Bottrop. Nur junge Leute zocken Videospiele? Die Bottroper Diakonie hat nun ein Videospiel für Senioren eingeführt – vor allem Demenz-Kranke profitieren.

Videospiele sind nur was für junge Leute? Von wegen: In der Diakonie-Tagespflege an der Otto-Joschko-Straße sieht und hört man an diesem Vormittag sofort, welch großen Spaß auch Senioren an einem digitalen Spiel haben. Wie es sie in Aktion bringt, ihr Gedächtnis herausfordert, sie mit den Mitspielern mitfiebern und gemeinsam lachen lässt. Dabei sitzen die fünf Damen und der eine Herr wie in guten alten Gesellschaftsspiel-Zeiten um einen großen Tisch herum.

In der Diakonie-Tagespflege an der Otto-Joschko-Straße in Bottrop spielen Inge Chilla und Cäcilia Pohl mit den Lichtprojektionen, die eine Art Beamer auf die Tischplatte wirft. Tovertafel nennt sich dieses Videospiel für Senioren mit und ohne Demenz.
In der Diakonie-Tagespflege an der Otto-Joschko-Straße in Bottrop spielen Inge Chilla und Cäcilia Pohl mit den Lichtprojektionen, die eine Art Beamer auf die Tischplatte wirft. Tovertafel nennt sich dieses Videospiel für Senioren mit und ohne Demenz. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Auf dem allerdings liegen weder Brettspiel noch Karten. Vielmehr handelt es sich bei den Bildern auf der Tischplatte um Lichtprojektionen aus einer Art Beamer über dem Tisch, die sich mit einfachen Handbewegungen steuern lassen. Gerade sind es große Memory-Karte, und wenn man eine davon berührt, dreht diese sich wie von Zauberhand bewegt um. Die Seniorinnen und der Senior suchen engagiert Paare, benennen dabei die Bilder, vom Klavier bis zum Pferd.

Tovertafel in Bottrop: Alle Senioren machen mit ihren Fähigkeiten mit

Die eine reckt sich dabei locker weit über den Tisch, der andere braucht etwas Hilfe. Hier werden die Paare fix erkannt (und selbst verraten, obwohl man gar nicht an der Reihe ist), dort muss etwas länger überlegt werden. Aber mitmachen, das tun sie alle. Auch beim nächsten Spiel: Auf den Tisch projizierte Blumen gewinnen durch Wischen an Größe.

Inge Grande (80) sitzt an diesem Tag zum ersten Mal an der Tovertafel, wie dieser digitale Spieltisch heißt.„Ich finde das super“, sagt sie. „Es ist eine gute Idee für ältere Menschen. Man muss sein Gehirn anstrengen, muss mehr überlegen. Ich bin 80, da ist doch schon einiges in Vergessenheit geraten. Aber ich bin noch zufrieden.“

Inge Grande (80) findet das Spielen an der Tovertafel „super“ – man sieht ihr die Freude an.
Inge Grande (80) findet das Spielen an der Tovertafel „super“ – man sieht ihr die Freude an. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Dass dieses Videospiel auch therapeutische Effekte hat, weiß Einrichtungsleiterin Kerstin Pröse zu schätzen. Sie berichtet von Wirkungsstudien und eigenen Beobachtungen, wenn sie sagt: „Die Tovertafel regt die Sinne an, sie regt zur Kommunikation an. Menschen, die sonst sehr ruhig sind, machen aktiv mit.“ Das sei gerade auch bei den Senioren mit Demenz zu beobachten, für deren Bedürfnisse das digitale Gerät passende Videospiele bietet. „Es gibt kein Versagen. Man kann sich etwa per Handbewegung einen Ball zurollen, ohne dass er runterfällt. Für dementiell veränderte Menschen ist das toll, es ist immer ein positives Erlebnis. Und schon die kleinste Bewegung zeigt Wirkung.“

Pflegedienstleiterin Angelika Rother bestätigt: „Wir haben hier einen stark dementiell veränderten Menschen. Man merkt, wie er durch die Tovertafel optisch angeregt wird, dazu kommen ja auch noch akustische Elemente.“ Er komme in Bewegung, auch kognitiv passiere etwas.

Sieht fast unscheinbar aus: Der Lichtprojektor, der im Diakonie-Zentrum in verschiedenen Räumen an einer Deckenhalterung angebracht werden kann, um Spiele auf Tischplatten oder auch den Boden zu projizieren.
Sieht fast unscheinbar aus: Der Lichtprojektor, der im Diakonie-Zentrum in verschiedenen Räumen an einer Deckenhalterung angebracht werden kann, um Spiele auf Tischplatten oder auch den Boden zu projizieren. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

So vielseitig die Tovertafel ist, so kostspielig ist sie auch. Das Awo-Seniorenzentrum „Zur schattigen Buche“, wo man nach der Testphase ebenfalls ganz begeistert von dem Zaubertisch war, hatte 2018 eine Spendenaktion zur Finanzierung gestartet. Im Fall des Diakonie-Zentrums – die Tovertafel wird auch im Bereich der Kurzzeitpflege genutzt – hat die Förderstiftung Diakonisches Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten den Kauf mit gut 8500 Euro unterstützt. Inklusive Schulung fürs Team.

Diakonie-Förderstiftung schüttet 19.000 Euro für vier Projekte aus

Die Tovertafel ist dabei das erste von vier Projekten, die die Förderstiftung mit insgesamt gut 19.000 Euro finanziert. Denn diese wurde erst im vergangenen Jahr vom hiesigen Diakonischen Werk mit der Sparkasse gegründet. Erklärtes Ziel ist es, zusätzliche Projekte zu fördern, quer durch alle Einrichtungen und Diakonie-Zielgruppen.

Infos zur Förderstiftung: www.foerderstiftungdiakonischeswerk.de

Tovertafel bedeutet Zaubertisch

Tovertafel ist das niederländische Wort für Zaubertisch. Das Spielgerät wurde im Rahmen der Doktorarbeit von Hester Anderiesen Le Riche in den Niederlanden entwickelt.Die Entscheidung des Stiftungsrates, die Tovertafel zu realisieren, begründet der theologische Diakonie-Geschäftsführer Pfarrer Karl Hesse so: „Uns haben die vielen Möglichkeiten dieser innovativen digitalen Spieltafel überzeugt. Sie aktiviert, schafft Gemeinschaft und trainiert die Motorik. Zudem schlägt die innovative Technik eine Brücke zur jüngeren Generation.“