Bochum. Die Zahl der Menschen, die sich wegen Bienen- oder Wespenstich-Allergien behandeln lassen, nimmt zu. Allein das St. Josef-Hospital in Bochum behandelt pro Monat etwa zehn neue Patienten, die sich einer spezifischen Immuntherapie unterziehen.

Vor acht Jahren saß Nadja Flury (32) zu Hause barfuß am Tisch, als eine Biene zwischen ihre Zehen krabbelte. Flury erhob sich, die Biene stach zu. „Ich bin aufgesprungen vor Schmerz, mein ganzer Körper ist angeschwollen, sogar die Ohren. Dann bekam ich Kreislaufbeschwerden und Atemnot. Mein damaliger Mann hat den Notarzt gerufen“, schildert sie. Im Krankenhaus wurden ihr ein Antihistaminikum und Kortison gespritzt.

„Wenn sich einmal eine Systemreaktion bemerkbar gemacht hat, wie Quaddeln überall, plötzlicher Juckreiz, Heiserkeit, Benommenheit, Schwindel, Kreislaufbeschwerden oder Atemnot, muss man davon ausgehen, dass die Reaktion bei einem erneuten Stich ähnlich oder stärker bzw. schneller auftritt“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Heinrich Dickel, Leiter der Abteilung für Allergologie, Berufs- und Umweltdermatologie am St.-Josef-Hospital.

Drei bis vier Prozent der deutschen Bevölkerung sind allergisch gegen Wespen- und/oder Bienengift. Rund 20 Menschen im Jahr sterben dadurch, wobei es vermutlich keine unerhebliche Dunkelziffer bei den ungeklärten Todesfällen gebe, sagt Dickel. Durch die verstärkte Aufklärung, kämen vermehrt Menschen in die Klinik, um sich durch eine spezifische Immuntherapie, schützen zu lassen, so der Eindruck von Dickel. „Monatlich behandeln wir etwa zehn neue Patienten bei uns.“

Dosis, die eine Biene schaffen kann

Nadja Flury lässt die spezifische Immuntherapie im St-Josef-Hospital erstmals durchführen. Fünf Tage dauert die Einleitung, der in der Regel fünfjährigen Behandlung. Sie erhält täglich mehrere Spritzen mit Extrakt, das wie Bienengift wirkt. Anschließend wird das Extrakt monatlich verabreicht. Die Dosis wird gesteigert, bis zu der Konzentration, die eine Biene schaffen kann, rund 100 Mykrogramm pro Milliliter. Die Patientin werde überwacht, weil Allergiesymptome auftreten können, was aber selten sei, so Dickel.

„Es fühlt sich an wie ein kleiner Bienenstich“, beschreibt Flury nach der Spritze. Die Wirksamkeit der Therapie hänge davon ab, ob die richtigen Allergene, die sich in den Proteinen des Gifts verbergen, in dem Extrakt enthalten seien. Bei Bienengiftallergikern habe die Therapie eine Erfolgsquote bis 85 Prozent, bei Wespen bis zu 95 Prozent, so Dickel. Die Forschung arbeite daran, die Proteine zu analysieren, um die spezifische Immuntherapie künftig mit den individuell passenden Allergenen durchführen zu können, erklärt er.

Therapieerfolg meine nicht, dass die Allergie beseitigt sei. „Deswegen heißt es Hyposensibilisierung und nicht Desensibilisierung. Es tritt eine Gewöhnung ein. Die Patienten sind während der Therapie geschützt und meist noch lange danach, aber sicher ist das nicht“, erklärt er. Im Zweifelsfall sollte die Therapie wiederholt werden.