepflanzung fehlt noch. Und ob diese in den dunklen Stunden für genug Aufmerksamkeit sorgen kann? Brockmann zieht das in Zweifel. Für ihn und andere ADAC-Mitglieder stelle sich durchaus die Frage: „Wenn Autos über den Bordstein brettern, wie gefährlich wird das dann für uns?“

Grundsätzlich aber sei die Einbuchtung eine gute Sache, findet ein weiterer Anwohner: „Die Aufmerksamkeit auch für die Fußgänger und die Kinder hier ist größer geworden. Die Leute sind achtsamer – das ist schön.“

Parkstraße soll Fahrradstraße werden

Wenn die Parkstraße voraussichtlich 2023 zur Fahrradstraße wird, „dann wird’s komisch“ im Bereich der neuen Radquerung, meint ADFC-Chef Heinz Brockmann. „Auf der Fahrradstraße haben Radfahrer eigentlich Vorfahrt vor allen anderen. An der Querung aber unterbricht man das Prinzip.“ Eine rechte Meinung dazu habe er sich noch nicht gebildet.

Eindeutig schlecht findet er allerdings das Verhalten von rund 50 Prozent der beobachteten Radfahrer an diesem Morgen, die statt auf der Straße auf dem Bürgersteig fahren. „Sie fühlen sich dort sicherer, obwohl sie das dort nicht unbedingt sind.“