Herne. . Mit scharfer Kritik reagiert Renate Sommer, CDU-Europaabgeordnete aus Herne, auf die hohen Haftstrafen für Rivalen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan.

Der nun abgeschlossene Mammutprozess in Istanbul, sagt die Türkei-Expertin im WAZ-Gespräch, sei ein politischer Prozess gewesen, um Erdogans Regierungsgegner zu beseitigen. „Der Begriff ,Mundtot machen’ reicht dafür nicht mehr aus“, betont sie.

Sommer verfolgt die politische Lage in der Türkei seit Jahren und kritisierte in diesem Zusammenhang mehrfach den schleppenden, in ihren Augen rückläufigen Demokratisierungsprozess. Dafür wurde sie zuletzt in türkischen Blättern angegriffen. Das Ergebnis des fast fünf Jahre dauernden Prozesses gegen mutmaßliche Mitglieder des vermeintlichen Geheimbundes Ergenekon ruft sie diesmal auf den Plan.

Zum Hintergrund: Vielen Angeklagten, darunter ranghohe Militärs, wurde die Zugehörigkeit zu dem mutmaßlichen Geheimbund sowie die Vorbereitung eines Putsches gegen die Regierung des islamisch-konservativen Premiers Erdogan vorgeworfen. Die meisten der rund 275 Angeklagten erhielten zehn bis 20 Jahre Haft, zwei ranghohe Militärs lebenslang.

Dass sich das türkische Militär in die Innenpolitik einmische, sei zu kritisieren, sagt Sommer. Was Erdogan mache, könne aber nicht hingenommen werden: „Er will das Militär von der Bildfläche verschwinden lassen.“ Zudem sei nicht geklärt, ob es den Geheimbund überhaupt gebe. Ziel Erdogans sei es, sich politisch freie Bahn zu schaffen, um – gegen die Verfassung – einen islamistischen Staat zu schaffen: „Im Grunde regiert er schon jetzt wie ein Autokrat.“ Da Erdogan nach drei Regierungszeiten bei den nächsten Wahlen zum Ministerpräsident nicht mehr antreten könne, dürfte er nun versuchen, sich das Präsidentenamt zu schnappen – und dafür im Vorfeld die Macht des Präsidenten auszubauen. „Der Mann ist nicht demokratisch, er hat nie erlebt, was Demokratie ist“, warnt Sommer vor diesem Schritt. Um anzufügen: Erdogan fühlt sich wie ein Sultan.“