Essen. . Patienten müssen für Medikamente häufiger Zuzahlungen bis zu zehn Euro aus der eigenen Tasche leisten. Grund: Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hat zum 1. Juli die Festbeträge für Arzneimittel gesenkt. Betroffen sind 13 Wirkstoffgruppen, darunter auch verschriebene Blutdruckmittel.

Die neuen Festbeträge für viele Medikamente, die seit dem 1. Juli gelten, bringen Patienten auf die Palme. Der Grund: Mit der Reform ist die Zahl der Arzneimittel, die von der Zuzahlung befreit sind, auf ein Rekordtief gesunken. Kranke müssen für Präparate deutlich häufiger zuzahlen als früher.

„Unsere Kunden reagieren mit Unverständnis und beschweren sich, dass die Krankenkassen nicht offensiver über die Neuregelung informiert haben“, sagt Rolf-Günter Westhaus vom Apothekerverband Nordrhein, der in Essen eine Apotheke betreibt. Er braucht in diesen Wochen viel Geduld, um den Patienten die neue Regelung zu vermitteln.

Vor allem Blutdruckmittel betroffen

Zum 1. Juli hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) für insgesamt 13 arzneiliche Wirkstoffgruppen die Festbeträge gesenkt. Darunter befinden sich insbesondere Blutdruck- und Kreislaufmittel, auf die viele Menschen angewiesen sind. Nach Berechnungen des Deutschen Apothekerverbands ist die Zahl der Arzneien, für die die gesetzlich geregelte Zuzahlung von fünf bis maximal zehn Euro pro Packung komplett entfällt, mit der Neuregelung um mehr als ein Drittel gesunken – von bislang 4800 auf nunmehr rund 3000 Präparate. Das heißt: Nunmehr sind weniger als zehn Prozent der Medikamente mit Festpreis für Patienten vollkommen gratis.

Kassen senkten Festbeträge

Zuzahlungsbefreit sind Tabletten oder Tropfen nur dann, wenn ihr Preis mindestens 30 Prozent unter der vorgegebenen Höchstgrenze liegen, die Krankenkassen erstatten. Da die Pharmaindustrie trotz der aktuellen Abschmelzung der Festbeträge die Preise für ihre Produkte nicht gesenkt hat, müssen die Patienten in die eigene Tasche greifen. „Die Hersteller können aber alle 14 Tage reagieren. Der nächste Stichtag ist der 1. August“, sagt Christian Splett, Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Apothekerverbände.

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Das ist der wirtschaftliche Wettbewerb, den sich der Spitzenverband der Krankenkassen wünscht. Denn als einen Grund für die Absenkung der Festbeträge führt der GKV-Spitzenverband an, dass „eine genügende Arzneimittelauswahl auf niedrigerem Preisniveau zur Verfügung steht“, sagt GKV-Sprecherin Ann Marini. „Geht der Hersteller mit seinem Preis auf oder unter den Festbetrag, erhöht sich die Chance für ihn, dass sein Produkt möglichst oft vom Apotheker abgegeben wird.“ Denn in der Regel verordne der Arzt nur einen Wirkstoff und kein konkretes Produkt, so Marini. Medizinische Ausnahmen müsse auf dem Rezept ausdrücklich bestätigen.

Häufiger Wechsel der Präparate

Für Patienten bedeutet dieser Wettbewerb allerdings, dass sie häufiger das Präparat wechseln müssen, zumal die jeweiligen Kassen darüber hinaus mit den Herstellern individuelle Rabattverträge aushandeln. Viele Ärzte sehen den Wechsel mit Argwohn, weil sie ihre Patienten seit Jahren mit einem bestimmten Präparat optimal eingestellt haben und nun auf ein preislich günstigeres mit identischem Wirkstoff umstellen müssen.

„Das schafft große Verunsicherung“, weiß Apotheker Westhaus. Wer an seinem vertrauten Mittel festhalten will, muss zur Zuzahlung auch noch die Aufzahlung aus der eigenen Tasche leisten. „Das sind dann für eine Packung bis zu 70 oder 80 Euro“, so Westhaus.