Bottrop. Die „Plattdütschen ut Waold un Hei“ aus Bottrop-Fuhlenbrock feiern 70-Jähriges. Aktuell sind sie heimatlos, aber mit Mitgliedern gut aufgestellt.
Sie gehören inzwischen seit 70 Jahren zum Stadtteil Fuhlenbrock: die „Plattdütschen ut Waold un Hei“ ( Wald und Heide) feiern in diesem Jahr Jubiläum. Im Gespräch mit der WAZ lassen Vörsitter (Vorsitzender) Bernhard Schulz und Besitter (Beisitzer) Eugen Jocks die Geschichte des Heimatvereins Revue passieren und beschreiben die jetzige Situation.
Die „Blaukittel“ mit dem rot-weißen Halstuch und kleinem Holzschuhhalter setzen sich seit sieben Jahrzehnten für den Zusammenhalt im Fuhlenbrock ein, wollen Brauchtum pflegen und Jung und Alt zusammenbringen. Bei der Vereinsgründung spielte die Pflege der plattdeutschen Sprache in Wort und Schrift noch eine ganz wichtige Rolle. Es ist überliefert, dass die Satzung in Plattdütsch vom Amtsgericht abgelehnt wurde und in Hochdeutsch neu eingereicht werden musste.
Seit 70 Jahren im Fuhlenbrock: Plattdütschen ut Waold un Hei
Heute verstünden zwar noch einige Leute Platt, flüssig gesprochen würde es aber nur noch von ganz wenigen. Deshalb habe sich der Verein auch mehr den Kriterien „Stadtteilverbundenheit und Brauchtumspflege“ zugewandt, erklärt der „Vörsitter.“
Vielfältige Veranstaltungen prägen das Vereinsleben: Das Osterfeuer auf der Halde Haniel, der Maikranz auf dem Marktplatz, der Familientag, der Martinsumzug und Karneval sind dabei die Eckpunkte. Im Laufe von sieben Jahrzehnten mussten die Fuhlenbrocker mehrfach das Vereinslokal wechseln, von den Gaststätten Jakobsmeier, Overbeckshof und Lindemann zur jetzigen Situation. Man sei „heimatlos“, ein „Fluch der auf ganz Fuhlenbrock zutrifft“, sagt Vörsitter Bernhard Schulz.
Dem Verein fehlt eine Heimat im Fuhlenbrock
Nachdem auch das „Boni-Heim“ von St. Bonifatius geschlossen habe, „vagabundiere“ man herum „wo gerade was frei ist“: Der Karnevalsauftakt und die Weihnachtsfeier finden im Tennisclub statt, der Familientag im Waldpädagogischen Zentrum und die Karnevalsfeiern im Ludgerushaus. Auf die Dauer habe die Situationen negative Auswirkungen auf das gesamte Fuhlenbrocker Vereinsleben.
Bei den Plattdütschen legt man Wert darauf, kein Karnevalsverein zu sein, aber „wir feiern eben gerne“. Karneval ist ein wichtiger Bestandteil des Jahreskalenders, man beteiligt sich am Rosenmontagszug, hat ein – selbstverständlich plattdütsches – Motto und ein eigenes Prinzenpaar, das man bislang auch immer noch gefunden habe. Manchmal hätten sich auch erst kurzfristig, wenige Stunden vorher, Kandidaten bereiterklärt oder sich „bequatschen lassen“.
Kleines Malheur bei der Jubiläumsfeier der Plattdütschen
Stolz ist der Verein auf seine attraktive Tanzgarde, die „Deernkes“ seien eine „Augenweide“ wie Eugen Jocks betont. Auch die „Mettwurstorden“ hätten ein Alleinstellungsmerkmal, sagt Schulz, zudem seien sie viel „schmackhafter“ als die gewöhnlichen Blechorden.
Ende August wurde das Jubiläum auf dem Gelände von St. Ludgerus kräftig gefeiert. Neben Kranzniederlegungen und dem traditionellen Gottesdienst auf Plattdütsch bot der Samstag viel für die Kinder, etliche musikalische Darbietungen und die „Karibische Nacht“, die nicht zu kurz gewesen sein soll.
Keine Feier ist perfekt, ein kleines Malheur sorgte für Aufregung: Traditionsgemäß sollte es eine Runde „Milder Emil“ aus der Pannschüppe geben – Osterfeuerbesucher kennen das Ritual – aber der Schnaps war in der Kühlung eingefroren und musste in warmem Wasser gebadet werden, um wieder „geschmeidig“ zu werden.
Tanzgarde senkt den Altersdurchschnitt der Plattdütschen erheblich
Auf die provokative Frage „70 Jahre und noch kein bisschen müde?“ antworteten die Vorstandsmitglieder: „Um Himmels willen!“ und verweisen auf ihren plattdütschen Gruß: „Hot Pohl – bleib bei der Stange.“ Für die Zukunft sei die Gemeinschaft mit 145 Mitgliedern gut aufgestellt, die Aufnahme der Tanzgarde in den Verein habe den Altersdurchschnitt erheblich gesenkt.
Viele Mitglieder sind schon lange dabei, es gibt sogar noch Gründungsmitglieder, der bekannteste ist Bernhard Thiehofe, ehemaliger Bürgermeister und jahrzehntelang Vereinsvorsitzender. Inzwischen gibt es viele Kinder und Enkel von Mitgliedern, die man bei Veranstaltungen gezielt „versorgt“, der jährliche Familientag ist besonders darauf ausgerichtet.
In der Festschrift gibt es neben den viele Erinnerungen weckenden Fotos aus der Plattdütschen Bildergalerie auch historische Rückblicke. Ein Foto von 1951 zeigt die „Hühnerstiege“, die als provisorische Holzbrücke die beiden Ortsteile „Waold und Hei“ verband. Eine Abbildung zeigt den Kotten, ein Wohngebäude mit Stall, das 1968 dem Marktplatz weichen musste. Im Verein ist jeder herzlich willkommen, wenn er sich mit dem Verein identifiziert, auch wenn er kein Fuhlenbrocker ist. Besonders gern werden aktive Mitglieder gesehen, die bereit sind, tatkräftig mitzuwirken.
Weitere Infos und Kontakt über www.plattdütsche.de.