München. Er gilt als der Motor des FC Bayern, die Durchsetzungsfähigkeit in Person - und er galt bisher als moralische Instanz. Nun hat Uli Hoeneß beim Finanzamt Selbstanzeige wegen eines Schwarzgeld-Kontos in der Schweiz erstattet. Eine Bilanz.
Eine kurze Begegnung kommt in Erinnerung, zu zweit im Fahrstuhl. Ein Nicken, ein Scherz, den zwei Männer mit stattlicher Körperfülle so machen, wenn sie an einem heißen Tag im stickigen Fahrstuhl die Tribüne empor fahren statt die Treppe zu nehmen.
Was länger nachwirkte: der Eindruck, ein menschliches Kraftwerk erlebt zu haben. Uli Hoeneß, die fleischgewordene Durchsetzungsfähigkeit mit der anderen Seite: mit dem weicheren Kern, mit dem moralischen Kompass im Innern. Keiner von den Blendern. Und nun: Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. Und die desillusionierende Frage: Er also auch?
Und: Hatte Hoeneß das nötig? In Deutschland herrschte doch längst der Eindruck, dass dieser Kerl alles schaffen kann. Ein Metzgerssohn aus Neu-Ulm, der nun Aldi und McDonald’s mit seinen Würstchen beliefert. Ein Fußball-Profi, den sein kaputtes Knie mit 27 Jahren auf den Manager-Sessel des FC Bayern München gezwungen hat. Und heute: Titel und Triumphe, seine Bayern überlebensgroß, zu groß für Deutschland. Abgestürzt ist er mal mit einem Kleinflugzeug, er hat überlebt, als einziger. Uli Hoeneß, stärker als das Schicksal.
Überfigur nicht nur der Liga
Er war, natürlich, Sieger in der Kokain-Affäre um Christoph Daum, die ihn alles hätte kosten können, wäre Daum nicht auf die selbstzerstörerische Idee verfallen, sich einer Haarprobe zu unterziehen. Am Ende war Daum der Lügner und Hoeneß der, der Schaden vom deutschen Fußball abgewendet hatte. Das war vielleicht der Anfang des Weges zur moralischen Instanz. Daums Satz, er habe Mitleid mit Hoeneß, muss diesem die Seele zerfressen, schleichend wie ein Gift.
Zur Lebensleistung von Uli Hoeneß gehört aber nicht nur der Aufstieg des FC Bayern zu einem der besten Vereine der Welt und zur aktuellen Übermannschaft, die in diesen Wochen alles gewinnen kann, was der Vereinsfußball hergibt. Zu Hoeneß’ Vita gehört auch der Aufstieg über den Fußball hinaus. Der Uli Hoeneß der letzten Jahre war mehr als der Präsident der Bayern, jedenfalls wurde er so gesehen: eine Über-Figur, erst der Bundesliga, dann nahezu eines ganzen Landes. Und immer basierte dieses Ansehen auf persönlicher Integrität, die bar jeden Zweifels zu sein schien.
Den Bayern mit Haut und Haar verschrieben
Im englischen Fußball liefern sich Vereine irgendwelchen Scheichs und Heuschrecken aus? In Spanien wird mit gepumpten Geld gezahlt oder zur Not auch gar nicht? Schlimm. Aber so sind die anderen. Nicht diese Bundesliga, die, jedenfalls alles in allem, für solides Wirtschaften und das Machbare steht. Weil ja für diese Liga ganz vorne einer wie Uli Hoeneß steht.
Auch interessant
Hoeneß ist bis heute einer, der sich dem Fußball, besser: den Bayern, mit Haut und Haar verschrieben hat. Der die moralische Autorität besaß, Sepp Blatters Fifa einen korrupten Sauhaufen nennen zu können. Der seine Bayern gratis in Aachen und St. Pauli auflaufen ließ, um die Klubs retten zu helfen. Der privat spendete, der stiftete, oft anonym, der sich um gefallene Mitspieler von einst kümmerte.
Reden gegen die Gier
Der, und das ist die höhere Ebene, später in Manager-Seminaren für Leistung und gegen die Gier redete. Der es als Gast von Angela Merkel ins Kanzleramt schaffte, mehrfach sogar. Der gehört wurde, der in Talkshows den Moralapostel spielen durfte. „Ein Vorbild für das ganze Land“, säuselte der „Spiegel“ handzahm, und als die „Bild“ fragte: „Brauchen wir mehr Hoeneß in der Politik?“, stimmten 88 Prozent zu. Hoeneß war der gute Mensch vom Tegernsee, eine Instanz fast wie Helmut Schmidt, als er schließlich bei Günther Jauch allen die Leviten las: „Deutschland im Großen und Ganzen ist ein Paradies, und die Leute wollen es nicht begreifen.“
Das klang nach Bescheidenheit. Nach Dankbarkeit. Aber ein Steuerparadies, das ist Deutschland nicht, und Hoeneß hat offenbar Steuern in Millionenhöhe hinterzogen, was kriminell wäre, kriminell und gewöhnlich. Ihm aber, dem Außergewöhnlichen, dem Moralapostel, trauten die Menschen das nicht zu.
Nun wird Uli Hoeneß fallen. Womöglich tiefer als jeder andere im deutschen Fußball. Weil er von ganz oben kommt.