Essen. Enttäuscht und fassungslos über die Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß waren Weggefährten des Präsidenten des FC Bayern München. Bei der Talkrunde von Günther Jauch diskutierten sie über eine mögliche Haftstrafe, die Höhe des hinterzogenen Geldes und die Vorteile einer Selbstanzeige.
Der zentrale Satz fällt, als etwa die Hälfte der Sendung rum ist: „Es wird ja zur Zeit viel mit der Stange im Nebel gestochert“, sagt Moderator Günther Jauch – und hat damit seine gesamte Sendung relativ präzise zusammengefasst.
Es musste aber auch alles sehr schnell gehen für seine Redaktion: Am Samstagmittag erfuhr die erstaunte Öffentlichkeit, dass Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern, sich selbst wegen Steuerhinterziehung angezeigt hatte. Am Sonntagabend schon musste dazu eine einstündige Talkshow gefüllt werden und Gäste brauchte man dafür auch noch. Idealerweise sollten diese von der verhandelten Materie auch noch Ahnung oder – das scheint für viele Talk-Redaktionen inzwischen das wichtigere Kriterium – zumindest eine Meinung dazu haben.
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) war da eine logische Wahl, ebenso wie Dieter Ondracek, ehemals Chef der Deutschen Steuergewerkschaft. Selten war zudem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der ob seiner Meinungsfreude von jeder Redaktion gerne eingeladen wird, eine derart gute Besetzung als Gast: Der Fraktionsvorsitzende im schleswig-holsteinischen Landtag ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Steuerrecht. Und weil das Nachrichtenmagazin „Focus“ die Nachricht vom Steuersünder Hoeneß als erste verbreitet hatte, durfte auch dessen Chefredakteur in der Sendung Platz nehmen.
Kürten war beim Thema Hoeneß fassungslos
Die Einladung an Dieter Kürten rührte wohl daher, dass er das Sportstudio im ZDF schon moderierte, als Uli Hoeneß noch selbst Fußball spielte, somit einige harmlose Anekdoten berichten und mehrmals seine Fassungslosigkeit verkünden konnte. Was genau sich die Redaktion von der Anwesenheit des Berufskomikers Oliver Pocher versprach, blieb dagegen komplett im Dunkeln.
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Als Fußball-Experte geht er kaum durch, zum Thema Steuerstrafrecht erst Recht nicht – und auch sein Humor kann es nicht gewesen sein. „Ich hatte gehofft, die Nachricht würde eine Auswirkung auf die Bayern-Spieler vor dem Spiel gegen Hannover haben“, versuchte es der bekennende Fan der Niedersachsen gleich zu Beginn an einem Gag – es sollte sein bester des Abends werden.
Dass es trotzdem eine leidlich informative Sendung wurde, war Finanzminister Walter-Borjans und vor allem dem Steuerrechtler Kubicki zu verdanken, die in ihren Ansichten erstaunlich nah beieinander waren. Der Sozialdemokrat nutzte zwar noch mal die Möglichkeit, gegen das von der FDP mitgeplante deutsch-schweizerische Steuerabkommen zu wettern, über das Hoeneß seine Vermögen anonym hätte nachversteuern können und das die SPD mit Walter-Borjans als treibender Kraft im Bundesrat verhindert hatte: „Das wäre ein Abkommen gewesen für die, die abtauchen wollen.“
Kubicki erläutert Vorteile einer Selbstanzeige
Doch Kubicki tat weder ihm noch Moderator Jauch den Gefallen, in diese Falle zu tappen und als FDP-Politiker nun einen mutmaßlichen Steuersünder zu verteidigen – stattdessen warb er regelrecht für die Selbstanzeige. „Danach ist selten mehr als 30 Prozent des Vermögens weg“, erklärte er. „Das wäre es mir wert, ruhig zu schlafen und das Geld auch wieder zur freien Verfügung zu haben.“ In 99 Prozent der Fälle erfahre außer den Finanzbehörden auch niemand von einer Selbstanzeige – nicht einmal der oberste Dienstherr.
„Minister und Ministerpräsidenten werden nicht in die Fälle eingeweiht“, sagte Walter-Borjans, der ebenfalls viel von Selbstanzeigen hält – kein Wunder: Nachdem das Land NRW in der jüngeren Vergangenheit mehrmals für insgesamt angeblich zehn Millionen Euro CDs mit Daten angeblicher Steuersünder gekauft hatte, seien durch Selbstanzeigen und die entsprechenden Nach- und Strafzahlungen 400 Millionen Euro in die Kassen gespült worden.
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Den SPD-Politiker, der sich gerne als Kämpfer für mehr Steuergerechtigkeit und gegen Steuerkriminalität inszeniert, dürfte es auch gefreut haben, was Ex-Steuergewerkschaftschef Ondracek zum Thema Fahndungsdruck zu sagen hatte: Dass man es als Steuersünder in Baden-Württemberg und Bayern am wenigsten fürchten müsse, entdeckt zu werden, weil es hier viel zu wenige Steuerfahnder gebe. „Das hilft ihnen aber nichts“ warf Walter-Borjans ein. „Wenn bei Ermittlungen in NRW Fälle aus Bayern bekannt werden, werden die weitergereicht.“
Hoeneß sei Beschuldigter in einem Strafverfahren
Anders als der Fall Hoeneß, der bekanntlich durch eine Selbstanzeige des Fußballfunktionärs ausgelöst wurde. Eine Selbstanzeige, die strafmildernd oder gar -befreiend wirken kann – wenn sie denn vollständig ist und nicht bereits gegen Hoeneß ermittelt wurde. „Dass die Staatsanwaltschaft aber eine Hausdurchsuchung bei Uli Hoeneß durchgeführt hat, zeigt, dass er Beschuldigter in einem Strafverfahren ist“, erklärte Kubicki. „Und das ist ein Indiz dafür, dass die Selbstanzeige nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfolgte oder dass es noch andere Vergehen gibt.“ Das könnte beispielsweise Untreue sein, wenn das Geld auf dem Schweizer Konto dem eigenen Unternehmen entnommen wurde.
In jedem Fall kann es nicht wenig Geld sein, das Hoeneß in der Schweiz lagert: Aufgrund der bereits geleisteten Strafzahlung – kolpotiert wurden Summen von drei bis sechs Millionen Euro – erklärte Steuergewerkschaftler Ondracek ein Vermögen im zweistelligen Millionenbereich für plausibel.
Es gab sie also, diese interessanten und lehrreichen Fakten – sie mussten allerdings sehr gestreckt werden, um 60 Minuten zu füllen. Ansonsten blieb viel Nebel – ab 21 Uhr darf Frank Plasberg weiterstochern.