Bottrop. Zuletzt ereignete sich fast täglich ein Unfall mit Radfahrern auf Bottrops Straßen. Das sagen Zahlen, Experten und Radler zum Thema Sicherheit.
„Zusammenstoß im Kreuzungsbereich – eine Fahrradfahrerin leicht verletzt“, „Zusammenstoß zweier Fahrräder“, „13-Jähriger bei Unfall leicht verletzt“ – das sind nur drei der Meldungen, die die Polizei in der vergangenen Woche für Bottrop veröffentlicht hat. Insgesamt kam es in der Woche zu sechs Unfällen, bei denen Radfahrer verletzt wurden oder zumindest beteiligt waren. Auch am Mittwoch meldete die Polizei einen Unfall. Ein 18-Jähriger war auf dem Radweg der Prosperstraße unterwegs, Im Einmündungsbereich der Waterkampstraße kollidierte er mit dem Auto einer 61-Jährigen und verletzte sich leicht.
Diese Häufung fällt auf und wirft vor allem eine Frage auf. Wie sicher ist das Radfahren in Bottrop? Ein Blick in die Unfallstatistik der Polizei zeigt: Innerhalb der letzten fünf Jahren gab es einen leichten Anstieg bei den Unfällen, an denen Radfahrer beteiligt waren. 2016 verunglückten 63 Fahrradfahrer im Bottroper Straßenverkehr, in den vergangenen beiden Jahren waren es jeweils 77.
Im Vergleich der reinen Zahlen steht Bottrop im Ruhrgebiet gut da
Zieht man einen Vergleich zu anderen Ruhrgebietsstädten und rechnet die Zahl der Unfälle auf 100.000 Einwohner um, so ergibt sich ein anderes Bild. Dann steht Bottrop im reinen Zahlenvergleich sogar gut da, kommt auf 65,5 Fahrradunfälle pro 100.000 Einwohner. Die Nachbarstadt Gladbeck kommt dann auf 83,6 Herne, Essen und Oberhausen liegen bei einem Wert von über 70.
Bei der Polizei hat man die Häufung der Unfälle zuletzt auch bemerkt, sieht darin aber noch keinen Trend. Im Gegenteil, so Sprecherin Corinna Kutschke, es gebe tendenziell sogar eher einen Rückgang der Fahrradunfälle bisher in diesem Jahr. Das gelte für Bottrop und den gesamten Bereich des Präsidiums Recklinghausen. Zumindest zeige das die bisherige Auswertung der Direktion Verkehr. Allerdings liegen dort auch erst die Fälle bis Ende Mai vor. Was später geschehen ist, sei noch in der Bearbeitung und noch nicht in die Zahlen eingeflossen. Jedoch: Die Zahlen des laufenden Jahres gibt die Polizei nicht heraus.
Polizei geht aktuell von zufälliger Häufung aus und verweist auf gutes Wetter
Trotzdem: Bei der Polizei geht man zunächst von einer zufälligen Häufung aus, auch beeinflusst durch das gute Wetter. Der Sonnenschein in Kombination mit den Corona-Lockerungen habe möglicherweise auch dafür gesorgt, dass wieder mehr Radfahrer unterwegs seien.
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Tatsächlich passierten die Unfälle an ganz unterschiedlichen Stellen im Stadtgebiet. Auch die Art der Unfälle unterscheidet sich. Das Unglück mit dem jungen Radfahrer ereignete sich in einem Kreisverkehr. Stoßen zwei Radfahrer zusammen, so dürfte ziemlich klar sein, dass mindestens einer der beiden einen Fehler gemacht hat. Bei dem „Unfall im Kreuzungsbereich“ dagegen handelt es sich um einen klassischen Abbiegeunfall. Die Radfahrerin wollte geradeaus fahren, der Autofahrer abbiegen, es kam zum Zusammenstoß.
Fahrradklimatest des ADFC lässt Bottroper Radfahrer urteilen
Pikant in dem Fall: Der Unfall ereignete sich im Kreuzungsbereich von Friedrich-Ebert- und Bahnhofstraße. Dort war es 2017 auch zu einem tödlichen Unfall gekommen. Ein Lkw-Fahrer hatte beim Abbiegen eine Radfahrerin übersehen. An den Unfall erinnert seit 2019 ein weißes Fahrrad, ein so genanntes Ghostbike, das erste dieser Art in Bottrop. Der Unfall vergangene Woche verlief glimpflicher, ereignete sich zudem in einem anderen Teil der Kreuzung.
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Doch wie sicher fühlen sich Radfahrer in Bottrop? Anzeichen dafür liefert der Fahrradklimatest des ADFC. Alle zwei Jahre ruft der Allgemeine Deutsche Fahrradclub Radfahrer auf, ihre Stadt zu bewerten. Darin wird immer auch das Sicherheitsgefühl der Radfahrer abgefragt. Die letzten Ergebnisse hat der ADFC im März veröffentlicht. 143 Bottroper haben sich beteiligt, das Sicherheitsgefühl bewerten sie mit 4,4, also gerade noch ausreichend. Aus Sicht der Radfahrer kommt es auch häufig zu Konflikten mit Autofahrern, hier vergeben sie die Schulnot 4,5. Ebenfalls nicht gut weg kommen bei der Befragung die Fahrradwege und Radfahrstreifen (4,7).
Selbstverständlich sind die Ergebnisse nicht repräsentativ und es gibt umgekehrt genügend Autofahrer und Fußgänger, die in diversen Gruppen in sozialen Netzwerken über ihre schlechten Erfahrungen mit rücksichtslosen Radfahrern klagen.
Radfahren ist auch eine soziale Frage
Ende des Monats tagt die Unfallkommission von Straßenverkehrsamt und Polizei. Dabei werde man sicher auch über die letzten Unfälle mit Radfahrern sprechen, sagt Monika Werwer, die Leiterin des Straßenverkehrsamtes. Allerdings geht es bei diesen Treffen um Unfallhäufungsstellen. Die aber gebe es bezogen auf die Fahrradunfälle wohl nicht.
Es seien auch keine sofortigen Reaktionen nötig gewesen. Denn selbstverständlich stehe man in engem Austausch mit der Polizei und wenn sich bei Ermittlungen zu einem Unfall – unabhängig von einer Beteiligung von Radfahrern – ergebe, dass man Dinge ändern müsse, werde das sofort in die Wege geleitet. Doch bisher gebe es keine solchen Informationen.
Appell an gegenseitige Rücksichtnahme
Generell appelliert die Leiterin des Straßenverkehrsamtes an Radfahrer wie Autofahrer und ruft zu gegenseitiger Rücksichtnahmen auf. Fehlverhalten lasse sich auf beiden Seiten täglich im Straßenverkehr beobachten, so ihre Einschätzung.
Dem scheidenden Leiter der Jugendverkehrsschule, Reinhard Lücke, ist in seinen Jahren im Einsatz mit Kindern noch etwas anderes aufgefallen. Wie sicher Kinder auf dem Fahrrad unterwegs sind, sei durchaus auch eine soziale Frage. Kommen Schülerinnen und Schüler aus dem Bottroper Norden – den als bürgerlicher geltenden Stadtteilen – zur Jugendverkehrsschule, so könnten sie meist besser fahren als Kinder aus anderen Stadtteilen. Grundsätzlich aber hätten die Fähigkeiten nachgelassen. Das habe er bei einem Versuch festgestellt, bei dem Zehnjährige vom Fahrrad aus einen Becher hätten aufnehmen sollen, und ihn später wieder abstellen sollen. „Ich musste es abbrechen, weil die Kinder keine zehn Meter mit einer Hand fahren konnten.“
Polizei will Training für Senioren auf dem E-Bike anbieten
Die Polizei nimmt beim Thema Verkehrssicherheit noch eine andere Gruppe in den Blick: Senioren, die auf E-Bikes setzen. Hier werde man, sobald Corona es wieder zulässt, wieder entsprechende Sicherheitstrainings anbieten, sagt Sprecherin Corinna Kutschke. Vor dem Hintergrund hat die Polizei sich auch die Fläche der Jugendverkehrsschule am Maybachweg angeschaut. „Die wäre aus unserer Sicht geeignet, nun liegt die Entscheidung bei der Stadt.“