Bottrop. Seit zehn Jahren erhalten Betroffene in der Frühphase der Demenz und ihre Familien Hilfe im Tagestreff „MalTa“ Bottrop. Eine Angehörige erzählt.
Der Weg von Hünxe nach Bottrop ist nicht ganz ohne, dank Baustellen und Staus. Doch für ihren Werner (83) nimmt Inge (81) Wehrmann die Strecke dreimal die Woche am Steuer ihres Wagens gerne in Kauf, hin und zurück. Körperlich fit, ist der Senior an Demenz erkrankt. Der darauf spezialisierte Tagestreff „MalTa“ der Malteser an der Scharfstraße in Bottrop tut ihm gut – und seiner Frau ebenso. Werner lächelt, Inge wirkt entspannt, als sie ihn an diesem Nachmittag abholt.
Nach der Diagnose Demenz stand die Familie alleine da
Dabei standen sie nach der Diagnose erst einmal fassungslos da – und sehr alleine. „Ich erhielt die Mitteilung: Ihr Mann ist dement“, erinnert sich Inge Wehrmann. „Und jetzt?“ habe sie gefragt. „Ist das so“ habe die wenig hilfreiche Antwort gelautet.
Über eine Freundin der Tochter entstand der Kontakt zum MalTa, Tagestreff und Begegnungsstätte für Menschen in der Frühphase der Demenz nun seit genau zehn Jahren. Zwar brauchte es etwas, auch ihren Werner vom Besuch zu überzeugen. Aber seit nunmehr rund zwei Jahren schätzt er die Gesellschaft anderer Betroffener im MalTa, wo sich alle duzen, genießt die gut gelaunte Betreuung und die Beschäftigungen, denen er dort nachgehen kann. Jeder gut strukturierte MalTa-Tag beginnt gegen 9 Uhr mit einem Frühstück und endet um 15 Uhr.
MalTa-Treff in Bottrop: Auch Angehörige haben immer einen Ansprechpartner
„Werner geht immer mit Begeisterung hin“, erzählt die Seniorin aus Hünxe, die die Zeit für eigene Termine oder die Bewältigung größerer Aufgaben im Haushalt nutzt. „Und wenn es mir nicht gut geht, kann ich hier immer mit jemandem reden.“
MalTa-Leiter Mario Schneeberg erläutert: „Im Bereich der Demenz sind die ersten Jahre nicht geprägt von Pflegethemen.“ Vielmehr gehe es um das gezielte Fordern und Fördern der Gäste und das Entlasten der Angehörigen.
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Die Beeinträchtigung durch die Demenz habe sich bei Werner Wehrmann im Laufe der Zeit „unheimlich verschlechtert“. „Ich glaube, ohne den Besuch hier wäre es noch schlimmer“, meint Inge Wehrmann. Dazu kommen die positiven Effekte auf die Stimmung. So erzählt auch die 81-Jährige: „Heute morgen war mein Mann schlecht drauf, er war nachts sechsmal auf.“ Und sie im Übrigen auch…. „Aber jetzt ist er besserer Stimmung.“
Denn Unruhe, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Aggressionen gehören oftmals zu den Begleiterscheinungen, wenn Betroffene spüren, wie ihnen ihr bisheriges Leben entgleitet.
„Es ist wie ein Familienleben hier bei uns“, beschreibt Petra Menke, eine der vier hauptamtlichen Mitarbeitenden, die MalTa-Atmposhäre. Die Gäste können, je nach Neigung, spazieren gehen, bei der Essensvorbereitung mithelfen, Kuchen backen, Zeitung lesen, ihr Gedächtnis trainieren, rätseln, knobeln, handarbeiten, gärtnern. Oder auch den kleinen Rauhaardackel Momo (8) kuscheln, der genauso zum Inventar gehört wie gemütliche Sofas, Schrank und Lampe aus alten Zeiten, klassische Blumenbilder an den Wänden.
Nach den Sommerferien beginnen auch wieder die monatlichen Schulungen zum Thema Demenz für die Öffentlichkeit. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der MalTa-Arbeit, die Hilfe und Hoffnung für Erkrankte und Angehörige gleichermaßen vermitteln will. Die derzeit 26 Tagesgäste sind zwischen 58 und 92 Jahren alt, für den Besuch des Tagestreffs ist eine Demenz-Diagnose Voraussetzung. Über die Pflegekasse gebe es Möglichkeiten, ein, zwei Tage Demenztreff pro Woche finanziert zu bekommen. Pflege selbst ist aber kein Bestandteil des MalTa-Angebotes.
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Die Arbeit von MalTa folgt seit dem Frühjahr 2012 bereits dem Silviahemmet-Konzept, nach der gleichnamigen Stiftung, die Königin Silvia von Schweden aufgrund eigener familiärer Erfahrungen gegründet hat. Grundgedanke der Stiftung ist es, die Sicht des an Demenz erkrankten Menschen einzunehmen und sich an seinen Bedürfnissen zu orientieren. Als der Bottroper MalTa-Treff vor zehn Jahren als erster dieser Art in Deutschland eröffnet wurde, war Königin Silvia selbst vor Ort. „Es ist eine großartige Initiative, den Erkrankten und ihren Angehörigen das oft nicht einfache Schicksal zu erleichtern“, sagte sie damals.
Da kann Inge Wehrmann mit Sicherheit nur zustimmen.
Das Zehnjährige wird intern am 14. Mai gefeiert. Wer Fragen zu Schulungsangebot oder Tagestreff hat bzw. einen unverbindlichen MalTa-Besuchstermin vereinbaren möchte, wendet sich an Mario Schneeberg, 02041 375 46 42, E-Mail mario.schneeberg@malteser.org
Weitere Anlaufstellen
Kommt Pflegebedürftigkeit zur Demenz dazu, ist möglicherweise der Besuch einer Tagespflege sinnvoll. Diese Tagespflegen gibt es in Bottrop: Diakonie-Zentrum Otto-Joschko-Straße 8 (02041 16 01 65), ASB „Am Germaniahof“ (02041 76 12 76), ASB „Am Lamperfeld“ (02041 375 44 10), ASB „Zur Gartenstadt“ (02041 375 44 20).
Unter der Überschrift „Lebensräume im Quartier“ betreibt die Diakonie eine Demenz-WG (An der Sandbahn 8, 02041 375 36 70). Dabei handelt es sich um zwei ambulante Wohngemeinschaften für Menschen mit demenzieller Veränderung. 24 weitere neue WG-Plätze gibt es an der Klosterstraße in der Boy (ANW-Wohnen, 0209 177 55 70).
Beim Bottroper Gesundheitsamt ist eine kostenlose Demenzberatung angesiedelt. Die zuständigen Mitarbeiterinnen sind Martina Luszowski (02041 70 46 80) und Sabine Scherwietes-Nowocin (02041 70 35 62). Zum Angebot gehören Gedächtnissprechstunden und Hausbesuche.
Eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz trifft sich im DRK-Haus Rottmannsmühle. Kontakt: Christine Fieseler, 02041 7373 454; E-Mail c.fieseler@drk-bottrop.de