Bochum. . Muss Uli Hoeneß wegen seiner Steueraffäre wirklich mit Haft rechnen? Nimmt man nur die Erfahrungen mit der Bochumer Strafjustiz, wo massenhaft große Steuerverfahren laufen, so ist dies extrem unwahrscheinlich. Dort blieb sogar ein Millionär in Freiheit, der in Liechtenstein acht Millionen Steuern hinterzogen hatte.

Muss FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß wegen seiner Steueraffäre vielleicht wirklich in Haft? Diese Frage stellen sich seit Samstag viele Menschen. Blickt man aber auf Entscheidungen der Bochumer Justiz zurück, dann könnte die Antwort nur lauten: Nein.

Im Juli 2008 hatte in Bochum ein reicher Immobilienkaufmann (70) aus Hessen vor Gericht gestanden, der in Geldverstecken in Liechtenstein rund acht Millionen Euro Steuern hinterzogen hatte. Das Bochumer Landgericht verhängte zwar zwei Jahre Haft, setzte diese aber zur Bewährung aus. Statt ihn ins Gefängnis zu schicken, ließen ihn die Richter lieber finanziell bluten: Außer der Rückzahlung des Schadens musste er weitere 7,5 Millionen Euro an 20 gemeinnützige Einrichtungen zahlen, großteils im Ruhrgebiet.

„Mehr oder weniger ein Volkssport, insbesonders bei der Oberschicht“

Fast acht Millionen Euro Steuerbeute und doch kein Gefängnis: Das hatte damals für Kopfschütteln gesorgt. Der Verdachts des Freikaufens stand im Raum. Die Bochumer Richter verwiesen aber auf die umfassende Mitarbeit des Täters bei der Aufklärung und eine „günstige Sozialprognose“. Anders als Hoeneß hatte der Kaufmann aus Hessen sich nicht einmal selbst angezeigt, sondern war über eine angekaufte, mit Bankdaten gefüllte CD überführt worden.

Die ehemalige Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen ermittelte lange Zeit gegen Steuerstraftäter.
Die ehemalige Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen ermittelte lange Zeit gegen Steuerstraftäter. © WAZ

Nicht einmal die damalige Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen (die Frau, die Ex-Postchef Klaus Zumwinkel vor laufender Kamera aus seiner Villa in Bonn abgeführt hatte) wollte den Immobilienmann einsperren. Dabei hatte sie Steuerstraftaten, wie er sie betrieben habe, zuvor noch schwer gegeißelt: Sie seien „mehr oder weniger ein Volkssport, insbesonders bei der Oberschicht“. Und in einem WAZ-Interview hatte sie betont: „Der Staat muss durch Steuereinnahmen eine Vielzahl von sozialen Aufgaben erfüllen wie etwa die Unterhaltung von Kindergärten, Krankenhäusern und so weiter. Würde jeder Bürger Steuern dem Staat vorenthalten, würde das ganze staatliche Sozialsystem zusammenbrechen.“ Nach einem behördeninternen Streit wechselte war Margrit Lichtinghagen 2009 als Richterin zum Amtsgericht Essen gewechselt.

„Durchsuchungen finden nach wie vor fortlaufend statt“

Seit mehr als fünf Jahren arbeitet die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität die Fälle im Steuerkomplex „Liechtenstein“ ab. Wie Oberstaatsanwalt Norbert Salamon am Montag auf WAZ-Anfrage mitteilte, ist die Anzahl der eingeleiteten staatsanwaltlichen Verfahren mittlerweile auf 1150 angewachsen. Bis heute ist aber kein einziger Beschuldigter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden; jedenfalls ist der Behörde nichts bekannt. 92 Prozent der Fälle sind bereits erledigt. In rund 500 Fällen wurden die Verfahren gegen Geldauflagen von mehr als 50 Mio Euro eingestellt. Die reinen Steuernachzahlungen - neunstellig - waren zusätzlich fällig.

Seit Ende 2012 unternimmt die Bochumer Anklagebehörde einen weiteren Fischzug gegen mutmaßliche Steuerstraftäter. Auf der Grundlage einer vom Land NRW angekauften CD mit Daten der Schweizer Bank UBS werden rund 1200 Geldanlagen mit einem Volumen von fast drei Milliarden Euro unter die Lupe genommen. Salamon zur WAZ: „Durchsuchungen finden nach wie vor fortlaufend statt.“ Es habe auch Aktionen im Großraum Bochum gegeben. Eine Person - nicht aus Bochum - sei zeitweise in U-Haft gesperrt worden.