Bochum/Brüssel. Marius Bannefeld hat sein Studium an der Ruhr-Universität abgeschlossen. Hinter den Kulissen des europäischen Parlamentes konnte er sich als Praktikant jetzt ein halbes Jahr umschauen. Er arbeitete für die EU-Parlamentarierin Renate Sommer.

Als Absolvent der Ruhr-Universität Bochum erhielt WAZ-Mitarbeiter Marius Bannefeld ab April die Möglichkeit ein halbjähriges Praktikum bei der Europaabgeordneten Dr. Renate Sommer zu absolvieren. Die 55-Jährige ist gebürtige Bochumerin, ein Großteil ihrer Familie lebt noch heute hier. Bereits seit 1999 sitzt die Christdemokratin im Europäischen Parlament.

Einen neuen Toner gibt es im IT-Büro im D-Gebäude auf dem siebten Stock. Dazu müssen Sie zunächst auf die dritte Etage des E-Gebäudes runter, an den Postfächern vorbei, links, mit dem Fahrstuhl hoch, am Ende des Ganges rechts und dann das zweite Zimmer auf der linken Seite aufsuchen.

Wenig Praktikantentypisches

Praktikantentypische Beschäftigungstätigkeiten gibt es für Stagiaires (französisch für Praktikanten) im Europäischen Parlament selten. Sollte in einem Büro der 754 Abgeordneten im Altiero Spinelli-Gebäude in Brüssel einem Drucker aber doch einmal die Tinte ausgegangen sein, ist ein Botengang eine geeignete Gelegenheit, um das Parlament genauer kennenzulernen.

Die räumliche Konzeption wirkt im ersten Moment kompliziert, ähnlich den politischen Prozessen die sich hier abspielen. Auf den zweiten Blick macht aber vieles Sinn. In doppelter Hinsicht. Europapolitik ist vielschichtig und bürokratisch, Herausforderung der Gegenwart und Hoffnung für die Zukunft zugleich. Im Laufe der Jahre haben sich einige Eurokraten gar eine eigene Sprache angeeignet. Auf dem Brüsseler Parkett wird teilweise mit Begriffen hantiert, die von jeder anerkannten Form des Englischen abweichen.

Die 70-Stunden-Woche

Doch zurück zu relevanteren Fakten: ungefähr 80 Prozent unserer Gesetze werden auf europäischer Ebene erlassen. Das Europäische Parlament nimmt in diesem Prozess die wichtige Rolle der Volksvertretung ein.

Der Alltag der einfachen Familienmutter Renate Sommer spielt sich zwischen dem Ruhrgebiet, Brüssel und Straßburg ab. 70-Stunden-Wochen sind dabei keine Seltenheit. Ihre tägliche Arbeit ist geprägt von Podiumsdiskussionen, Besuchergruppen, politischen Veranstaltungen, Ausschusssitzungen, Gesprächen mit Interessensvertretern, Presseterminen und Schreibtischarbeiten.

Die EU-Kommission reicht Vorschläge zu Verordnungen, und Richtlinien zu verschiedenen Themen ein; das Parlament diskutiert, verbessert und votiert - so der drastisch vereinfachte Vorgang, der einem Gesetzesentwurf vorangeht. Die eigentlich in Herne wohnhafte CDU-Politikerin ist dabei besonders mit Dossiers aus den Bereichen Bürgerrecht und Verbraucherschutz befasst. Außerdem ist sie Mitglied in der Delegation im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Türkei. Lebensmittelkennzeichnung, Grenzkontrollen, Türkeiproteste - so lauteten die dominierenden Themen in den letzten Monaten.

Orientierung kommt mit der Zeit

Das parlamentarische Leben spielt sich zwölfmal im Jahr für vier Tage in Straßburg ab. Die Abgeordneten pilgern in die verträumte Stadt an der Ill, lassen die dortigen Hotelpreise in die Höhe schießen und stimmen in einem imposanten Plenarsaal über die zuvor erarbeiteten Gesetzesentwürfe ab.

Nicht selten brennt in Brüssel die Luft . Die Parlamentarier kämpfen dann stets leidenschaftlich für die Interessen ihrer Wähler und gegen existenzielle Probleme wie die Finanzkrise. Mit Erfolg: in den südlichen Krisenstaaten gibt es erste Anzeichen der wirtschaftlichen Entspannung.

Nach einiger Zeit hinter den Kulissen der EU lässt sich das IT-Büro auf der siebten Etage ohne Probleme finden - und obendrein ein deutlich besserer Zugang zu den Vorgängen, die sich im Europäischen Parlament abspielen. Einem Parlament mit großer Bedeutung für die Zukunft.