Bochum. Seit dem 1. Juli 2014 haben die Krankenkassen die Festbeträge für viele Medikamente gesenkt. Ihr Blutdruckmittel kostet eine Seniorin aus Bochum jetzt über 50 Euro mehr. Die Krankenkasse schlägt eine Umstellung auf ein Vergleichsmedikament vor – das verträgt die Patientin gesundheitlich aber nicht.

„Ich bin stinksauer, dass das alles auf dem Rücken der Patienten ausgehandelt wird“, ist Gerda Neumann (77) sichtlich erbost.

Die Seniorin war kürzlich in der Apotheke, um ihre blutdrucksenkenden Medikamente zu kaufen – seit jeher das selbe Präparat, weil Vergleichsmedikamente in der Vergangenheit zu Nebenwirkungen geführt hätten. Dies sei auf dem Rezept ihres Hausarztes ausdrücklich so bestätigt. „Und plötzlich soll ich anstatt 10 Euro 63 Euro für ein und dasselbe Blutdruckmittel zuzahlen? Das kann doch nicht richtig sein“, ist die Bochumerin aufgebracht.

Gerda Neumann geht es wohl wie vielen Kranken, die seit dem 1. Juli vor dem Apothekentresen stehen und sich ärgern. Die neuen Festbeträge für viele Medikamente bringen die Patienten in Rage, weil durch die Reform die Anzahl der zuzahlungsbefreiten Arzneimittel weiter gesunken ist und auf die Patienten nun mitunter hohe Extrakosten zukommen. „Seit 50 Jahren bin ich Mitglied bei meiner Krankenkasse – aber wir wurden nicht einmal informiert über diese neuen Regelungen“, beschwert sich Gerda Neumann.

Festbeträge gesenkt – Medikamentenpreise nicht

Für 13 arzneiliche Wirkstoffgruppen hat der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zum 1. Juli die Festbeträge gesenkt. Darunter befinden sich insbesondere Blutdruck- und Kreislaufmittel. Die Pharmahersteller allerdings haben ihre Preise nicht gesenkt, deshalb müssen nun die Patienten tiefer in die Tasche greifen. Die Krankenkassen wollen so den Wettbewerb in der Pharmaindustrie ankurbeln, konkret: Preissenkungen erzwingen.

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„Es gibt auch Vergleichsmedikamente, die günstiger sind als die Originalpräparate“, erklärt die Apothekerin Beatrice Hüppmeier aus Bochum. Doch können nicht alle Patienten automatisch auf diese zurückgreifen: „Diese sogenannten Generika sind entgegen der landläufigen Meinung trotz ihres gleichen Wirkstoffes nicht immer gleich wirksam, und nicht jeder verträgt jedes Medikament gleich gut“, so die Apothekerin.

Hersteller können alle 14 Tage die Preise wechseln

Für die Patienten bedeutet dieser Wettbewerb große Verunsicherung: Sie müssen häufiger das Präparat wechseln, weil die Kassen mit den einzelnen Pharmaherstellen auch noch individuelle Rabattverträge abschließen. Oder sie müssen zu den preisgünstigeren Generika greifen, obwohl sie jahrelang optimal auf ein bestimmtes Präparat eingestellt waren und ein anderes möglicherweise nicht so gut vertragen – so wie Gerda Neumann. Die Seniorin fühlt sich mit ihren Sorgen im Stich gelassen: „Die Mehrkosten bin ich nicht bereit zu bezahlen und die Krankenkasse sagt, dann soll ich auf ein anderes Medikament umsteigen.“ Ihre Medikamente hat die Seniorin in der Apotheke gelassen – in der Hoffnung, dass am nächsten Stichtag, am 1. August, die Arzneimittelhersteller preislich zu ihren Gunsten reagieren und rabattieren.