Bochum. Mit einem Geständnis Erster Klasse warb der ehemalige Post-Chef Klaus Zumwinkel um das Wohlwollen der Justiz. Warum ein vielfacher Millionär den Staat betrügen wollte, wurde allerdings immer noch nicht klar.
„Es war der größte Fehler meines Lebens.” Mit diesem klaren Eingeständnis hat Ex-Postchef Klaus Zumwinkel (65) alle Vorwürfe zugegeben, die seit fast einem Jahr in ganz Deutschland die Runde machen: Er soll fast eine Million Euro Steuern hinterzogen haben. Auch das bei der Straffindung so wichtige Bedauern vergaß der Multimillionär nicht: „Ich bereue mein Fehlverhalten und werde die Folgen tragen.”
Solche Geständnisse wünschen sich Strafrichter
Skeptiker mutmaßten, der einstige Wirtschaftskapitän wolle sich mit diesem Geständnis Erster Klasse das Wohlwollen des Gerichts erkaufen, um mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen. Zumindest vom Wortlaut her war das Geständnis aber eines, wie es sich Strafrichter wünschen: Ohne Ausflüchte.
„Ich will ohne Wenn und Aber feststellen: Der Vorwurf der Anklage trifft zu”, sagte der im öffentlichen Ansehen tief gestürzte einstige Wirtschaftskapitän. Ja, er habe Erträge seiner Liechtensteiner Familienstiftung „nicht versteuert”. Laut Anklage waren dies 917 000 Euro Einkommensteuern plus 54 000 Euro Soli-Beiträge von 2002 bis 2006. „Das ist ein erheblicher Betrag, auch wenn er sich über fünf Jahre erstreckt”, räumte er ein. Er habe nachträglich „sämtliche Steuern nebst Zinsen bezahlt, unverzüglich und vollständig”. Und sogar auf Klärung von juristisch höchst umstrittenen Fragen, zum Beispiel zur Verwertbarkeit der Beweise gegen ihn, habe er „bewusst verzichtet”. „Ich will hier reinen Tisch machen.” Er sei froh, „einen Schlussstrich unter das Ganze zu ziehen”.
Verwertbare Beweise
Zumwinkel spielte damit auf das knifflige Problem an, dass der Bundesnachrichtendienst die belastenden Kontodaten bei der Liechtensteiner LGT-Bank, wo die Stiftung 1986 angelegt worden war, von einem Datendieb für einen Millionenbetrag angekauft hatte. Darf der Staat mit Hehlerware Straftäter überführen? Vorsitzender Richter Wolfgang Mittrup hat die Frage für die 12. Strafkammer bereits entschieden: „Wir sind der Auffassung, dass eine Verwertbarkeit besteht.” Obwohl Obergerichte dies durchaus anders sehen könnten.
Aber derlei trockene Juristerei war am ersten Prozesstag nicht das große Thema. Sondern nur die Person Zumwinkel. Und natürlich auch sein Vermögen. Da nennt er seinen „Feriensitz”, eine 800 Jahre alte Burg am Gardasee. Vor zehn Jahren habe er sie gekauft und renovieren lassen. Auf fünf Millionen Euro schätzt er ihren Wert. Als Altersruhesitz habe er die Burg vorgesehen. Dann seien da noch Aktien und Finanzpapiere. Wert: acht Millionen Euro. Außerdem gibt es frisches Einkommen. Für 2009 rechne er mit 600 000 Euro netto. Seine zwei Autos, ein BMW und ein Audi-Geländewagen, ein Motorboot sind da Peanuts.
Sagenhafte Karriere
Schon von Hause aus war Zumwinkel gutsituiert. Seine Eltern hatten den zwei Söhnen eine Handelskette vermacht. Der Reichtum des Angeklagten ist aber vor allem die Ernte einer sagenhaften Karriere. In den USA und in Münster zum Betriebswissenschaftler und Manager mit Doktortitel ausgebildet, startete der gebürtige Niederrheiner, der seit 37 Jahren verheiratet ist und zwei Kinder hat (28, 29), zunächst bei der Unternehmensberatung McKinsey. 1987 wurde er Vorstandschef von „Quelle”. Ab 1990 wechselte er an die Spitze der Post. „Es folgten”, wie er stolz betonte, „18 Jahre Sanierung, Neustrukturierung und Internationalisierung.” Die Post mit 500 000 Mitarbeitern sei heute „einer der größten privaten Arbeitgeber weltweit”. Hinzu kamen Aufsichtsratsposten bei Lufthansa, Arcandor, Tchibo. Alle Ämter hat er inzwischen aufgegeben, auch wegen der Steueraffäre. Weiterhin gültig sind freilich sein Bundesverdienstkreuz erster Klasse und sein Verdienstorden des Landes NRW.
"Die Angst war ein schlechter Ratgeber"
Nun also ist all dieser Glanz zerkratzt. Warum er überhaupt Steuern hinterzogen habe, wolle der Richter wissen. „Diese Frage habe ich mir in den letzten Monaten auch häufig gestellt”, antwortete Zumwinkel. „Ich wollte Zinsen aus versteuertem Geld nicht versteuern.” Er habe auch mal an „Steueramnestie”, eine strafbefreiende Selbstanzeige gedacht. Aber: „Ich hatte große Angst, dass das durch Indiskretion an die Öffentlichkeit gelangt.” Das wäre desaströs gewesen. Heute aber sagt er: „Diese Angst war ein schlechter Ratgeber.”
Nun hofft er fürs Urteil am Montag auf Bewährung. Richter Mittrup hat dazu betont: „Es gibt keine Sonderbehandlung. Eine irgendwie geartete Absprache gibt es bis zur Stunde selbstverständlich nicht.”
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