Herne/Brüssel. . Renate Sommer (CDU) kritisiert die vom EU-Parlament beschlossenen Regeln für Tababkonzerne, hat für Herne aber auch eine positive Nachricht: Die Arbeitsplätze des Unternehmens Deutsche Benkert sind offenbar nicht mehr gefährdet.

Größere Schockbilder und Warnhinweise soll es künftig nach dem Willen der Mehrheit im Europäischen Parlament auf Zigarrenpackungen geben (wir berichteten), doch am Filterpapier wird sich nichts ändern.

Das dürfte nicht zuletzt das Herner Unternehmen Deutsche Benkert freuen, das an der Industriestraße die korkfarbene Ummantelung für Filterzigaretten produziert. Ein befürchteter Verlust von Arbeitsplätzen in dem 400 Mitarbeiter zählenden Betrieb dürfte damit vom Tisch sein.

Die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer: Arbeitsplätze in Herne sind gesichert.
Die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer: Arbeitsplätze in Herne sind gesichert. © Svenja Hanusch

Sie habe einen entsprechenden Änderungsantrag zum Erhalt des „Mundstückbelagpaiers“ ins Parlament eingebracht, erklärt CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer auf WAZ-Anfrage. Das sichere nicht nur Arbeitsplätze bei der Deutschen Benkert, sondern garantiere wegen der komplexen Struktur des Papiers auch Schutz vor Produktfälschungen. Eine große Mehrheit sei dem Antrag gefolgt. Nun müsse der Ministerrat dieser Entscheidung folgen - „wovon ich ausgehe“, so Sommer.

Wie berichtet, hat das EU-Parlament gegen Stimmen von Konservativen und Liberalen strengere Bestimmungen für Tabakkonzerne beschlossen. Diese sollen das Rauchen unattraktiver machen, so das Ziel. In einigen Punkten hat die Politik allerdings strengere Vorschläge der EU-Kommission abgeschwächt.

Warnhinweise sollen, wie von den Regierungen der EU-Staaten vereinbart, auf den Packungen 65 Prozent der Vorder- und Rückseite ausmachen. Die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer hatte gefordert, diese Hinweise auf 40 bis 50 Prozent zu beschränken. Die EU-Kommission hatte 75 Prozent empfohlen. Aktuell bedecken Warnhinweise 30 Prozent der Vorder- und 40 Prozent der Rückseite von Zigarettenschachteln.

Für das Verbot von Mentholzigaretten, dem Sommer zumindest offen gegenübergestanden hatte, gilt nun eine mehrjährige Übergangsfrist. Zusatzstoffe wie Schokolade oder Vanille sollen in etwa drei Jahren verboten werden. Durch Tabakkonsum sterben in der EU nach Schätzungen rund 700 000 Menschen pro Jahr.

In einer Presseerklärung geht Renate Sommer hart ins Gericht mit dem Mehrheitsbeschluss des Europäischen Parlaments. So viel „Bösartigkeit“ haben sie in ihrer 14-jährigen Tätigkeit als Europaabgeordnete noch nie erlebt, schimpft die Christdemokratin.

Sommer kritisiert „Hexenjagd“ 

Die Stellungnahme von Sommer im Wortlaut: Das Europäische Parlament hat schärfere Regeln für Tabakprodukte beschlossen. Danach sollen Zigarettenpackungen künftig größere Warnhinweise und abschreckende Bilder enthalten. Aromen oder Geschmacksstoffe, die Jugendlichen den Einstieg in den Tabakkonsum erleichtern können, sollen künftig verboten werden. Die Europaabgeordnete für das Ruhrgebiet, Dr. Renate Sommer (CDU), kritisiert die Ideologie-dominierte Debatte als Hexenjagd.

„Es besteht kein Zweifel daran, dass wir Jugendliche davon abhalten müssen, mit dem Rauchen zu beginnen. Ich bezweifle aber, dass man dieses Ziel allein durch überdimensionale Ekelbilder auf den Verpackungen erreichen kann. Wirklich wirksam sind nur Aufklärungskampagnen und die strikte Überprüfung der Einhaltung der nationalen Jugendschutzgesetze.

Viele der jetzt beschlossenen Regeln haben außerdem nichts mit dem Jugendschutz zu tun. Die Vorschrift wie die Zigarettenpackung auszusehen hat, bis hin zum Material, aus dem Verpackungen hergestellt werden dürfen, macht es illegalen Banden erst recht leicht, Zigarettenpackungen zu fälschen. Da niemand weiß, was in gefälschten Produkten enthalten ist, stellen sie eine zusätzliche, ernst zu nehmende Gesundheitsgefährdung dar.

Was Viele zu vergessen scheinen: Es handelt sich bei Zigaretten immer noch um legale Produkte, und die Hersteller haben Markenrechte. Die von den Grünen geforderte Einheitspackung wäre ein Verstoß gegen geltendes Recht gewesen. Deshalb lehnte eine Mehrheit diesen Vorstoß ab.

Auch die Pläne der sozialdemokratischen Berichterstatterin, E-Zigaretten als Arzneimittel in die Apotheken zu verbannen, konnten verhindert werden. Das Ausstiegsprodukt E-Zigarette apothekenpflichtig zu machen, während man die traditionellen Glimmstängel weiter an jedem Kiosk kaufen kann, wäre Schizophrenie pur. Die für die Arzneimittelzulassung erforderlichen, teuren klinischen Tests wären für die kleinen Hersteller so genannter Liquids nicht zu stemmen gewesen. Profitiert hätten die Tabakkonzerne und die Pharmaindustrie. Letztere will schließlich ihre (wenig erfolgreichen) Nikotinpflaster und -kaugummis vor der erfolgreicheren Konkurrenz der E-Zigarette schützen.

Geradezu unglaublich ist die Hexenjagd, der all diejenigen zum Opfer fallen, die eine sachliche, wissenschaftlich fundierte Regelung forderten. Wer nicht blind der sozialistischen Parlamentsberichterstatterin folgt, die ungeachtet aller Rechtsgrundsätze eine regelrechte Vernichtungskampagne gegen alle Tabakerzeugnisse fährt, wird als böse, menschenverachtend und von der Tabaklobby geschmiert an den Pranger gestellt. So viel Bösartigkeit habe ich in meiner 14-jährigen Zugehörigkeit zum Europäischen Parlament noch nicht erlebt.“