Die Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen machte das "Liechtenstein-Fass" auf. Nun gab sie der WAZ ein erstes Interview. Teilweise, sagt sie darin, waren die Fahnder gar nicht so unwillkommen
Nach bisher knapp 120 Durchsuchungen bei reichen deutschen Privatleuten, die ihr Geld in Liechtenstein gebunkert hatten, müssen die Beschuldigten teilweise mit einem öffentlichen Prozess rechnen. "Bei der Höhe der festgestellten hinterzogenen Steuern ist in Einzelfällen zu erwarten, dass bei den zuständigen Landgerichten Anklage erhoben wird, auch in Bochum", sagte Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen in einem Interview mit der WAZ.
Sie ist die Frau, die im Februar den damaligen Postchef Klaus Zumwinkel mit Haftbefehl aus seiner Villa geholt hatte. Seitdem hat sie ein Fass mit insgesamt mehreren hundert Millionen Euro Anlagekapital aufgemacht, das in Liechtenstein versteckt gelegen haben soll. Manchmal waren die Fahnder bei Durchsuchungen gar nicht so unwillkommen. Lichtinghagen: "Teilweise zeigten sich die Beschuldigten erleichtert, dass das Versteckspiel mit der Finanzverwaltung beendet ist. Dies vor allem bei älteren Leuten, die ihren Kindern ein unbelastetes Erbe hinterlassen wollen."
Die Beschuldigten seien "weit überwiegend" geständig gewesen. "In der Regel wurden auch Akontozahlungen etwa in Höhe der hinterzogenen Steuern an die Finanzämter geleistet." Den Zugriff in Zumwinkels Villa verteidigte die Staatsanwältin: "Alle anderen Beschuldigten wurden ebenfalls aufgrund der Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Bochum persönlich und zu Hause aufgesucht." Von dem riesigen Medienecho sei die Staatsanwaltschaft absolut überrascht gewesen. "Wir hatten Anfragen aus 22 Ländern."
Bürger, die angesichts staatlicher Steuerverschwendungen und Politikverdrossenheit eine eigene Steuerhinterziehung moralisch rechtfertigen, kann sie nicht verstehen. Denn der Staat müsse Kindergärten, Krankenhäuser und dergleichen unterhalten. "Würde jeder Bürger Steuern dem Staat vorenthalten, würde das ganze staatliche Sozialsystem zusammenbrechen."
Das Steuerrecht hält Lichtinghagen nicht für zu kompliziert. Millionäre seien ja meist "steuerlich beraten". Die Angabe erzielter Kapitalerträge sei "nicht so kompliziert, als dass man unwahre Angaben machen muss". Bisher seien fast 200 Selbstanzeigen eingetroffen. Weitere Durchsuchungen würden vorbereitet.