Essen./Bottrop./Gladbeck. Ein Gladbecker verweigert bei einer Hochzeit in Bottrop den Tanz mit dem Bräutigam und wird niedergestochen. Montag begann der Prozess.

300 Gäste feierten in Bottrop fröhlich das Brautpaar, nur zwei gerieten in einen Streit. Der eskalierte, als sich der Gladbecker Anil T. einmischte und einen der Streithähne niederstach. Seit Montag muss der 22-Jährige sich vor dem Schwurgericht in Essen verantworten. Auf versuchten Totschlag lautet die Anklage.

Der Angeklagte aus dem Gladbecker Ortsteil Butendorf räumt die Stiche zwar ein, will aber in einer Art Notwehr gehandelt haben. Wie es dazu kam? Da spricht er selbst von "einem nichtigen Anlass".

Zunächst gelungene Hochzeitsfeier

Der Muazzam Palast im Bottroper Stadtteil Boy preist sich im Internet als Ort für außergewöhnliche Ereignisse und wird dort entsprechend gelobt. Auch die Gäste, die am 27. Dezember vergangenen Jahres zu der Hochzeitsfeier kamen, erlebten einen gelungenen Abend.

Zu den Bräuchen dieser türkischen Hochzeit gehörte, dass die männlichen Gäste mit dem Bräutigam tanzten. Der ältere Bruder des Angeklagten hatte seinen Tanz gerade beendet und wollte den nächsten Tanzpartner aufs Parkett holen. Dieser Mann, ein 28 Jahre alter Gladbecker, hatte aber keine Lust und weigerte sich. Vergeblich versuchte der andere Gast, ihn zum Bräutigam zu ziehen.

In den Streit eingemischt

Damit hätte die kleine Auseinandersetzung enden können - wenn sich der Angeklagte nicht eingemischt hätte. Denn die beiden Kontrahenten hatten sich abseits der Tanzfläche hingesetzt und ein wenig lauter über den verweigerten Tanz diskutiert. Der Angeklagte setzte sich dazu.

Plötzlich soll das spätere Opfer dem Bruder des Angeklagten eine Ohrfeige verpasst haben. Laut Staatsanwältin Elisa Fähnrich nahm der Angeklagte das zum Anlass, den 28-Jährigen an den Haaren nach unten zu ziehen und mit einem Klappmesser mehrfach auf ihn einzustechen. Die zehn Zentimeter lange Klinge traf zweimal den Rücken des Opfers und viermal Brustkorb und Arm. Sie verursachte lebensgefährliche Verletzungen.

Gäste griffen energisch ein

Sein Leben hat der 28-Jährige mehreren Hochzeitsgästen zu verdanken, die energisch eingriffen. Mit einer Notoperation halfen ihm schließlich die Ärzte im Krankenhaus.

Anil T. hatte sofort die Flucht im Auto ergriffen. Einen Tag später stellte er sich in Begleitung seines Anwaltes der Polizei. Er kam in U-Haft, ist mittlerweile aber gegen eine Kaution frei.

Dem Opfer 5000 Euro angeboten

Sein Verteidiger Rüdiger Deckers verliest am Montag ein Geständnis, in dem der Angeklagte sich entschuldigt und dem Opfer 5000 Euro anbietet. Er habe sich nur zu den beiden Streithähnen gesetzt, um seinen Bruder zu beschützen. Das Opfer, das er gut kenne, habe dann "sehr abfällig" reagiert und zu ihm gesagt: "Was willst du hier, wenn sich zwei Ältere unterhalten?"

Dann habe das Opfer den Bruder geschlagen. Anil T. will auch zweimal geschlagen haben, doch das Opfer habe ihn plötzlich fest umklammert, um einen neuen Schlag zu setzen. Da will Anil T. aus Angst und zur Abwehr zugestochen haben: "Er ist 1,80 groß und 85 Kilo schwer, ich nur 1,69 und 65 Kilo."

Tötungsabsicht verneint

Er sei da völlig überfordert gewesen, und dies alles bedauere er sehr. Eines sei klar: "Ich wollte ihn nicht töten oder schwer verletzen. Ich wollte, dass er aufhört zu schlagen." Er habe eindeutig überreagiert und sei entsetzt über diesen nichtigen Anlass.

Richter Simon Assenmacher fragt nach, was an der Äußerung des Opfers so beleidigend gewesen sei, bleibt aber ohne echte Antwort.

Flucht im Audi A8

Und er will wissen, mit welchem Auto Anil T. geflüchtet sei. Ein Audi A8 sei es, der gehöre seinem Onkel.

Schließlich fragt der Richter, warum der Angeklagte ein Messer dabei hatte. Er sei im Park mal Opfer eines Raubüberfalls geworden, antwortet er. Er fügt hinzu: "Heute trägt ja jeder eines." Drei weitere Tage hat die Kammer angesetzt.