Bottrop. Alle Bottroper Schulen sind jetzt mit Schulsozialarbeitern versorgt. Was deren Arbeit ausmacht, zeigt ein Besuch an der Korczak-Gesamtschule.

Dank der Finanzspritze durch das Bundes- und Landesprogramm „Aufholen nach Corona“ wird die Schulsozialarbeit in Bottrop gestärkt: Es gibt nun keine Schule in Bottrop mehr, die auf die Unterstützung dieser speziell ausgebildeten Fachkräfte verzichten muss. Was diese für die Schulgemeinde so wertvoll macht? Nachgefragt an der Janusz-Korczak-Gesamtschule (JKG).

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Dort ist die Schulsozialarbeit seit langem etabliert. Ihre Hauptaufgabe: Vertrauen gewinnen, das Miteinander stärken, Ansprechpartner bei allen Problemen sein, die abseits der Stoffvermittlung auftreten. Für Lehrer, aber vor allem für Schülerinnen und Schüler. Denn in der Schule wird bekanntlich nicht nur gelernt, sondern auch gelebt. „Die Schulsozialarbeiter sind ein unheimlicher Gewinn für uns“, betont Schulleiter René Heuwieser. „Bei uns muss kein Kind irgendeine Nummer gegen Kummer anrufen. Wir haben die Beratung im Haus.“ Als zusätzliche Profession zu den Lehrkräften, mit spezieller sozialpädagogischer, auch interkultureller Ausbildung und eigener Herangehensweise. „Eine ganz wichtige Säule, die unterstützend wirkt“, sagt Heuwieser.

Schulsozialarbeit: Drei Fachkräfte an Bottroper Janusz-Korczak-Gesamtschule

Und so teilen sich an der JKG gleich drei Fachkräfte die Aufgaben, die von Teambildungsmaßnahmen über Social-Media-/Datenschutz-Training bis zu Einzelberatungen bei Problemen von der Gewalterfahrung bis zum übermäßigen Alkoholkonsum reichen: Karin Cienia, Uta Peters und John-Lee Brauer. Der mit 27 Jahren jüngste im Team, schwerpunktmäßig im Einsatz in den Jahrgangsstufen 9 und 10, ist derzeit zum Beispiel mit Fragen rund um die Corona-Pandemie beschäftigt.

Etwa, wenn es um die Entscheidung pro oder contra Impfung geht. Dabei fährt Brauer keine Kampagne, berät aber, wo er kann. „Ich bin teilweise bei den Coronatests morgens dabei und unterhalte mich mit den Schülern, die Fragen zum Impfen haben“, berichtet Brauer.

Bottroper Schulsozialarbeiter klärt über Fakenews auf

Gezielt mit jeweils einer Unterrichtsstunde in Klassen gegangen ist er indes, um über Corona-Fakenews aufzuklären. „Ob das angebliche Würmer in der Maske sind oder die Annahme, dass man durch eine Impfung magnetisch wird“, nennt er Beispiele unwahrer Behauptungen, die der Sozialarbeiter keinesfalls so stehen lassen will. „Die Aufklärung über Fakenews ist mein Steckenpferd.“

John-Lee Brauer, Schulsozialarbeiter an der JKG in Bottrop, an seinem Schreibtisch. Hier finden zum Beispiel Beratungsgespräche mit Schülern statt. Er hilft auch ganz praktisch, wenn zum Beispiel mal eine Praktikumsbewerbung ausgedruckt werden muss, der Schüler aber daheim keinen Drucker hat.
John-Lee Brauer, Schulsozialarbeiter an der JKG in Bottrop, an seinem Schreibtisch. Hier finden zum Beispiel Beratungsgespräche mit Schülern statt. Er hilft auch ganz praktisch, wenn zum Beispiel mal eine Praktikumsbewerbung ausgedruckt werden muss, der Schüler aber daheim keinen Drucker hat. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Im Lockdown haben die Schulsozialarbeiter Schüler, die im Distanzunterricht nicht auftauchten, teils daheim besucht. In der jetzigen Phase müsse der angewöhnte übermäßige Videospiel- und TV-Konsum samt Übermüdung aufgearbeitet werden.

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Nun ist die Corona-Krise eine Ausnahmesituation, durch die das ohnehin oftmals turbulente Tagesgeschäft aber ja nicht weniger geworden ist. „Ich habe viele Beratungsstunden, in denen ich zum Beispiel nach Rücksprache mit dem Klassenlehrer aktiv auf einen Schüler zugehe oder Schüler von sich aus zu mir kommen.“ Parallel sind die Sozialarbeiter stets auf Abruf, wenn es etwa eine Auseinandersetzung in der Klasse gibt, „bei der die Klassenlehrer mit ihrem Latein am Ende sind“.

Körperliche Auseinandersetzungen gehören zu den häufigsten Problemen

Die häufigsten Probleme, mit denen Brauer befasst ist, sind: Körperliche Auseinandersetzungen – im Unterricht oder auf dem Schulhof wurde geschlagen; Störungen im Unterricht etwa durch Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit, Konzentrationsschwierigkeiten. „Wir gucken immer dahinter“, beschreibt Brauer die Suche nach einer Lösung.

Ein direktes Mobbing-Problem sehen Brauer und Heuwieser an der JKG nicht, wissen aber, das Beleidigungen per Internet, die im häuslichen Umfeld geschehen, in die Schule hineingetragen werden. Auch Gangbildung könnte im schlimmsten Fall zum Mobbing führen. Zuletzt sei daran gearbeitet worden, eine Mädchenclique in dieser Hinsicht aufzubrechen.

Oberstes Gebot: „Alles beruht auf Freiwilligkeit.“ Jeder Schüler, jede Schülerin müsse anders angepackt werden. „Der eine braucht einen Schuss vor den Bug, bei anderen muss man vorsichtig vorgehen. Das ist alles Fingerspitzengefühl.“ Manche würden die Beratung auch nach dem Lockdown lieber über Teams aus der Distanz wahrnehmen. In allen Fällen gilt: „Alles, was besprochen wird, bleibt in der Regel unter uns.“ In Absprache mit den Schülern werden Eltern, beste Freunde, professionelle Hilfe ins Boot geholt, beim Verdacht auf Kindeswohlgefährdung auch das Jugendamt eingeschaltet. Zentral ist die Rückkopplung ins Lehrerkollegium und in die Schulleitung.

Brauer spürt, dass er und seine Kollegen gebraucht werden: „Wir erfahren von allen Seiten sehr viel Wertschätzung.“