Bochum. Der bundesweit größte Allergie-Kongress beginnt am Donnerstag in Bochum. Die Zunft warnt: Es gebe zu wenige Fachärzte für die zunehmende Zahl der Patienten, obwohl Deutschland in Sachen Forschung weltweit führend sei. Zu oft bleibe eine Allergie unerkannt und damit unbehandelt.

Die Allergologen in Deutschland beklagen eine dramatische Unterversorgung von Patienten. Während immer mehr Kinder und Erwachsene an Allergien leiden, gebe es immer weniger Fachärzte. Der Missstand steht im Blickpunkt des bundesweit größten Allergie-Kongresses, der am Donnerstag im Bochumer Ruhr-Congress beginnt.

Asthma, Neurodermitis, Nahrungsmittel, Heuschnupfen: Allergien sind zur Volkskrankheit geworden. „Jeder Fünfte ist von Erkrankungen betroffen“, berichtet Eckard Hamelmann, Direktor der Kinderklinik Bochum und Generalsekretär der Gesellschaft für Allergologie (DGAKI). Die Zahlen steigen seit Jahrzehnten an. Jedes dritte Kind komme bereits als Allergiker zur Welt. Das Ruhrgebiet mit seiner hohen Feinstaubbelastung sei besonders stark betroffen.

Wissenschaft und Forschung haben sich längst auf das große Leiden eingestellt. „Da ist Deutschland weltweit Spitze“, betont DGAKI-Präsident Harald Renz. Allein: „Bei den 20 Millionen Patienten kommt das nicht an.“

Fachverband kritisiert die Kassen

Zu häufig werde die Krankheit bagatellisiert, nicht ernst genommen – und von Haus- und Kinderärzten nicht frühzeitig erkannt. Zu wenige Patienten erhielten eine angemessene Therapie. Ein Grund: Es gibt deutlich zu wenig Fachärzte. Lediglich 4000 der 300.000 Ärzte in Deutschland besitzen laut DGAKI eine nötige Zusatzausbildung als Allergologe.

Der Fachverband übt scharfe Kritik am Gebaren der Krankenkassen. Therapien und Medikamente würden oft nicht erstattet. In den letzten zehn Jahren sei die Zahl der Fachärzte um zwei Drittel zurückgegangen: „Auf Dauer kann man als Allergologe keine eigene Praxis unterhalten.“ Zudem fehle es an einer verbindlichen Verankerung im Medizinstudium.

Kaiserschnitt steigert Allergierisiko

Die Folgen zeigt eine jetzt veröffentlichte Studie der Universität Duisburg-Essen auf. Die Daten von 40 Millionen Versicherten wurden binnen vier Jahren ausgewertet. Ein Ergebnis: Nur bei sieben Prozent der Heuschnupfenpatienten und fünf Prozent der Asthmatiker wurden nachhaltige Therapien durch eine Sensibilisierung vorgenommen. „Erschreckend“, so die Fachärzte, die in regionalen Allergiezentren einen Ausweg erkennen und eine bundesweite Vorsorgekampagne ankündigen.

Prävention müsse schon im Babyalter beginnen. Dabei warnen die Allergologen die Eltern vor dem „Trugschluss“, Impfungen würden Allergien auslösen: „Dafür gibt es keinen Anhalt.“ Erwiesen sei hingegen, dass Kaiserschnittkinder ein erhöhtes Allergierisiko tragen.